OGH 8Ob238/76

OGH8Ob238/7619.1.1977

SZ 50/8

Normen

ABGB §1295
ABGB §1323
ABGB §1438
Umsatzsteuergesetz 1972 §12 Abs1
Einführungsgesetz zum Umsatzsteuergesetz 1972 ArtXII Z3
ABGB §1295
ABGB §1323
ABGB §1438
Umsatzsteuergesetz 1972 §12 Abs1
Einführungsgesetz zum Umsatzsteuergesetz 1972 ArtXII Z3

 

Spruch:

Nach Art. XII Z. 3 EGUStG 1972 berührt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Bemessung des Schadenersatzes nicht; der Ersatzpflichtige wird viel mehr auf einen Rückersatzanspruch verwiesen. Die klare Absicht des Gesetzgebers geht dahin, aus dem Prozeß über den Ersatz einer Sache oder Leistung die Frage der Berechtigung zum Abzug der Vorsteuer und daraus ableitbare Ansprüche des Ersatzpflichtigen auszuklammern

OGH 19. Jänner 1977, 8 Ob 238/76 (OLG Linz 4 R 110/76; LG Linz 1 Cg 17/74. Siehe auch die unter Nr. 26 veröffentlichte Entscheidung 6 Ob 712/76.)

Text

Am 14. Mai 1973 um zirka 10.10 Uhr kam es zwischen dem LKW der Klägerin und dem entgegenfahrenden LKW-Zug des Erstbeklagten, der vom Zweitbeklagten gelenkt wurde, auf der Mauthausner Bundesstraße Nr. 123 in Obenberg, Gemeinde Ried/Riedmark, bei Straßenkilometer 6640 zu einer Kollision.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 13. November 1973, U 160/73-16, wurde der Zweitbeklagte wegen dieses Unfalles einer Übertretung gemäß § 335 StG schuldig erkannt, weil er eine für die Örtlichkeit zu hohe Fahrgeschwindigkeit eingehalten habe, so daß im Zuge einer starken Bremsung das Heck des Zugfahrzeuges ausbrach und hiedurch das Führerhaus des LKW-Zuges gegen den entgegenkommenden LKW der Klägerin stieß.

Die Klägerin behauptete folgende Unfallschäden:

Kfz-Schaden auf Totalschadensbasisabrechnung inklusive

Mehrwertsteuer ......................................... 434 000.00

S Aufwand für Ersatzfahrzeuge vom 16. Mai bis 12. Juni 1973

inklusive Mehrwertsteuer................................ 62 026.02

S Abschleppkosten inklusive Mehrwertsteuer ................ 2

197.82 S ------------ Gesamtsumme

............................................ 498 223.84 S

Von dem unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von 300 000 S und eines Teilzuspruchs im Strafverfahren von 10 000 S verbleibenden Restbetrag von 188 223.84 S begehrte die Klägerin - offenbar infolge eines Rechenfehlers - den Betrag von 187 815.01 S samt 9%igen Stufenzinsen.

Die Beklagten behaupteten, daß den Lenker der Klägerin ein Mitverschulden im Ausmaß von einem Drittel treffe, weil er mit überhöhter Geschwindigkeit und nicht mit der erforderlichen Bremsbereitschaft gefahren sei. Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin sei nicht berechtigt, die in den Schadensbeträgen enthaltene Mehrwertsteuer von den Beklagten ersetzt zu verlangen. Die Frist zur Anschaffung eines Neuwagens sei zu lang bemessen, der Aufwand für die zwischenzeitig eingesetzten Ersatzfahrzeuge überhöht. Hilfsweise setzten sie dem Klagebegehren den Unfallschaden des Erstbeklagten in der behaupteten Höhe von 69 979.65 S aufrechnungsweise entgegen.

Das Erstgericht ging vom Alleinverschulden des Zweitbeklagten und einem Unfallschaden der Klägerin - exklusive Umsatzsteuer - im Betrag von 403 535.17 S aus. Unter Berücksichtigung der Teilzahlung und des Teilzuspruches von zusammen 310 000 S stellte es daher die Klagsforderung mit 93 535.17 S als zu Recht bestehend, mit 94 279.84 S als nicht zu Recht bestehend und die Gegenforderung der Erstbeklagten von 69 979.65 S als nicht zu Recht bestehend fest und erkannte demgemäß beide Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 93 535.17 S samt Stufenzinsen zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 94 279.84 S sowie das 4% übersteigende Zinsenbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht gab den von sämtlichen Parteien erhobenen Berufungen nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht jener des Klägers teilweise dahin Folge, daß es ihm die auf die zuerkannten Schadensbeträge entfallende Umsatzsteuer von 64 565.62 S zuerkannte.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Erstgericht meinte, die Umsatzsteuer sei deshalb nicht zuzuerkennen, weil die Klägerin diese schon als Vorsteuer hätte abziehen können. Das Berufungsgericht billigte diese Ansicht. Es

vertrat unter Ablehnung der Entscheidung des OGH 8 Ob 79/75 = RZ

1976/2 = EvBl. 1976/22 die Auffassung, daß infolge der Regelung Art. XII Z. 3 EGUStG das Gericht zwar nicht verpflichtet sei über den Rückersatzanspruch zu entscheiden und auf die Lösung schwieriger abgabenrechtlicher Vorfragen einzugehen, daß es aber dazu berechtigt sei. Diese Ansicht werde der in den Erläuternden Bemerkungen zum Ausdruck gebrachten Absicht des Gesetzgebers, die Gerichte zu entlasten, am besten gerecht, ohne sie durch den Zwang zum Zweitprozeß ins Gegenteil zu verkehren. Das Erstgericht habe daher von den der Klägerin zuerkannten Ersatzbeträgen die Umsatzsteuer, die diese mit der Abgabenbehörde hätte längst verrechnen können, zu Recht abgezogen.

