OGH 8Ob292/99w

OGH8Ob292/99w9.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache der Schuldnerin Christa S*****, vertreten durch Dr. Hans Georg Mayer und Dr. Hans Herwig Toriser, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Bestätigung eines Zwangsausgleichs, infolge Rekurses der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 9. August 1999, GZ 1 R 73/99a-31, mit dem aus Anlass des Rekurses einer Konkursgläubigerin der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 16. März 1999, GZ 38 S 41/98a-26, und teilweise auch das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Am 2. 10. 1998 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens, die Annahme eines Zahlungsplans und die Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Aus dem Vermögensverzeichnis, das sie ihrem Antrag anschloss, ergibt sich ua, dass die Schuldnerin Hälfteeigentümerin "am Haus E*****" ist und Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt rund S 5,5 Mio hat. Der im Eigentum der Schuldnerin stehende Hälfteanteil - die gesamte Liegenschaft hat laut Schätzungsgutachten einen Verkehrswert von S 2,440.000,-- - stelle kein für die Gläubiger verwertbares Vermögen dar, weil auf der gesamten Liegenschaft die Forderung einer Bank in Höhe von S 3,7 Mio sichergestellt sei.

Mit dem von der Rechtspflegerin gefassten Beschluss vom 3. 11. 1998 wurde ua über das Vermögen der Schuldnerin das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, der Schuldnerin die Eigenverwaltung entzogen und Dr. Erich Peter P***** zum Masseverwalter bestellt.

In der Tagsatzung vom 19. 1. 1999 unterfertigte die Schuldnerin das von ihr vorgelegte Vermögensverzeichnis und zog ihren Antrag auf Annahme des Zahlungsplanes zurück. Sie beantragte den Abschluss eines eine 20 %ige binnen einen Jahres zahlbare Quote vorsehenden und von dritter Seite finanzierten Zwangsausgleiches, dessen Verbesserung sie in der Folge in Aussicht stellte. Mit dem vom Richter gefassten Beschluss vom 2. 2. 1999 wurde der pfandrechtlich sichergestellten Hauptgläubigerin ein Stimmrecht im Betrag von S 2,220.589,-- zuerkannt. In der sodann für den 22. 1. 1999 anberaumten Tagsatzung verbesserte die Schuldnerin ihren Zwangsausgleichsvorschlag dahingehend, dass die 20 %ige Quote binnen 30 Tagen nach Annahme des Zwangsausgleichsvorschlags, nicht jedoch vor dessen rechtskräftiger Bestätigung zahlbar sein sollte. Bei der bei dieser Tagsatzung durchgeführten Abstimmung wurden beide vom Gesetz geforderten Mehrheiten für den Ausgleich erzielt. Eine Konkursgläubigerin stimmte gegen den Zwangsausgleich. Beide Tagsatzungen wurden von der Rechtspflegerin abgehalten.

Mit dem erstgerichtlichen, von der Rechtspflegerin erlassenen Beschluss bestätigte das Konkursgericht den zwischen der Schuldnerin und ihren Gläubigern abgeschlossenen Zwangsausgleich.

Gegen diesen Beschluss wendete sich der Rekurs der Konkursgläubigerin, die gegen den Zwangsausgleich gestimmt hatte, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Versagung der Bestätigung des Zwangsausgleiches abzuändern.

Aus Anlass des gemäß § 155 KO zulässigen Rekurses hob das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren einschließlich der Tagsatzung vom 19. 1. 1999 als nichtig auf und verwies die Konkurssache an das Erstgericht zur gesetzmäßigen Fortsetzung des Verfahrens zurück; hiebei sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 52.000,-- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger geführt wurde, an einer Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 2 ZPO leide und diese von Amts wegen wahrzunehmen sei, soweit die Beschlüsse noch nicht in Rechtskraft erwachsen seien. Dies bedeute für den vorliegenden Fall, dass der von der Rechtspflegerin erlassene Beschluss vom 3. 11. 1998, der nicht angefochten worden sei, in Rechtskraft erwachsen sei und seine Nichtigkeit daher nicht mehr wahrgenommen werden könne. Das daran anschließende, von der Rechtspflegerin geführte Verfahren ab der Tagsatzung vom 19. 1. 1999 sowie der angefochtene, von ihr gefasste Beschluss seien hingegen iSd § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtig. Daraus folge, dass der angefochtene Beschluss und das diesem vorangegangenen Verfahren - einschließlich des vom Richter gefassten Beschlusses vom 2. 2. 1999, dem durch die Nichtigerklärung kein Antrag auf Abschluss eines Zwangsausgleiches mehr zugrundeliege - als nichtig aufzuheben und dem Erstgericht die Fortführung des gesetzmäßigen Verfahrens aufzutragen gewesen sei. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige im Hinblick auf die Passiven von rund S 5,5 Mio jedenfalls S 52.000,--. Da zur Frage, ob unter die Aktiven des § 17a Abs 2 Z 1 RpflG idF des IRÄG 1997 Liegenschaften mit ihrem Verkehrswert ohne Subtraktion der auf ihnen haftende Verbindlichkeiten fielen, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen gewesen.

Gegen diesen Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der Rekurs der Schuldnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss wiederherzustellen.

Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zwar zulässig, aber sachlich nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht bekämpft die Rekurswerberin nicht die zutreffende, durch zahlreiche oberstgerichtliche Judikatur gesicherte Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und dass ihm vorausgegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger geführt wurde, an einer Nichtigkeit iSd § 477 Abs 2 Z 2 ZPO leidet, die Nichtigkeitsgründe auch im Konkursverfahren gelten und von Amts wegen wahrzunehmen sind, soweit sie noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind (SZ 47/37; 56/189 uva; zuletzt 3 Ob 349/97p und RIS-Justiz RS0007465).

