Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Im Zuge der Veräußerung der der Gemeinschuldnerin gehörenden, mit Pfandrechten zugunsten der Revisionsrekurswerberin im ersten Rang belasteten Liegenschaftsanteile veräußerte der Masseverwalter mit Genehmigung des Gläubigerausschusses ua einen Liegenschaftsanteil an Dkfm. Karl H***** zum Kaufpreis von S 5,300.010; im Kaufvertrag ist festgehalten, dass Gegenstand dieses Vertrages die erst teilweise errichteten Wohnungen Top 4a, Top 5 und Top 10 sind und zum Top 5 und Top 10 je ein Garagenplatz gehört; weiters wurde vereinbart, dass der Kaufvertrag wirksam wird, sobald die konkursgerichtliche Genehmigung hiefür erteilt wird, und die Übergabe der Liegenschaft unmittelbar nach dieser Genehmigung stattfindet; die konkursgerichtliche Genehmigung wurde in der Folge auch erteilt.
In der Verteilungstagsatzung vom 7. 5. 1999 meldete der genannten Käufer ua eine Forderung von S 200.000 ("für einen Autoabstellplatz") an. Er brachte dazu vor, er habe Wohnungen mit zwei Garagenabstellplätzen gekauft, bisher jedoch nur einen erhalten. Im Zuge der Nutzwertfeststellung sei ein Gutachten erstellt worden, in dem einer von ihm gekauften Wohnung ein Abstellplatz nicht zugeordnet worden sei. Der aus der Nichtzuordnung und Nichtübergabe dieses Autoabstellplatzes resultierende Anspruch sei aus der Verwertung der Sondermasse entstanden und daher im Rahmen der Meistbotverteilung zu berücksichtigen.
Der Masseverwalter und die erstrangig besicherte Pfandgläubigerin erhoben Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung. Der Masseverwalter brachte vor, dass "die Masse hinsichtlich des Abstellplatzes ohnedies noch erfüllungsfähig sei" und stellte den Betrag S 200.000 der Höhe nach außer Streit. Die Pfandgläubigerin erhob Widerspruch, weil der Anspruch des Käufers, wenn er bestehen sollte, keine Sondermassekosten, sondern einen "allgemeinen" Anspruch der allgemeinen Konkursmasse gegenüber darstelle.
Das Erstgericht wies im angefochtenen Verteilungsbeschluss ua dem genannten Käufer S 200.000 als Vorzugskosten nach § 49 KO zu. Den Masseverwalter und die Pfandgläubigerin verwies es zur Erledigung ihrer gegen die Berücksichtigung des Anspruches des Käufers erhobenen Widersprüche gemäß § 231 Abs 1 EO auf den Rechtsweg, weil der nicht übergebene Autoabstellplatz Teil des Kaufgegenstandes sei und sich deshalb der Anspruch des Gläubigers auf den Kaufgegenstand beziehe. Ob diese Forderung dem Gläubiger zustehe, hänge von der strittigen Tatfrage ab, ob der Masseverwalter den zweiten Autoabstellplatz noch übergebe bzw noch übergeben könne.
Die Pfandgläubigerin bekämpfte diesen Verteilungsbeschluss, soweit darin die Forderung des Käufers von S 200.000 als Vorzugsposten gemäß § 49 KO berücksichtigt und sie zur Erledigung ihres gegen die Berücksichtigung dieser Forderung erhobenen Widerspruchs auf den Rechtsweg verwiesen worden sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs mit ausführlicher Begründung nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Anspruch des Käufers einer Sondermasse aus einer Störung in der Erfüllung des Kaufvertrages über die Sondermasse als Kosten der Verwertung der Sondermasse iSd § 49 Abs 1 KO anzusehen sei. Zusammengefasst vertrat es die Rechtsansicht, dass die Forderung des Käufers den Kosten der Verwertung der Sondermasse, die vorzugsweise zu befriedigen seien, zuzuordnen seien. Für die Zuordnung der Forderung des Käufers zu den Kosten der Verwertung der Sondermasse sei der enge sachliche Zusammenhang ausschlaggebend. Bestehe ein den Verwertungserlös mindernder Anspruch des Erwerbers der Sondermasse, so stehe den Absonderungsgläubigern nur ein entsprechend geminderter Verwertungserlös zur Verfügung. Den Erwerber einer Sondermasse mit einem Anspruch aus einer Leistungsstörung des Veräußerungsgeschäftes auf die gemeinschaftliche Masse zu Lasten der übrigen Gläubiger zu verweisen, wäre nicht sachgerecht.