Diese Ansicht, die es gewissermaßen dem an der Belastung der Gerichte orientiertem Ermessen des Richters überläßt, die Berechtigung zum Vorsteuerabzug zu berücksichtigen oder nicht, läßt sich nach Ansicht des OGH der Sonderregelung, die diese Frage durch Art. XII Z. 3 EGUStG gefunden hat, nicht entnehmen.

Nach dieser Gesetzesstelle berührt die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Bemessung des Ersatzes nicht; der Ersatzpflichtige wird vielmehr auf einen Rückersatzanspruch verwiesen. Da Rückersatz begrifflich Ersatz zur Voraussetzung hat, kann der Anspruch auf Rückersatz nicht vor der Ersatzleistung mit Erfolg geltend gemacht werden. Es erübrigt sich daher eine Stellungnahme zu den Überlegungen des Berufungsgerichtes, ob die Bestimmung im Art. XII Z. 3 zweiter Satz "sobald und soweit der Ersatzberechtigte (den Umsatzsteuerbetrag) als Vorsteuer abziehen könnte" auf jenen Zeitpunkt erstreckt werden könnte, in dem die Finanzbehörde etwa durch den Bescheid über den Jahresumsatz entschieden hätte, ob der Vorsteuerabzug zu Recht vorgenommen wurde. Daß der Regelung des Art. XII Z. 3 EGUStG auch bei der Annahme der Verrechenbarkeit der Rückersatzforderung der Umsatzsteuer auf die Ersatzleistung ab dem Zeitpunkt der möglichen Geltendmachung ein gewisser Anwendungsbereich verbleiben könnte, etwa, wie das Berufungsgericht erwähnt, in Fällen, wo der Ersatzberechtigte den Schadenersatz schon vor der Ersatzbeschaffung begehrt usw., ändert nichts daran, daß der Zeitpunkt, in dem der Ersatzberechtigte unter Annahme einer unverzüglichen Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung der Sache oder Leistung den Vorsteuerabzug hätte geltend machen können (Art. XII Z. 3 dritter Satz EGUStG), in aller Regel vor dem Zeitpunkt der Entscheidung des Zivilrichters über den Ersatzanspruch liegen wird. Es muß daher angenommen werden, daß der Gesetzgeber, von diesem Regelfall ausgehend, angesichts der mangels ausdrücklicher Regelung in der Judikatur der BRD entstandenen Schwierigkeiten in diesem Belange sich zu der erwähnten Sonderreglung entschloß und bewußt in Kauf genommen hat, daß die Bemessung des Ersatzes einschließlich der darin enthaltenen Umsatzsteuer ohne Rücksicht auf die bereits eingetretene Möglichkeit des Vorsteuerabzuges erfolgt und der Schädiger seinen Rückersatzanspruch hinsichtlich der Umsatzsteuer in diesem zur Erzwingung der Ersatzleistung gegen ihn geführten Prozeß nicht geltend machen kann, sondern auf die Führung eines getrennten Rechtsstreites verwiesen wird. Daß der erklärte Zweck der Gerichtsentlastung nicht immer erreicht werden wird, vermag hieran nichts zu ändern. Auch aus der Wendung der Erläuternden Bemerkungen, wonach über den Rückersatzanspruch des Ersatzpflichtigen unter Umständen in einem zweiten Prozeß entschieden werden müßte, ist für den Standpunkt des Berufungsgerichtes nichts gewonnen. Diesen Ausführungen ist vielmehr zu entnehmen, daß der Gesetzgeber davon ausging, daß der Ersatzberechtigte den Ersatz der Umsatzsteuer trotz Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs in der Regel nicht ansprechen werde, daß er aber, sollte er dies tun, mit den Kostenfolgen einer getrennten Prozeßführung - belastet wäre.

Der OGH hält daher an seiner Entscheidung vom 14. Mai 1975, 8 Ob 79/75 = RZ 1976/2 = EvBl. 1976/22, auf deren ausführliche Begründung hingewiesen wird, und der sich der OGH in seiner Entscheidung vom 18. September 1975, 2 Ob 129/75 anschloß, auch im vorliegenden Fall fest: Danach berührt nach Art. XII Z. 3 EGUStG 1972 die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Bemessung des Schadenersatzes nicht; der Ersatzpflichtige wird vielmehr auf einen Rückersatzanspruch verwiesen. Die klare Absicht des Gesetzgebers geht dahin, aus dem Prozeß über den Ersatz einer Sache oder Leistung die Frage der Berechtigung zum Abzug der Vorsteuer und daraus ableitbare Ansprüche des Ersatzpflichtigen auszuklammern. Der Klägerin gebührt daher der Ersatz der Schadensbeträge einschließlich der Umsatzsteuer.

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