Sie bekämpft ausschließlich die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass die Aktiven iSd § 17a Abs 2 Z 1 RpflG so zu berechnen seien, dass Liegenschaften mit ihrem Verkehrswert - ohne Subtraktion der auf ihr haftenden Verbindlichkeiten - anzusetzen sind. Gesetzeszweck der zitierten Bestimmung des RpflG könne nur sein, dass für den Fall, dass verwertbare Aktiven für die Konkursmasse vorlägen, die den Wert von S 500.000,-- überstiegen, solche Konkurssachen dem Richter vorbehalten seien, damit der Richter entsprechende Verfügungen betreffend die Verwertung solcher Aktiven verfügen könne. Seien jedoch Aktiven in Form von Liegenschaften vorhanden, die wie im vorliegenden Fall vollkommen überlastet seien, so könnten solche Aktiven, die kein für die Konkursmasse verwertbares Vermögen darstellten, nicht dazu führen, dass solche Konkursverfahren ausschließlich dem Richter vorbehalten würden, weil dies zu einer Überbelastung der zuständigen Konkursrichter führen würde.

Dieser Argumentation der Rekurswerberin kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Zweck des § 17a RpflG ist es, die Durchführung von Schuldenregulierungsverfahren, die voraussichtlich nicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sind und in denen nicht ein besonders hohes Vermögen zu verwerten ist, zwecks Entlastung der Richter besonders geschulten Rechtspflegern zu überlassen. Aus dem erstgenannten Grund nennt daher das Gesetz, unabhängig von irgendeiner Wertgrenze in § 17a Abs 2 Z 2 und 3 RpflG Beschlüsse, die jedenfalls vom Richter zu fassen sind. Aus dem zweitgenannten Grund sieht § 17a Abs 2 Z 1 RpflG eine Wertgrenze für Beschlüsse vor, die jedenfalls nicht vom Rechtspfleger, sondern vom Richter zu fassen sind. Während vorerst nach der Konkursnovelle 1993, mit der das Schuldenregulierungsverfahren eingeführt wurde, es darauf ankam, ob die Passiven voraussichtlich S 1 Mio übersteigen werden, änderte das IRÄG 1997 die als unbefriedigend empfundene Bestimmung - in Analogie zum Verlassenschaftsverfahren (§ 18 Abs 2 Z 1 RpflG) - dahingehend ab, dass es nunmehr darauf ankommen sollte, ob die Aktiven vermutlich S 500.000,-- übersteigen werden; auf die Höhe der Schulden sollte es nunmehr überhaupt nicht mehr ankommen.

Schon daraus läßt sich schließen, dass Liegenschaften mit ihrem Schätzwert, ohne Abzug der darauf entfallenden Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind und es nicht darauf ankommen soll, ob diese zB infolge Überbelastung mit Pfandrechten für die allgemeine Konkursmasse auch verwertbar sind oder ob der Erlös zur Gänze den Pfandgläubigern zugutekommen wird.

Aber auch weitere Erwägungen sprechen dafür, dass § 17a Abs 2 Z 1 RpflG im Sinn des Rekursgerichtes auszulegen ist:

Liegenschaftsverwertungen werden vom Gesetzgeber als grundsätzlich schwierig angesehen, weshalb im Exekutionsverfahren ohne Rücksicht auf den Wert der Liegenschaft - sei es mit oder ohne Belastungen - diese stets dem Richter vorbehalten sind (siehe die den Rechtspflegern in Exekutionssachen zugewiesenen Agenden in § 17 RpflG). Unter Berücksichtigung dieses allgemeinen Grundsatzes muss, unabhängig davon, dass § 17a Abs 2 RpflG anders als § 17 RpflG die Zuständigkeit des Rechtspflegers nicht vollständig ausschließt, wenn auch Liegenschaften zur Verwertung anstehen, dieser jedenfalls dahin ausgelegt werden, dass es nur auf den Wert der Aktiven ankommen kann und unberücksichtigt bleiben muss, ob und inwieweit diese belastet sind. Bei Liegenschaftsverwertungen handelt es sich nämlich potentiell stets um eine schwierige Angelegenheit: Es kann strittig sein, ob und inwieweit die im Grundbuch einverleibten Pfandrechte noch zu Recht bestehen und infolge dessen fraglich sein, ob und inwieweit die Liegenschaft für die allgemeine Konkursmasse nutzbringend verwertbar ist oder gegebenenfalls gemäß § 119 Abs 5 KO auszuscheiden ist. Zu klären kann auch sein, ob und wie nach § 5 Abs 3 KO vorzugehen ist, wenn sich auf der Liegenschaft die Wohnung des Schuldners befindet und er auf diese zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses dringend angewiesen ist.

Gegen die Berücksichtigung der Belastungen für die Frage der Zuständigkeit Richter oder Rechtspfleger spricht aber vor allem, dass bei Berücksichtigung der Belastungen bereits in diesem Stadium erhoben werden müsste, ob und inwieweit die einverleibten Pfandrechte noch bestehen; die Vorziehung dieser Frage ins Stadium, in der erst die Zuständigkeit zu bestimmen ist, wäre völlig unzweckmäßig.

Der rekursgerichtliche Beschluss ist daher zu bestätigen. Übersteigen die Aktiven voraussichtlich S 500.000,--, fällt das Schuldenregulierungsverfahren jedenfalls in die Zuständigkeit des Richters, ohne dass es darauf ankommt, ob und inwieweit diese Aktiven für die allgemeine Masse verwertbar sind. Liegenschaften sind daher mit ihrem Verkehrswert - ohne Abzug der auf ihnen haftenden Verbindlichkeiten - anzusetzen.

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