Gegen den Zuspruch der S 200.000 als Vorzugsposten an den Erwerber gemäß § 49 KO richtet sich der Revisionsrekurs der Pfandgläubigerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Kapitalbetrag in Höhe von S 200.000 sowie der daraus entspringende Zinszuwachs und die weiterlaufenden Fruktifikationszinsen ihr zugewiesen werden; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag. Zusammengefasst meint sie, der Anspruch des Käufers auf Rückerstattung eines Teiles des Kaufpreises wegen Störung in der Erfüllung des Kaufvertrages stehe zwar im Zusammenhang mit der Sondermasse, erfülle aber nicht die Voraussetzungen des § 49 KO.
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, dass auch bei einer außergerichtlichen Verwertung die Vorschriften der EO nicht nur hinsichtlich der Rangordnung (§ 49 Abs 2 KO), sondern überhaupt anzuwenden sind (SZ 40/152; 56/112 ua), sodass der vom Rekursgericht bestätigte Verteilungsbeschluss, so weit die Sondermasse in einer Liegenschaft besteht, der Anfechtung gemäß § 239 Abs 3 EO idF vor der auf das voliegende Verfahren noch nicht anzuwendenden EO-Nov 2000 unterliegt, und daher der Revisionsrekurs nicht wegen einer bestätigenden Entscheidung gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbar ist (Schulyok in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen Rz 64 f zu § 49
KO).
Der Revisionsrekurs ist im Übrigen aus dem vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Zu Recht ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass für die Qualifikation einer Forderung als Sondermassekosten iSd § 49 Abs 1 KO zunächst erforderlich ist, dass sie den Tatbestand einer Masseforderung gemäß § 46 KO erfüllt und sich auf eine Sondermasse bezieht (SZ 9/91; Schulyok aaO RZ 1; Schumacher, JBl 1988, 436). Dass eine Masseforderung vorliegt, ist unzweifelhaft und wird auch von der Revisionsrekurswerberin nicht bestritten: Der behauptete Anspruch ist ein Anspruch aus einer Rechtshandlung des Masseverwalters, nämlich aus der Veräußerung eines Massestücks an den anmeldenden Gläubiger. Diese bezieht sich auf eine Sondermasse iSd § 48 Abs 1 KO, nämlich den zur Verteilung gelangenden Kaufpreis aus der Verwertung der Sondermasse (SZ 61/46 ua; Schulyok aaO Rz 183 zu § 48 KO; Konecny, ÖBA 1992, 288).
Die Entscheidung, ob sich eine Masseforderung auf die gemeinschaftliche oder eine besondere Masse bezieht, steht allein dem Konkursgericht zu (§ 47 Abs 3 zweiter Satz KO). Im Zweifel soll gemäß Satz 1 der zitierten Bestimmung das Erstere gelten.
Nach Meinung des erkennenden Senats besteht kein Zweifel, dass die angesprochene Forderung des Käufers zu den nach § 49 Abs 1 KO vorrangig vor den Absonderungsgläubigern zu berichtigenden Kosten aus der Verwertung der Sondermasse gehört, weil diese Masseforderung in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem Absonderungsgut steht.
Die von Bartsch/Pollak, KO, AO, AnfO3 I, 283 getroffene Aussage, dass Sondermasseforderungen nach § 49 Abs 1 KO nur solche sein könnten, die unter § 46 Z 1 Abs 2 KO (nunmehr § 46 Abs 1 Z 2 KO) fallen, ist schon deshalb unzutreffend, weil in der zuletzt genannten Bestimmung nur von den Auslagen für die Erhaltung, Bewirtschaftung und Verwaltung der Masse gesprochen wird, aber nicht von den Kosten der Verwertung und Verteilung der Sondermasse, die in § 49 Abs 1 KO ausdrücklich genannt sind.
