OGH 8Ob2334/96k

OGH8Ob2334/96k27.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Bank AG, *****, vertreten durch Dr. Gerald Kopp & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Johann H*****, vertreten durch Dr. Michael Gärtner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 1,853.561,71 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 5. September 1996, GZ 11 R 84/96v-22, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 30. November 1995, GZ 14 Cg 42/95d-15, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 25.030,80 (darin S 4.171,80 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im September 1992 schloß die klagende Partei mit der T*****gesellschaft mbH, deren Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagte damals war, einen Factoring-Vertrag ab. Am 8.9.1992 unterfertigte der Beklagte eine an die klagende Partei adressierte Wechselwidmungserklärung, welche zusammen mit einem von ihm akzeptierten Blankowechsel der klagenden Partei übermittelt wurde. Der Blankowechsel diente danach der Sicherstellung aller der klagenden Partei gegen die GmbH bereits zustehenden und in der Folge entstehenden, wie immer gearteten Forderungen und Ansprüche aus laufenden Rechnungen, aus gewährten Bevorschussungen, aus Wechseln, Warenverpfändungen, aus der Abtretung offener Forderungen oder irgendeinem sonstigen damit zusammenhängenden Rechtsgrund. Der Beklagte ermächtigte die klagende Partei ausdrücklich, das Blankoakzept auszufüllen und den Wechsel gegen ihn geltend zu machen, ohne daß dadurch eine Änderung in der rechtlichen Natur der Forderungen und Ansprüche der klagenden Partei gegen den Vertragspartner eintritt.

Über das Vermögen der GmbH wurde mit Beschluß vom 24.5.1993 das Konkursverfahren eröffnet. Die klagende Partei meldete im Konkurs eine aus der Vertragsbeziehung resultierende Forderung von S 2,944.497,73 an, welche anerkannt wurde. Mit Beschluß vom 11.2.1994 wurde der von den Gläubigern am 10.2.1994 angenommene Zwangsausgleich mit einer 20 %igen Quote bestätigt und der Konkurs schließlich am 11.3.1994 gemäß § 157 Abs 1 KO aufgehoben.

Nach Aufhebung des Konkurses kam es am 28.4.1994 zu einer Besprechung zwischen der klagenden Partei und der GmbH, auf deren Seite neben dem späteren neuen Geschäftsführer Karl R***** auch der Beklagte beteiligt war. Gegenstand des Gespräches war die Rückführung eines zu KundenNr. 458 aushaftenden Saldos. Es wurde (auch mit dem Beklagten) besprochen, aus den laufenden Umsätzen der GmbH gewisse Prozentsätze zur Abdeckung des alten Kredits auf der genannten Kundennummer zu verwenden. Dadurch sollte nicht nur die offene Ausgleichsquote, sondern nach Möglichkeit der gesamte offene Kredit bezahlt werden. Der Beklagte war an dieser Regelung angesichts seiner persönlichen (wechselmäßigen) Haftung, über welche allerdings nicht gesprochen wurde, sehr interessiert; umgekehrt lag die Vereinbarung auch im Interesse der klagenden Partei. Karl R***** löste den Beklagten am 9.5.1994 als Geschäftsführer ab. In der Folge unterfertigte er ein von einem Mitarbeiter der klagenden Partei verfaßtes Schreiben über das Ergebnis der Besprechung vom 28.4.1994, in dem festgehalten ist, als Berechnungsbasis gelte der über KundenNr. 499 getätigte Bruttoumsatz. Er übermittelte der klagenden Partei zusammen mit diesem Schreiben eine persönliche Haftungserklärung und ein Blankoakzept samt Widmungserklärung zur Besicherung der Forderung der klagenden Partei aus dem neuen Konto zu KundenNr. 499. In einem Begleitschreiben vom 20.6.1994 hielt er ausdrücklich fest, seine Haftung gelte ausnahmslos für das Konto Nr. 499, aus einer nicht möglichen Rückführung des auf Konto Nr. 458 aushaftenden Kredites könnten keine rechtlichen Ansprüche an die derzeitige Geschäftsführung gestellt werden. Nach Abdeckung der Zwangsausgleichsquote stellte die GmbH im November 1994 ihre Bezahlungen zugunsten des Kontos Nr. 458 ein, weil sich der neue Geschäftsführer auf den Standpunkt stellte, die eben genannte Vereinbarung habe sich ausschließlich auf die Bezahlung der Ausgleichsquote bezogen. Der Debetsaldo auf dem Konto Nr. 458 betrug bei Klagseinbringung S 1,853.561,71. Der Beklagte wurde von der klagenden Partei nie aus seiner Haftung entlassen.

