OGH 8Ob254/97d

OGH8Ob254/97d30.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brigitte R*****, Geschäftsfrau, ***** vertreten durch Dr.Klemens Dallinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Horst Reitböck, Rechtsanwalt, Wien 1, Esslinggasse 17/2, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma R***** GmbH (6 S 10/93 des Handelsgerichtes Wien), wegen Feststellung einer Konkursforderung (Streitwert 970.792,19 S netto sA; Revisionsinteresse 954.503,20 S netto), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23.Mai 1997, GZ 3 R 70/97d-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 11.Feber 1997, GZ 25 Cg 214/93y-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte die Feststellung einer Forderung von S 970.792,19 im - am 5.2.1993 eröffneten - Konkurs über das Vermögen der gemeinschuldnerischen GmbH mit dem Vorbringen, sie sei seit der Gründung der Gesellschaft mit einer Stammeinlage von 100.000 S beteiligt, der (ehemalige) Ehegatte der Klägerin sei Gesellschafter mit einer Stammeinlage von 400.000 S und alleiniger Geschäftsführer gewesen. Sie habe aus ihrem - neben ihrer Stellung als Gesellschafterin und Prokuristin - begründeten Arbeitsverhältnis, das sie durch vorzeitigen Austritt am 31.1.1993 beendete, eine Forderung an rückständigem Entgelt und Abfertigung in der Höhe von 970.792,19 S (netto). Es habe sich bei diesem Arbeitsverhältnis um kein Scheinarbeitsverhältnis gehandelt. Sie habe auch nicht beabsichtigt, der Gemeinschuldnerin ein Eigenkapital ersetzendes Gesellschafterdarlehen zu gewähren. Sie habe die Nichtbezahlung ihres Arbeitsentgeltes als Ehegattin des Geschäftsführers, der sie immer wieder vertröstet habe, hingenommen.

Der beklagte Masseverwalter beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit dem Vorbringen, die Einzahlung der Stammeinlagen sei nicht (vollständig) erfolgt. Überdies sei die Forderung der Klägerin als Gewährung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens zu qualifizieren. Die Gemeinschuldnerin sei zumindest seit Jänner 1991 insolvenzgefährdet und daher nicht in der Lage gewesen, sich zu angemessenen Konditionen Fremdkapital zu beschaffen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der Feststellung einer Forderung von 954.503,20 S netto als Konkursforderung mit Teilurteil statt und behielt die Entscheidung über den Restbetrag von 16.288,90 S vor. Dabei ging das Erstgericht von folgenden Feststellungen aus:

Die Klägerin war seit Gründung der gemeinschuldnerischen Gesellschaft im Mai 1988 an deren Stammkapital von 500.000 S mit einer Stammeinlage von 100.000 S, ihr ehemaliger Ehegatte (die Scheidung erfolgte Ende 1992) mit einer Stammeinlage von 400.000 S beteiligt. Auf die von ihr übernommene Stammeinlage zahlte die Klägerin den Betrag von 89.000 S ein, ihr Ehegatte auf die von ihm übernommene Stammeinlage 356.000 S. Der Ehegatte der Klägerin wurde zum alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer bestellt, die Klägerin zur Einzelprokuristin. Bis September 1991 wurde die Buchhaltung außer Haus bei einem Steuerberater durchgeführt, wozu die Klägerin Vorarbeiten leistete. Im September 1991 wurde ein eigener Buchhalter angestellt. Ab diesem Zeitpunkt war die Klägerin mit Vorarbeiten für die Buchhaltung nicht mehr betraut. Noch im Jahre 1991 legte die Klägerin die Prokura zurück. Der von der gemeinschuldnerischen GmbH angestellte Buchhalter wurde im Juli 1992 gekündigt und mit der Durchführung der Buchhaltung ein Steuerberater betraut. Als diesem im Juli 1992 Vollmacht als Steuerberater erteilt wurde, existierte keine vollständige Buchhaltung. Unter Mitwirkung der Klägerin versuchte er die vorhandenen Unterlagen aufzuarbeiten, wobei die Klägerin erstmals Kenntnis von anhängigen Exekutionen erhielt. Unter den vom früheren Buchhalter hinterlassenen Unterlagen befanden sich teilweise nicht geöffnete RSa-Briefe. Zufolge der unvollständigen Unterlagen war es dem Steuerberater nicht möglich, eine ordnungsgemäße Bilanz für das Jahr 1991 zu erstellen. Die Klägerin war im Rahmen ihres Angestelltenverhältnisses mit kaufmännischen Dingen nicht betraut, zu ihren Aufgaben gehörte die Beaufsichtigung von Baustellen, auf denen bis zu 40 Personen beschäftigt waren.

