Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 29.480,52 (darin S 4.913,42 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Beklagte war Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH, über deren Vermögen nach einem in ein Ausgleichsverfahren übergeleiteten Vorverfahren am 13.1.1988 der Konkurs eröffnet wurde.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den Ersatz der für die Monate Jänner bis Oktober 1986 und März bis Dezember 1987 aushaftenden Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung zuzüglich 10,5 % Zinsen, Gerichtsgebühren und eines Beitragszuschlages. Sie brachte im wesentlichen vor, daß die Gesellschaft mbH im Zeitpunkt des Auflaufens der Beitragsschulden bereits überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei. Der Beklagte habe trotz Kenntnis dieses Umstandes nicht rechtzeitig die Konkurseröffnung beantragt und damit gegen die Schutzbestimmungen des § 159 Abs.1 Z 2 StGB sowie des § 69 KO verstoßen. Er hafte daher für den eingetretenen Schaden.
Der Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Zwischen der in Konkurs verfallenen Gesellschaft mbH und einer Aktiengesellschaft habe ein sogenannter Ergebnisabführungsvertrag bestanden, wonach die Aktiengesellschaft verpflichtet gewesen sei, allfällige Verluste der Gesellschaft mbH zu übernehmen. Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft mbH sei aufgrund dieser Vereinbarung nicht denkbar gewesen. Auch habe der Beklagte das Vorverfahren sowie das folgende Ausgleichsverfahren sorgfältig betrieben. Sanierungsversuche seien nicht von vornherein aussichtslos gewesen.
Das Gericht erster Instanz gab dem Klagebegehren statt. Es stellte die (negative) Vermögensentwicklung der Gesellschaft mbH sowie jene der in der Folge ebenfalls in Konkurs verfallenen Aktiengesellschaft, deren Alleinvorstand der Beklagte war, dar und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß der Beklagte gegen § 69 KO verstoßen habe, da er trotz Überschuldung den Konkursantrag nicht sofort gestellt habe. Das vorangegangene Ausgleichsverfahren sei von ihm nicht sorgfältig betrieben worden. Bei sorgfältiger kaufmännischer Beurteilung hätte der Beklagte erkennen müssen, daß die Sanierungsversuche keine Aussicht auf Erfolg haben würden.
Das Gericht zweiter Instanz hob das erstgerichtliche Urteil infolge Berufung des Beklagten mit dem angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig und führte aus: Das Erstgericht habe entscheidungswesentliche Feststellungen über den Zeitpunkt der Überschuldung und des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit sowie deren Erkennbarkeit für den Beklagten nicht getroffen. Zum Umfang des Schadenersatzanspruches sei darauf zu verweisen, daß nach der bisherigen Rechtsprechung der Oberste Gerichtshof den Ersatz des Vertrauensschadens nur bei Verstoß gegen das Schutzgesetz des § 159 Abs.1 Z 2 StGB, somit bei Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit der GesmbH zugesprochen habe, während bei verspätetem Konkursantrag trotz Überschuldung und damit gegebenem Verstoß gegen die Bestimmung des § 69 Abs.2 KO iVm § 67 Abs.1 KO lediglich der sogenannte Quotenschaden als ersatzfähig betrachtet worden sei. Die Differenzierung zwischen (Neu-)Gläubigern der überschuldeten und der zahlungsunfähigen GesmbH sei von der Lehre wiederholt aus verschiedenen Gründen kritisiert worden. Der BGH habe nunmehr seine Rechtsprechung zu § 64 dGmbHG, der der Oberste Gerichtshof bisher offenkundig gefolgt sei, dahin geändert, daß Neugläubiger auch im Falle der Überschuldung der GesmbH Anspruch auf Ausgleich des vollen - und nicht nur des durch die Verschlechterung gegenüber der bei rechtzeitigem Antrag auf Konkurseröffnung sonst zu erwartenden Quote begrenzten - Schadens haben, der ihnen dadurch entsteht, daß sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen GesmbH getreten sind. Der Normzweck der gesetzlichen Konkursantragspflicht bestehe auch darin, konkursreife Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet würden. Als Instrument des Gläubigerschutzes müsse das Gebot der rechtzeitigen Konkursantragstellung schadenersatzrechtlich so sanktioniert sein, daß dieser Schutz wirksam sei. Das sei bei Begrenzung der Geschäftsführerhaftung auf den Quotenschaden und Ausschluß der Ersatzpflicht für darüber hinausgehende Individualschäden nicht der Fall, sodaß Anspruch auf Ausgleich des vollen Schadens zuzubilligen sei. In Anbetracht der überzeugenden Begründung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vertrete daher das Berufungsgericht die Ansicht, daß auch der Geschäftsführer der überschuldeten GesmbH bei schuldhafter Konkursverschleppung den Vertrauensschaden zu ersetzen habe. Hinsichtlich der geltend gemachten Verzugszinsen sei zu bemerken, daß diese von dem vom Beklagten zu ersetzenden Vertrauensschaden nicht erfaßt seien, weil sie außerhalb des Schutzzweckes jener Normen lägen, die einer Gläubigerschädigung durch Konkursverschleppung vorbeugen sollten. Die die gesetzliche Höhe übersteigenden Zinsen könnten nur dann begehrt werden, wenn den Beklagten ein grobes Verschulden an der verzögerten Schadensgutmachung treffe und der Klägerin ein konkreter durch die gesetzlichen Verzugszinsen nicht gedeckter Schade entstanden sei. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil das Berufungsgericht zur Frage des zu ersetzenden Schadens bei Konkursverschleppung nach Überschuldung der GesmbH von der bisherigen Rechtsprechung abgegangen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs der Klägerin ist nicht zulässig.