Unter Vorlage des Wechsels begehrte die klagende Partei vom Beklagten als Akzeptanten die Wechselsumme von S 1,853.561,71 s.A.

Antragsgemäß wurde der Wechselzahlungsauftrag erlassen.

Gegen den Wechselzahlungsauftrag wendete der Beklagte ein, die GmbH habe sich in einer Vereinbarung nach Aufhebung des Konkurses verpflichtet, die offene Forderung der Klägerin zur Gänze abzudecken. Es habe sich dabei auch um eine Vereinbarung mit dem Beklagten oder zumindest zu seinen Gunsten gehandelt. Die Vereinbarung stelle einen Neuerungsvertrag iSd § 1376 ABGB dar. Das durch den Zwangsausgleich charakterisierte Schuldverhältnis über eine 20 %ige Quote sei durch ein neues Vertragsverhältnis in Höhe der gesamten ursprünglichen Forderung ersetzt worden. Mangels ausdrücklicher Überbindung sei die als Besicherung des ursprünglichen Schuldverhältnisses begründete Haftung des Beklagten gemäß § 1378 ABGB erloschen.

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht und verurteilte den Beklagten zur Zahlung der genannten Wechselsumme.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und meinte in rechtlicher Hinsicht, die aus der Wechselwidmungserklärung und dem vom Beklagten akzeptierten Blankowechsel resultierende Haftung für Forderungen der klagenden Partei aus dem mit der GmbH abgeschlossenen Factoringgeschäft sei durch den Zwangsausgleich unberührt geblieben. Seine Haftung sei aber auch nicht gemäß § 1378 ABGB erloschen. Nach dieser Bestimmung würden die mit der vorliegenden Hauptverbindlichkeit verknüpften Bürgschafts-, Pfand- und anderen Rechte durch einen Neuerungsvertrag, wenn die Teilnehmer nicht durch ein besonderes Einverständnis hierüber etwas anderes festgesetzt hätten, erlöschen. Soweit ersichtlich, habe der Oberste Gerichtshof die Frage, ob § 1378 ABGB teleologisch dahin zu reduzieren sei, daß die Bürgschaft im Novationsfall fortbestehe, wenn auch die Zustimmung des Bürgen nicht eingeholt worden sei, sofern sich nur infolge des Neuerungsvertrages weder die Art noch das Ausmaß des übernommenen Risikos des Bürgen zu seinen Lasten ändere, bisher nicht endgültig entschieden. Es liege aber kein Neuerungsvertrag iSd § 1376 ABGB vor, sodaß auch § 1378 ABGB nicht anzuwenden sei. Der Zwangsausgleich habe auf Konkursforderungen die Wirkungen des gerichtlichen Ausgleichs im Ausgleichsverfahren. Er vernichte die Restforderung des Gläubigers nicht endgültig. Diese werde hinsichtlich des die Ausgleichsquote übersteigenden Betrages allerdings ihrer Klagbarkeit, Erzwingbarkeit und Aufrechenbarkeit beraubt und sinke auf den Rang einer natürlichen, unvollkommenen Verbindlichkeit ab. Das Gesetz lasse damit nicht die Durchsetzung der Forderung, wohl aber ihre Erfüllung zu. Die Zusicherung der Vollzahlung, abgegeben nach Rechtskraft der Ausgleichsbestätigung bzw Zwangsausgleichsbestätigung, sei aufgrund des Bestehens der Naturalobligation als zulässig und wirksam zu erachten. Der Rechtsgrund eines solchen Zahlungsversprechens sei kein neuer, sondern das ursprüngliche Rechtsgeschäft, so daß eine Novierung nicht vorliege. Schon aus diesen Gründen komme ein Erlöschen der Haftung des Beklagten gemäß § 1378 ABGB nicht in Betracht. Im übrigen wäre das nach § 1378 ABGB geforderte besondere Einverständnis auch des Beklagten, dessen Zustimmung hier gar nicht erforderlich wäre, weil weder Art noch Ausmaß des übernommenen Risikos zu seinen Lasten geändert wurden, als stillschweigend vereinbart anzusehen.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil jüngere Rechtsprechung zu der für die vorliegende Entscheidung vornehmlich bedeutsamen Frage der Rechtswirkungen einer den Ausfall der ursprünglichen Forderung durch den Zwangsausgleich betreffenden Verpflichtungserklärung nicht existiere; auch die Frage der teleologischen Reduktion des § 1378 ABGB sei noch nicht entschieden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zwar zulässig, weil jedenfalls jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der erstgenannten entscheidungsrelevanten Frage tatsächlich fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber vermeint, es liege eine Novation vor, weil die Parteien mit der Vereinbarung vom 28.4.1994 bezweckten, aus einer unklagbaren Forderung eine klagbare zu machen; dadurch werde ein neuer Rechtsgrund für die Vollzahlung geschaffen. Liege eine Novation vor, sei auch § 1378 ABGB anzuwenden; die geäußerte Kritik an dieser nach wie vor geltenden Bestimmung müsse de lege ferenda verstanden werden. Für eine stillschweigende Vereinbarung einer Weiterhaftung gäbe es keine Anhaltspunkte.