Folgende Gehaltsansprüche der Klägerin gegenüber der nunmehrigen Gemeinschuldnerin wurden ihr nicht ausgezahlt.

Juni 1990 (incl SZ) S 60.849,-- netto

Juli 1990 S 26.914,-- netto

Jänner 1991 bis September 1991

(9 x je S 26.822,--) S 241.398,-- netto

Oktober 1991 S 26.821,50 netto

November 1991 (incl SZ) S 60.777,20 netto

Jänner 1992 bis April 1992

(4 x je S 26.966,40) S 107.865,60 netto

August 1992 bis November 1992

(4 x je S 26.966,40) S 107.865,60 netto

Dezember 1992 (incl SZ) S 95.200,90 netto

Jänner 1993 (incl SZ) S 31.319,55 netto

Abfertigung S 176.371,22 netto

kapitalisierte Zinsen 4 % S 35.409,62

S 970.792,19

Die Klägerin urgierte bei ihrem Ehemann und Geschäftsführer der nunmehrigen Gemeinschuldnerin öfters die Auszahlung der ihr zustehenden Gehälter. Dieser vertröstete sie dann immer dahin, sie werde das Gehalt im nächsten Monat ausbezahlt bekommen. Er stellte die Situation ihr gegenüber nie so dar, daß ihr Entgelt nicht ausgezahlt werde, weil keine oder zuwenig flüssige Geldmittel vorhanden seien. Er selbst war immer der Meinung, daß das Unternehmen lebensfähig und genügend Geld vorhanden sei. Im Jahre 1991 expandierte das Unternehmen außergewöhnlich. Zufolge dieses Umstandes traten organisatorische Probleme auf, wodurch der Geschäftsführer den Überblick verlor. Die Gehaltsrückstände der Klägerin (wie auch bei anderen Arbeitnehmern) sind teilweise auf Schlamperei, teilweise auf Geldengpässe zurückzuführen, weil Auftraggeber mit ihren Zahlungen säumig waren. Im Jahre 1992 wurde gegen den Geschäftsführer der gemeinschuldnerischen GmbH ein Strafverfahren wegen § 114 ASVG eingeleitet. Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 2.11.1992 zum Ergebnis, daß "obzwar es immer wieder zu Zahlungsstockungen kommt, die beiden Firmen (Einzelfirma des Ehegatten der Klägerin und die gemeinschuldnerische GmbH) derzeit nicht zahlungsunfähig" seien. Die diesbezügliche Aussage werde allerdings durch den Umstand erschwert, daß die Bilanz 1991 nicht einmal in einer vorläufigen Fassung vorliege. Dieses Gutachten gelangte auch der Klägerin zur Kenntnis (die übrigen Feststellungen, die Klägerin sei zu keiner Zeit ihres Dienstverhältnisses davon ausgegangen, daß ihr Entgelt wegen Liquidititätsschwierigkeiten nicht ausbezahlt werde, nehmen zum Teil die rechtliche Beurteilung vorweg). Obwohl die Klägerin ihren Ehegatten immer wieder auf die Auszahlung ihres Entgelts ansprach, hat sie nicht in Erwägung gezogen, die nunmehrige Gemeinschuldnerin zu klagen oder aus dem Arbeitsverhältnis auszutreten. Sie verließ sich vielmehr auf die Zusagen, sie werde ihr Gehalt schon irgendwann ausbezahlt bekommen. Sie war nicht unbedingt auf die Gehaltszahlung angewiesen, da sie mit dem Geschäftsführer der nunmehrigen Gemeinschuldnerin und ihren gemeinsamen Kindern zusammen wohnte. Der Geschäftsführer und ehemalige Ehegatte der Klägerin hat für den gemeinsamen Unterhalt als auch für den Unterhalt der Kinder gesorgt und ist für sämtliche Lebensbedürfnisse der Familien finanziell aufgekommen. Ende 1992 wurde die Ehe der Klägerin mit dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin geschieden; zum 31.Jänner 1993 erklärte die Klägerin ihren vorzeitigen Austritt.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht das Verhalten der Klägerin dahin, daß daraus auch nicht schlüssig eine Finanzierungsentscheidung betreffend die Gemeinschuldnerin abzuleiten sei, weshalb das "Stehenlassen" offener Gehaltsansprüche nicht als eigenkapitalersetzendes Darlehen qualifiziert werden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, seit der Entscheidung 8 Ob 9/91 (SZ 64/53) sei in Österreich die analoge Anwendung der im deutschen Recht zu § 32a dGmbHG entwickelten Grundsätze anerkannt. Mit diesen Darlehen versuchten Gesellschafter eine notleidend gewordene Gesellschaft dadurch am Leben zu erhalten, daß sie, anstatt das zur Sanierung notwendige Eigenkapital zuzuführen, Darlehen gewährten, die sie dann vor dem endgültigen Zusammenbruch der Gesellschaft abziehen oder samt allfälligen Sicherheiten im Konkurs der Gesellschaft geltend machen, wodurch der ohnehin schon unzureichende Haftungsfonds für die Gläubiger zu deren Lasten noch weiter geschmälert werde. Dadurch werde das Finanzierungsrisiko auf die Gläubiger abgewälzt. Zur Finanzierung seien die Gesellschafter in derartigen durch Eigenkapitalmangel und hohes Finanzierungsrisiko gekennzeichneten Fällen regelmäßig