OGH 8Ob136/06t

OGH8Ob136/06t23.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Thomas E*****, 2. Hubert A*****, beide vertreten durch Dr. Manfred Roland, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Huber Ebmer & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 1. EUR 2.250, 2. EUR 5025 + Feststellung (Interesse: EUR 3.000), Revisionsinteresse: EUR 5.550, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 16. Mai 2006, GZ 35 R 33/06k-68, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Traun vom 23. Februar 2006, GZ 2 C 895/04x-62, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang des nicht in Rechtskraft erwachsenen Teils, und zwar hinsichtlich des Erstklägers von EUR 1.550 sA hinsichtlich des Zweitklägers von EUR 4.000 aufgehoben und die Rechtssache insoweit zu neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 18. 11. 2003 verkaufte die beklagte Partei der Firma G***** GmbH einen Glastisch („Bistro-Tisch") dessen Tischgestell von einem Großhändler und dessen Glasplatte von einem anderen Hersteller stammte. Von der beklagten Partei wurden diese beiden Teile zu einem Produkt komplettiert. Auf der Kölner Messe EXPONET 2003 wurde dieser Tisch auf dem Messestand der Käuferin aufgestellt. Die beiden Kläger waren Mitarbeiter der Käuferin. Am 18. 11. 2003 gegen 9:30 Uhr standen die beiden Kläger sowie zwei Kunden beim Bistro-Tisch, als plötzlich dessen Glasplatte barst. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich außer vier Kaffeetassen sowie allenfalls einem Aschenbecher keine weiteren Gegenstände auf dem Tisch. Es ist nicht feststellbar, dass eine der vier Personen wie auch immer auf die Glasplatte geschlagen oder einen weiteren Gegenstand daraufgestellt hat. Der Auslöser des Bruchs kann nicht festgestellt werden. Beim Versuch die berstende Platte zu fangen, erlitt der Erstkläger Schnittwunden im Bereich des rechten Zeigefingers. Die Glasplatte stürzte auf den Handrücken des Zweitklägers, wodurch dieser erhebliche Schnittverletzungen mit einer Durchtrennung des Strecksenenapparats des Zeigefingers links jedoch ohne knöcherne Verletzung erlitt. Der Anzug des Erstklägers wurde beschädigt. Für die Reinigung des Anzugs des Zweitklägers mussten EUR 25 aufgewendet werden.

Für die bei dem Vorfall erlittenen Verletzungen begehrt der Erstkläger Schmerzengeld in Höhe von EUR 2.000 sowie für die Beschädigung seines Anzugs EUR 250. Der Zweitkläger begehrt Schmerzengeld von EUR 5.000 sowie EUR 25 für die Reinigung seines Anzugs und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche unfallkausalen Schäden. Die beklagte Partei hafte nach den Bestimmungen des Produkthaftungsgesetzes und des Produktsicherheitsgesetzes, da sie durch das Zusammensetzen der einzelnen Teile zu einem Tisch zum Hersteller iS dieser Gesetze geworden sei. Der Tisch sei ohne Fremdeinwirkung explosionsartig zersprungen.

Die beklagte Partei bestritt und beantragte Klagsabweisung. Sie habe kein fehlerhaftes Produkt in Verkehr gesetzt und sei auch nicht Hersteller iSd Produkthaftungsgesetzes oder des Produktsicherheitsgesetzes. Die Glasplatte sei nicht fehlerhaft gewesen, sondern durch Fremdeinwirkung zerbrochen.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei für schuldig, dem Erstkläger EUR 1.550 sA sowie dem Zweitkläger EUR 4.000 sA zu bezahlen. Das Mehrbegehren hinsichtlich des Erstklägers von EUR 700 sowie hinsichtlich des Zweitklägers von EUR 1.025 und das Feststellungsbegehren, wies es - rechtskräftig - ab. Nach den Bestimmungen des § 1 Abs 1 Z 1 PHG iVm § 3 PHG sei die beklagte Partei als Hersteller, als Unternehmer, anzusehen, weil sie durch die Montage der Einzelteile ein Endprodukt hergestellt habe, das sie iSd § 11 PHG auch durch den Verkauf an den Dienstgeber der beiden Kläger in Verkehr gebracht habe. Der beklagten Partei sei nicht gelungen zu beweisen, dass ein allfälliger Vorschaden nicht schon bei der Übergabe an den Käufer bestanden habe. Es bestehe daher eine verschuldensunabhängige Haftung der beklagten Partei. Hinsichtlich des Erstklägers ergebe sich aufgrund der erlittenen Verletzungen ein Schmerzengeldanspruch in Höhe von EUR 1.400 und hinsichtlich des beschädigten Anzugs ein angemessener Ersatz von EUR