Es besteht in Rechtsprechung und Lehre Einigkeit darüber, daß nach Erfüllung des Ausgleichs (§ 53 AO) oder Zwangsausgleich (§ 156 AO) der nicht bezahlte Schuldenrest - anders als beim außergerichtlichen Ausgleich (ÖBA 1991, 210) - nicht erlischt, sondern als Naturalobligation iSd § 1432 ABGB bestehen bleibt. Diesen kann zwar der Gläubiger nicht einklagen und verrechnen, wohl aber kann er vom Schuldner bezahlt werden. Dies hat zur Folge, daß ihn der Schuldner, hat er ihn einmal bezahlt, auch nicht wieder zurückfordern kann; strittig ist lediglich, ob dies auch bei Irrtum über die Unklagbarkeit gilt, der aber hier nicht zur Diskussion steht (SZ 16/67; Rsp 1932/47; JBl 1950, 342 ua; Gamerith in Rummel ABGB II2 Rz 2 zu § 1351; Rummel in Rummel aaO Rz 2 zu § 1432; Pollak in Bartsch-Pollak KO, AO II3 437f; Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht 653 ua).

Da solche Schulden bezahlt werden dürfen, folgt daraus, daß auf ihre Unklagbarkeit verzichtet und ihre Zahlung wirksam versprochen werden kann, wenn und insoweit hiemit nicht gegen den Zweck der Unklagbarkeit (wie bei Spiel- und Wettschulden) verstoßen wird. Für die hier in Rede stehende Naturalobligation, die ihrem Entstehungsgrunde nach ohneweiteres klagbar war, bedeutet dies, daß die Zusicherung der Vollzahlung nach Rechtskraft der Ausgleichs- bzw. Zwangsausgleichsbestätigung zulässig und wirksam ist (ZBl 1931/199; JBl 1931, 126; SZ 16/67; JBl 1950,342); zuvor würde dies eine unzulässige Einräumung besonderer Vorteile an einzelne Gläubiger bedeuten (§ 71 AO; § 161 KO).

Soweit ersichtlich beschäftigt sich nur die E ZBl 1931/199 - und dies nur am Rande - mit der Rechtsnatur dieses Vollzahlungsversprechens nach rechtskräftiger Bestätigung eines Ausgleichs; sie meint, Rechtsgrund sei das ursprüngliche Rechtsgeschäft. Hieraus folgt, daß sie hierin keine Novation sieht (aA offenbar Petschek/Reimer/Schiemer aaO 653 ohne weitere Begründung). Dieser Ansicht ist nach nochmaliger Überprüfung zu folgen.