nur bereit, wenn sie sich davon Vorteile für das im eigenen Interesse betriebene Unternehmen versprächen; gleichwohl versuchten sie das Risiko aus der Zuführung neuer Mittel soweit wie möglich auf Fremdgläubiger zu überwälzen und wählten daher die Darlehensform. Ein derartiges Verhalten des Gesellschafters verstoße gegen seine Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung. Diese Verantwortung verpflichte den Gesellschafter zwar nicht, in der Krise fehlendes Kapital aus seinem Vermögen nachzuschießen; er könne sich jedoch dieser Verantwortung nicht dadurch zum Nachteil der Gläubiger entziehen, daß er bei einer tatsächlichen Finanzierungshilfe, anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden Eigenkapitals zu leisten, auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende Finanzierungsform ausweiche. Darunter sei nicht nur die Gewährung eines Darlehens an die Gesellschaft durch den Gesellschafter zu verstehen, sondern auch eine andere Rechtshandlung des Gesellschafters, die der Darlehensgewährung wirtschaftlich entspreche (vgl § 32 a Abs 3 dGmbHG). In der deutschen Lehre und Rechtsprechung bestehe Einvernehmen darüber, daß kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 32 a Abs 3 dGmbHG) der Grundtatbestand (Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter zum Zeitpunkt der Kreditunwürdigkeit) auf sonstige Handlungen, die einer Darlehensgewährung wirtschaftlich gleichstehen, auszudehnen sei. Als Beispiele würden die Stundung von Forderungen aus anderen als Darlehensverträgen, die Gewährung ungewöhnlicher Zahlungsziele in Austauschverträgen oder die zusätzliche Übernahme einer stillen Beteiligung genannt. Strittig sei, ob auch einseitige Verhaltensweisen, insbesondere Unterlassungen von Gesellschaftern von diesen Grundsätzen erfaßt werden sollten. Eine Gleichstellung eines schlichten Untätigbleibens, wie es die Nichtgeltendmachung einer Forderung darstelle, mit rechtsgeschäftlichem Handeln sei verfehlt. Gegen eine derartige Ausdehnung des Grundtatbestandes spreche nicht nur der systematische Zusammenhang in § 32 a dGmbHG zwischen dem auf die Darlehensgewährung als gegenseitigen Vertrag abstellenden Grundtatbestand des Abs 1 und der Umgehungsnorm des Abs 3, sondern auch die Entstehungsgeschichte von Abs 3, da sämtlichen im Regierungsentwurf aufgeführten Umgehungssachverhalten eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zugrundegelegen sei. Dazu komme noch, daß sich eine Rechtspflicht des Gesellschafters zum Handeln weder aus § 32 a dGmbHG noch aus allgemein gesellschaftsrechtlichen Organisationsgrundsätzen ergebe. Es sprächen die besseren Gründe dafür, nur solche Sachverhalte nach den Grundsätzen eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen zu behandeln, denen eine Einigung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft über die Gewährung oder Belassung des Darlehens oder der ihm gleichzustellenden Fremdmittel zugrunde liege, möge diese Einigung auch nicht rechtsgeschäftlich bindend sein, sondern nur eine unverbindliche Absprache. Auch eine Stundungsvereinbarung gehe über diese Grundsätze nicht hinaus, sei doch die Stundung eine zwischen Gläubiger und Schuldner getroffene Vereinbarung. Gleiches müsse für das "Stehenlassen" eines Guthabens auf seinem Verrechnungskonto durch den Geschäftsführer-Gesellschafter einer GmbH gelten, komme doch dabei der Geschäftsführer als Vertreter der Schuldnerin mit sich selbst als Gläubiger überein, der notleidenden Gesellschaft auf diese Weise Liquidität zu verschaffen. Dieser Fall könne mit dem vorliegenden nicht verglichen werden, da es nicht in der Verfügungsmacht der Klägerin gelegen sei, einen ihren Gehaltsforderung entsprechenden Geldbetrag eigenmächtig einem Konto der GmbH zu entnehmen oder den Betrag dort liegen zu lassen. Daraus folge, daß die Nichtgeltendmachung der fälligen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber der Gemeinschuldnerin keinen Sachverhalt darstelle, der wirtschaftlich einer Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter entspreche. Es bedürfe daher der Feststellungen über den Zeitpunkt der Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin ebensowenig wie der Feststellungen darüber, ob bzw wann die Klägerin oder ihr ehemaliger Ehegatte davon Kenntnis hatten bzw hätten erlangen können. Der Einwand der sittenwidrigen Klagsführung sei eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung.