150. Hinsichtlich des Zweitklägers seien ein Schmerzengeldanspruch von pauschal EUR 3.600 sowie eine Verunstaltungsentschädigung für eine Narbe von EUR 375 und Kosten der Anzugreinigung von EUR 25 gerechtfertigt. Das Feststellungsbegehren sei abzuweisen, da keine Dauerfolgen zu erwarten seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach - über Antrag der beklagten Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Gemäß § 3 PHG sei Hersteller derjenige, der das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt erzeugt habe, sowie jeder, der als Hersteller auftrete, indem er seinen Namen, seine Marke oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringe. Keine Herstellung iSd PHG liege in der Tätigkeit dann, wenn das ansich fertige Produkt nur gebrauchsfertig gemacht werde (sogenanntes „finishing" oder „make-ready-Service"). In der Literatur werde als Beispiel für eine bloße Dienstleistung angeführt, dass Möbel oft original verpackt mit einer Anleitung zum Selbstmontieren angeboten werden. Baue der Händler dann auf Wunsch des Kunden das Möbelstück zusammen, werde er nicht zum Hersteller. Nach der Verkehrsauffassung erzeuge er keinen neues Produkt. Die Endmontage oder Vervollständigung des Erzeugnisses könne aber dann Endherstellung sein, wenn das Ergebnis ein neues Produkt sei. Hersteller eines Produkts sei ein Unternehmer, der die vorfabrizierten Teile einer Sache zu einem neuen Produkt zusammensetzte („Assembler"). Hier habe die beklagte Partei das von unterschiedlichen Lieferanten stammende Tischgestell und die Glasplatte derart miteinander verbunden, dass daraus ein neues Produkt, nämlich ein Tisch entstanden sei. Die beklagte Partei habe somit eine im Fertigungsprozess nicht wegzudenkende Stufe repräsentiert. Dieser Fall sei mit jenem, in dem der Händler auf Wunsch des Kunden ein an und für sich zur Selbstmontage angebotenes Möbelstück zusammensetze, nicht vergleichbar. Die beklagte Partei hafte daher als Hersteller iSd § 3 PHG.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, da sich der Oberste Gerichtshof bislang mit dem Begriff des „Assemblers" nicht zu befassen hatte; sie ist auch im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes. Von einer im Fertigungsprozess nicht wegzudenkenden Stufe könne nur dann gesprochen werden, wenn die Tätigkeit zumindest ein Mindestmaß an technischem Sachverstand erfordere. Das Zusammenschrauben einer Glasplatte mit einem Tischfuß entspreche den in der Literatur anerkannten Fällen des „finishing" bzw „make-ready-Service" nach denen das fertige Produkt durch einfache Handgriffe noch gebrauchsfertig gemacht werde.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Gemäß § 3 PHG ist Hersteller iSd § 1 Abs 1 Z 1 derjenige, der das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt erzeugt hat, sowie jeder der als Hersteller auftritt, indem er seinen Namen, seine Marke oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt. Es ist unstrittig, dass die beklagte Partei weder den Fuß noch die Platte des Bistro-Tisches hergestellt hat. Ebenso wenig wurde behauptet, dass sie durch Anbringung ihres Namens, ihrer Marke oder eines sonstigen Erkennungszeichens als Hersteller aufgetreten sei. Allerdings ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien (EB RV § 3 PHG, 272 Blg NR 17. GP 9), dass die Definition des Herstellers auch den „Assembler" umfasst, der nur vorgefertigte Teile zusammenbaut. In der Lehre wird der Begriff des Assemblers in dem Sinn verstanden, dass er „ausschließlich von anderen Herstellern erzeugte Einzelteile zu einem eigenständigen Produkt zusammensetzt (Fitz/Grau in Fitz/Grau/Reindl, Produkthaftung², § 3, Rz 22); bereits vorgefertigte Teile zu einer „neuen Sache zusammenbaut" (Eustacchio, Produkthaftung, 40); bzw „die vorfabrizierten Teile einer Sache „zu einem Produkt zusammensetzt" (Welser/Rabl, PHG², § 3 Rz 11). Zur schwierigen Abgrenzung zwischen Hersteller und Händler wird die Auffassung vertreten, dass die Endmontage oder Vervollständigung des Erzeugnisses Endherstellung sein kann, wenn das Ergebnis ein neues Produkt ist. Darüber entscheide die Verkehrsauffassung (Welser/Rabl aaO Rz 13). Nach Fitz/Grau (aaO Rz 26) ist der Umstand maßgeblich, ob ein die Produktgestaltung oder eine wesentliche Produkteigenschaft bestimmender Eingriff an dem Erzeugnis vorgenommen wurde, das heißt, als Resultat des Prozesses ein anderes neues Produkt entsteht oder ob das Produkt noch das gleiche (wenn auch nunmehr in einer an den Kunden auslieferungsfähigen Form ist) - dann überwiegt die Vertriebsfunktion des Händlers.