Eine Novation iSd § 1376 ABGB liegt nur vor, wenn sich der Rechtsgrund oder der Hauptgegenstand (oder beide) ändern; in allen anderen Fällen der Änderung, so hinsichtlich der näheren Bestimmungen, wo, wann und wie eine schon vorhandene Verbindlichkeit erfüllt werden soll, und anderer Nebenbestimmungen, wodurch in Rücksicht auf den Hauptgegenstand oder den Rechtsgrund keine Umänderung geschieht, sind nicht als Neuerungsvertrag iSd § 1376 ABGB anzusehen (§ 1379 ABGB). Mag auch die Abgrenzung zwischen Novation und Schuldänderung mitunter äußerst schwierig und unsicher sein, so ist doch der genannten Entscheidung dahin zu folgen, daß in der bloßen Wiederherbeiführung der Klagbarkeit einer ursprünglich klagbaren, dann infolge der (Zwangs)Ausgleichswirkung unklagbar gewordenen Restschuld keine Änderung des Hauptgegenstandes oder des Rechtsgrundes erblickt werden kann: es wurde nur die - zweifellos wichtige - Nebenfolge der Unklagbarkeit vertraglich verändert. Dieser Umstand kann allerdings auch sonst kraft Gesetzes eintreten, nämlich dann, wenn die Restforderung (genauer gesagt die Klagbarkeit der Restforderung) wieder auflebt, weil der Schuldner mit der Erfüllung des Ausgleiches/Zwangsausgleichs in Verzug gerät (§ 53 Abs 4 AO; § 156 Abs 4 KO); darüber, daß es sich hier noch um die ursprüngliche Schuld handelt, besteht kein Zweifel. Gleiches muß bei einer derartigen vertraglichen Änderung gelten. Eine solche Änderung ist daher nicht § 1376 ABGB, sondern § 1379 ABGB zu unterstellen.

Dies hat zur Folge, daß Sicherheiten - und somit auch die Wechselbürgschaft des Beklagten -, die im Falle des Ausgleichs/Zwangsausgleichs des Hauptschuldners gegenüber dem Gläubiger gemäß § 48 AO bzw § 151 KO unverändert fortbestehen (Pollak in Bartsch/Pollak aaO 414; Petschek/Reimer/Schiemer aaO 720; SZ 55/187 ua), auch bei nachträglichem Verzicht des Hauptschuldners auf die Unklagbarkeit keinesfalls ipso iure erlöschen. § 1378 ABGB, der im Novationsfall das Erlöschen von Bürgschafts- und Pfandrechten normiert, falls die Teilnehmer nichts Gegenteiliges vereinbaren, bezieht sich nämlich nur auf die Novation iSd § 1376 ABGB, nicht aber auf sonstige Änderungen des Vertrages, die unter § 1379 ABGB zu subsumieren sind.

Es muß daher auch nicht in diesem Fall (so bereits OGH in 1 Ob 538/93 = ÖBA 1994, 236 und in 2 Ob 572/95) abschließend die Frage beantwortet werden, ob nicht dem jüngeren Schriftum (Ertl in Rummel aaO Rz 3a zu § 1378; P.Bydlinski in ÖJZ 1983, 484 ff [488 f] und JBl 1986, 298; im Ergebnis ähnlich auch Reischauer, JBl 1982, 393 ff) folgend, § 1378 ABGB teleologisch dahin zu reduzieren sei, daß die Bürgschaft auch ohne Zustimmung des Bürgen im echten Novationsfall dann fortbestehe, wenn sich dadurch weder die Art noch das Ausmaß des übernommenen Risikos zu Lasten des Bürgen ändert. Dies wäre hier übrigens nicht der Fall. Der beklagte Bürge konnte vielmehr durch die Wiederherstellung der Klagbarkeit der Restforderung gegenüber dem Hauptschuldner nur gewinnen: Der Gläubiger erhielt neben ihm einen weiteren Schuldner, den er wieder gerichtlich belangen konnte.

Da eine bloße Schuldänderung iSd § 1379 ABGB vorliegt, erübrigt es sich auch, auf die übrigen Einwände des Beklagten, zB daß eine stillschweigende Vereinbarung seiner Weiterhaftung fehle, einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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