Da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die Unterlassung der Klagsführung betreffend Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis durch einen Arbeitnehmer einer GmbH, der zugleich auch deren Gesellschafter, nicht aber Geschäftsführer sei, einer Darlehensgewährung gleichzuhalten sei, fehle, sei die Revision zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, sie ist im Sinne des Eventualantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht wendet sich der Revisionswerber gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, bloßes Stehenlassen von Forderungen durch den Gesellschafter nach Eintritt der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft reiche zur Qualifikation als eigenkapitalersetzende Leistung nicht aus, es bedürfe einer Stundungsvereinbarung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft. Tatsächlich vertritt ein Teil der deutschen Lehre die Meinung, es bedürfe in diesem Fall einer Kenntnis der kritischen Lage der Gesellschaft voraussetzenden Finanzierungsabrede (siehe Hueck in Baumbach/Hueck GmbHG16 § 32a Rz 38; K.Schmidt in Scholz GmbHG8 § 32 a, 32 b, Rz 44 bis 47; Ulmer in Hachenburg, Großkomm GmbHG8 § 32 a, b, Rz 30 bis 33). Das subjektive Erfordernis des Bewußtseins der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft beim Stehenlassen von Forderungen wurde vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen

8 Ob 28/93 (= GesRZ 1994/136 = ecolex 1994, 234 [Dellinger]) und 1 Ob

568/95 (= ecolex 1995, 899 = RdW 1996, 13) übernommen, doch von der

österreichischen Lehre (Koppensteiner, GmbHG § 74 Rz 15;

Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht2 I Rz 2/351, 352;

Grünwald, Eigenkapitalersatz durch Stehenlassen von Gesellschafterleistungen, GesRZ 1994, 113 ff [118f]; Nowotny/Berger, eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung durch "Stehenlassen" von Ansprüchen, ZIK 1995, 2 ff [4 f]; Schummer, Einlagensplitting und Kapitalersatz, GesRZ 1996, 102 ff (106 f]; Karollus, kapitalersetzende Leistungen, ÖBA 1997, 105 ff [114 f]) mit dem zutreffenden Argument abgelehnt, daß der Umstand, daß sich der Gesellschafter über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft nicht informiere, nicht zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger gehen können (siehe insbesondere Schummer, ÖJZ 1996, Entwicklung und Stand im Recht der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen, 241 ff [245]). Der erkennende Senat hat dieser berechtigten Kritik Rechnung getragen und hat in der - allerdings die Gewährung eiens Darlehens in der Krise betreffenden - Entscheidung 8 ObS 2107/96b (= GesRZ 1997,

40) lediglich auf das Kennenmüssen (Kennenkönnen) und nicht auf die positive Kenntnis der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft abgestellt.