Zur Abgrenzung (näheres siehe Bachmann, Befriedigung der Masseforderungen [1993] 94 ff) ist vielmehr die Interessenlage der Beteiligten heranzuziehen: Ein Zurückdrängen der Sondermassekosten bedeutet aus der Sicht der Absonderungsgläubiger, dass der Verwertungserlös des Absonderungsgutes nicht geschmälert wird und daher die Befriedigungsaussichten der Absonderungsgläubiger steigen, da die Sondermassekosten aus der allgemeinen Konkursmasse gedeckt werden. Wenn die Belastungsintensität des Absonderungsgutes keine Hyperocha für die allgemeine Konkursmasse zulässt, bedeutet dies für deren Gläubiger, dass deren Befriedigungsfonds durch die Deckung der Sondermassekosten geschmälert wird, obwohl ihnen keinerlei Vorteil zukommt. Andererseits hat die Befriedigung der Sondermassekosten vor den Absonderungsgläubigern zur Konsequenz, dass bei einem überlasteten Absonderungsgut die Absonderungsgläubiger nicht voll befriedigt werden können und die allgemeine Konkursmasse von Masseforderungen - um solche handelt es sich immer bei Sondermassekosten - entlastet wird, was zu einer Vergrößerung des Befriedigungsfonds der Gläubiger der allgemeinen Konkursmasse führt (Schulyok aaO Rz 8 zu § 49 KO).
Da die Sondermassekosten den Absonderungsgläubigern im Rang vorgehen und daher mit diesen wirtschaftlich kollidieren, liegt eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass Absonderungsgläubiger von einem Konkursverfahren nicht betroffen sind und sich daher deren Rechtsposition im Vergleich zu der außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht verschlechtern darf; der aus § 11 KO abzuleitende Grundsatz kann nur so verstanden werden, dass die Eröffnung eines Konkursverfahrens auch zu keiner Besserstellung führen darf. Aus dem dem Insolvenzrecht zugrunde liegenden Grundsatz der Parität der Gläubiger ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Vergrößerung der freien Konkursmasse, sondern ganz allgemein dessen möglichst ungeschmälerte Erhaltung zum Ziele hat. Es widerspricht dieser Zielsetzung wie auch dem Grundsatz der Parität der Gläubiger, wenn freies Vermögen der Konkursmasse zum wirtschaftlichen Vorteil der durch die Konkurseröffnung nicht betroffenen Absonderungsgläubiger eingesetzt und somit der Befriedigungsfonds der übrigen Gläubiger geschmälert wird (Schulyok aaO Rz 3, 8, 10). Mit Schulyok (aaO Rz 1, 23) liegen Sondermassekosten dann vor, wenn ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Massekosten und dem Absonderungsgut besteht (ähnlich Bachmann aaO 97 ff, jedoch noch weiter differenzierend).
Daraus folgt, dass dann, wenn wie hier ein den Verwertungserlös mindernder Anspruch des Erwerbers der Sondermasse besteht (Preisminderungsanspruch wegen des zweiten, dem Käufer nicht verschafften Garagenplatzes), den Absonderungsgläubigern eben nur ein entsprechend geminderter Verwertungserlös zur Verfügung steht. Den Erwerber einer Sondermasse mit einem Anspruch aus einer Leistungsstörung des Veräußerungsgeschäfts auf die allgemeine Masse zu Lasten der übrigen Gläubiger zu verweisen, wäre - wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - nicht sachgerecht.
Dass diese Sichtweise zutreffend ist, und ein enger sachlicher Zusammenhang im oben aufgezeigten Sinn zur Beurteilung als Sondermassekosten iSd § 49 Abs 1 KO genügt, ergibt sich daraus, dass der Oberste Gerichtshof selbst Sanierungskosten, die im Rahmen der Betriebsfortführung durch Kontaminierung der Betriebsliegenschaft ("Streuminen") entstanden sind, und allenfalls auch die Kosten einer Ersatzvornahme im Ergebnis als Sondermassekosten beurteilt hat (8 Ob 7 und 8/94, ZIK 1995, 30, dazu zustimmend Prochaska, ZIK 1998, 83 ff [86]; Schulyok aaO Rz 24).
Aus den genannten Gründen kann auch das Argument der Revisionsrekurswerberin nicht durchschlagen, dass das Ergebnis kein anderes als in einem "normalen" Exekutionsverfahren sein dürfe (vgl Schulyok aaO Rz 3).
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