Als unerheblich wird hingegen angesehen, bei wem die zeitlich letzte Veränderung oder „Zutat" erfolgte, um das Produkt für den bestimmten Zweck gebrauchsfähig zu machen (Fitz/Grau aaO Rz 25). Das sogenannte „finishing" oder „make-ready-Service" wird nicht als Herstellung iSd PHG gesehen (Welser/Rabl aaO Rz 12). Weniger differenzierend bejaht Eustacchio (aaO, 40) die Haftung desjenigen, der ein Produkt in Verkehr bringt, das aus mehreren Teilen besteht, die nicht von ihm erzeugt wurden, weil er das Endprodukt als Einheit in den Verkehr gebracht hat. Allerdings geht er dabei von einem Verständnis des Endproduktes als ein „aus vielen Einzelteilen zusammengesetztes, für den Konsumenten in Erscheinung tretendes fertiges Produkt" aus. Im hier zu beurteilenden Fall behauptete die beklagte Partei, dass sie die beiden von verschiedenen Herstellern gelieferten Teile des Bistro-Tisches, nämlich das Gestell und die Tischplatte lediglich zusammengesetzt habe und es sich dabei um eine äußerst einfache manuelle Tätigkeit gehandelt habe, durch die keinen neues Produkt entstanden sei.

Das Argument des Berufungsgerichtes, dass die beklagte Partei schon deshalb als „Hersteller" hafte, weil sie durch das Zusammensetzen von Tischgestell und Tischplatte „eine im Fertigungsprozess nicht wegzudenkende Stufe repräsentiert habe" geht schon deshalb fehl, weil dies auch für Möbel zutrifft, die zur Selbstmontage gedacht sind. Der Rechtsmittelwerberin ist insoweit zuzustimmen, dass es für die Frage, ob jemand als „Assembler" (englisch: Monteur) zu betrachten ist, nicht darauf ankommen kann, ob die Montage auf Wunsch des Kunden oder aus freien Stücken des Verkäufers erfolgt; vielmehr kommt es auf die von der Lehre herausgearbeiteten Kriterien an. Fitz/Grau (aaO Rz 10 und 11) etwa grenzen die Fälle der Montage, deren Gesamtbetrachtung nach der Verkehrsauffassung das Bild einer bloßen Dienstleistung ergibt, vom Fertigungsprozess im Sinn eines Assemblers anhand verschiedener Kriterien wie die wirtschaftliche Wertveränderung bei der Zusammenstellung; der Umfang der dadurch bewirkten Änderung des Gebrauchszwecks des Produktes oder seiner charakteristischen Eigenschaften (vor allem im Hinblick auf das Sicherheitsrisiko), desgleichen ein über die Gestaltung der gelieferten Teile hinaus erforderliches Konstruktions- und Fachwissen für die Zusammenstellung ab. Die Abgrenzung ist anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen.

Dieser Auffassung schließt sich der Oberste Gerichtshof an. Ausgehend davon, stellt nach der Verkehrsauffassung ein gebrauchsfertiger Tisch gegenüber dem in zwei Teilen, nämlich Tischgestell und Tischplatte gelieferten Tisch jedenfalls dann kein eigenständiges Produkt dar, wenn die Verbindung von Tischgestellt und Tischplatte auch von einem Laien ohne Konstruktions- und Fachwissen mit einfachen Handgriffen und ohne Spezialwerkzeug bewirkt werden kann. Erfolgt das Zusammensetzen durch den Verkäufer, handelt es sich um make-ready-Service und nicht um die Tätigkeit eines Assemblers. Im vorliegend zu beurteilenden Fall hat das Erstgericht lediglich festgestellt, dass die beklagte Partei die von unterschiedlichen Herstellern stammenden Teile nämlich Glasplatte und Tischgestell „zu einem Produkt komplettiert, also zusammengesetzt hat" ohne nähere Feststellungen über die Art und Weise dieses Vorgangs zu treffen, obwohl diesbezüglich Beweisergebnisse in Form detaillierter Zeugenaussagen vorliegen.

Das Erstgericht wird daher geeignete Feststellungen zur Beurteilung der Frage, ob die Herstellung der Verbindung zwischen Tischgestell und Tischplatte in einer Art und Weise erfolgte, die geeignet war, die charakteristischen Eigenschaften des Tisches (im Hinblick auf das Sicherheitsrisiko) zu verändern, bzw ob für die Zusammenstellung Konstruktions- und Fachwissen bzw die Verwendung von Spezialwerkzeug erforderlich war oder die Montage auch unproblematisch durch einen Laien (mit haushaltsüblichem Werkzeug) hätte erfolgen können. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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