Die hier maßgebliche Vorschrift des § 519 Abs.2 ZPO bindet die Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die Voraussetzungen des § 502 ZPO, somit nach dessen Abs.1 daran, daß die Entscheidung (über das Rechtsmittel) von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die Anfechtung der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist daher nur möglich, wenn das Rechtsmittel die unrichtige Lösung einer in diesem Sinn erheblichen Rechtsfrage geltend macht (JBl 1992, 794). Nur in diesem Fall hat der Oberste Gerichtshof aus Anlaß des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht in jeder Richtung zu überprüfen und dabei auch die in der Rekursbeantwortung vorgebrachten rechtlichen Argumente zu beachten (SZ 58/210). Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision (des Rekurses) ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden (§ 508a ZPO) und nicht auf jene Rechtsfragen beschränkt, die das Berufungsgericht zur Begründung seines Ausspruches angeführt hat (JUS 9, 13). Hat das Berufungsgericht mit Recht ausgesprochen, daß die ordentliche Revision (oder der Rekurs) zulässig sei, macht das Rechtsmittel dann aber nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, dann ist die Revision (der Rekurs) trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (Kodek in Rechberger ZPO Rdz 3 vor § 502).
Die Klägerin macht in ihrem Rekurs geltend, daß die aufgetragene Verfahrensergänzung nicht erforderlich sei, da die Feststellungen des Erstgerichtes den Schluß rechtfertigen, daß Gesellschaft mbH und Aktiengesellschaft bereits solange überschuldet und zahlungsunfähig gewesen seien, daß bei rechtzeitiger Konkursantragstellung bereits ab Jänner 1986 keine Sozialversicherungsbeiträge mehr aufgelaufen wären. Das Berufungsgericht habe überdies zu Unrecht ausgesprochen, daß das Zinsenbegehren nur in der gesetzlichen Höhe gerechtfertigt sei, da der Beklagte im Verfahren erster Instanz lediglich die Höhe des Klagebegehrens pauschal bestritten habe und die Verzugszinsen in der Berufungsschrift überhaupt keine Erwähnung fänden.
Mit diesem Vorbringen macht die Klägerin aber keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs.1 ZPO geltend. Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren auf die deliktische Haftung des Beklagten wegen Verstoßes gegen die als Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB zu qualifizierenden Bestimmungen des § 69 KO und des § 159 Abs.1 Z 2 StGB. Ein Verschulden des Beklagten ist nur dann zu bejahen, wenn er trotz Konkursreife des Unternehmens und deren Erkennbarkeit für ihn die rechtzeitige Antragstellung unterlassen hat. Ausgehend von dieser richtigen (von der Rekurswerberin auch nicht bekämpften) Rechtsanssicht gelangte das Berufungsgericht zu der Auffassung, daß der für die rechtliche Beurteilung erforderliche Sachverhalt noch nicht genügend geklärt sei. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, kann dieser Ansicht nicht entgegentreten (SZ 41/68; JBl 1975, 549; ÖBA 1990/229). Die Ausführungen der Klägerin im Rekurs, mit denen sie darzutun versucht, daß der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt zur Entscheidung über das Klagebegehren ausreiche, sind daher nicht geeignet, die Rechtsmittelzulässigkeit zu begründen. Auch der Rüge der Behandlung der Frage der Zinshöhe durch das Berufungsgericht kommt nicht die Qualität einer erheblichen Rechtsfrage zu, da zwingende Folge der berufungsgerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache auch die Aufhebung des - gesondert nicht angefochtenen - Zinsenausspruches war und es in diesem Zusammenhang dem Berufungsgericht nicht verwehrt werden kann, seine zutreffende (vgl. 5 Ob 522/94) Rechtsansicht zu überbinden (vgl Kodek aaO Rdz 3 zu § 462 mwH).
Da somit der Rekurs der Klägerin mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig ist, war es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, auf die vom Berufungsgericht relevierte erhebliche Rechtsfrage des Haftungsumfanges bei Konkursverschleppung nach Überschuldung der GesmbH (vgl neuerdings: Karollus, Neues zur Konkursverschleppungshaftung und zur Geschäftsführerhaftung aus culpa in contrahendo, ÖBA 1995, 7) sowie die diesbezüglichen Ausführungen in der Rekursbeantwortung einzugehen.
Da der Beklagte in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, waren ihm gemäß §§ 52 Abs.1 1.Satz, 50, 41 ZPO die Kosten des Rekursverfahrens zuzusprechen.
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