Der erkennende Senat teilt diese Rechtsauffassung - ebenso wie die oben wiedergegebene österreichische Lehre und der BGH (NJW 1992, 1764; BGHZ 127, 336; NJW 1995, 457) - auch für den Fall des Stehenlassens von Gesellschafterforderungen und stellt auch für diesen Fall nicht auf die positive Kenntnis des Gesellschafters von der Kreditunwürdigkeit ab. Soweit Geist in DRdA 1997, 292 ff die eigenkapitalersatzrechtlich orientierte Begründung der Entscheidung 8 ObS 2107/96b kritisiert, ist darauf hinzuweisen, daß es im vorliegenden Fall um gegen die Konkursmasse geltend gemachte Ansprüche geht und nicht um die Sicherung des Entgelts nach dem IESG.

Weiters ist beim Stehenlassen von Gesellschafterleistungen aufgrund der im § 69 Abs 2 KO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers dem Gläubiger eine angemessene, 60 Tagen jedenfalls nicht überschreitende Überlegungsfrist ab Eintritt der - von ihm erkennbaren - Krise für die Entscheidung zuzubilligen, ob er die Kredithilfe beläßt oder durch Abzug der Mittel die Liquidation der Gesellschaft beschleunigt (8 Ob 28/93; Dellinger, ecolex 1994, 235 unter Berufung auf K.Schmidt, aaO Rz 46; Grünwald, aaO 199; Nowotny/Berger aaO, 6 unter Berufung auch auf Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz14 §§ 32 a/b Rz 47).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß die Finanzierungsverantwortung

des Gesellschafters einer GmbH im Hinblick auf die im Vergleich zur

AG doch personalistischere Struktur der GmbH und die Ausfallshaftung

nach § 70 GmbHG anders zu beurteilen ist, als die eines Aktionärs,

und daher die Qualifikation einer Leistung des Gesellschafters als

Eigenkapitalersatz jedenfalls keine Beteiligung von mehr als 20 %

erfordert (gegen das Erfordernis einer Mindestbeteiligung: Schummer,

ÖJZ 1996 aaO, 244; K.Schmidt aaO, Rz 30; Ulmer aaO Rz 35; Hueck aaO

Rz 17; auf eine Mindestbeteiligung von 10 % abstellend: Nowotny,

Probleme des eigenkapitalersetzenden Darlehens, ÖBA 1994, 669 ff

[674], unter Berufung auf Lutter/Hommelhoff aaO Rz 56; Karollus aaO,

109; aM, eine Beteiligung von mehr als 25 % voraussetzend:

Reich-Rohrwig aaO Rz 2/342).

Im vorliegenden Fall tritt noch hiezu, daß die Klägerin mit dem

Mehrheitsgesellschafter der GmbH verheiratet war und daß die

Entscheidung, zur Lebensführung nicht auch das Arbeitsentgelt der

Klägerin heranzuziehen, sondern diese ausschließlich aus wohl

gleichfalls dem Vermögen der GmbH entnommenen Mitteln ihres Mannes zu

bestreiten und das der Klägerin zustehende Entgelt stehen zu lassen,

zu Lasten des Insolvenzausfallgeldfonds ging. Entgegen der Auffassung

des Berufungsgerichtes ist auch dieser vom Beklagten im Verfahren

erster Instanz nicht vorgebrachte Umstand zu beachten, weil, wie der

Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 61/249 ausgesprochen hat,

die durch eine sittenwidrige Belastung eines am Verfahren nicht beteiligten Dritten begründete Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen ist.

War daher die Gemeinschuldnerin bereits angemessene Zeit vor der

Konkurseröffnung kreditunwürdig und konnte die Klägerin dies

erkennen, dann muß das Stehenlassen ihrer Entgeltansprüche entgegen

der Auffassung des Berufungsgerichtes als eigenkapitalersetzende

Gesellschafterleistung qualifiziert werden.

Da diese Feststellungen infolge einer vom Obersten Gerichtshof nicht

geteilten Rechtsauffassung der Vorinstanzen unterblieben sind, war

der Revision im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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