Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.582,20 (einschließlich S 3.263,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 24.7.1985, S 51/85, wurde der Konkurs über das Vermögen der H***** Gesellschaft mbH eröffnet. In diesem noch anhängigen Verfahren wurde der Kläger zum Masseverwalter bestellt.
Noch vor Konkurseröffnung, nämlich am 26.6.1984, erwarb die nunmehrige Gemeinschuldnerin im Wege der Zwangsversteigerung das Eigentum an der Liegenschaft EZ 296 KG N***** durch Zuschlagserteilung. Für diesen Erwerbsvorgang wurde keine Grunderwerbssteuer bezahlt, weil die Grunderwerbssteuerbefreiung gemäß § 4 Abs 1 Z 3 lit a GrEStG 1955 in Anspruch genommen wurde.
Knapp vor Konkurseröffnung, nämlich am 19.7.1985, verkaufte die nunmehrige Gemeinschuldnerin einen ideellen Anteil von 7/100stel dieser Liegenschaft. Nach Konkurseröffnung am 17.11.1986 verkaufte der Masseverwalter die restlichen 93/100stel Anteile dieser Liegenschaft.
Die beklagte Partei (Finanzamt für Gebühren- und Verkehrssteuern) macht im Insolvenzverfahren laut Bescheid vom 29.8.1988, GZ 88/602, 242-4, Grunderwerbssteuer (für den Liegenschaftserwerb zufolge Zuschlages am 26.6.1984) in der Höhe von S 672.000,- samt Säumniszuschlag von S 13.440,-, insgesamt also einen Betrag von S 685.440,- als Masseforderung geltend.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Masseverwalter gegenüber der beklagten Partei die Feststellung, daß diese Grunderwerbssteuerforderung der beklagten Partei eine Konkurs- und keine Masseforderung sei.
Die beklagte Partei wendete Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, bestritt im übrigen das Klagebegehren und begehrte die Klagsabweisung; weil es sich um eine Masseforderung handle.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt
Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-
übersteige und ließ die ordentliche Revision zu. In rechtlicher Hinsicht führte es zusammengefaßt aus:
Um eine Masseforderung zu sein, müßte es sich gemäß § 46 Abs 1 Z 2 KO um die Konkursmasse betreffende Steuern, Gebühren und andere öffentliche Abgaben handeln, bei denen der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht worden sei. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Bereits der Zuschlag im Versteigerungsverfahren am 26.6.1984 habe den Erwerbsvorgang im Sinn des § 1 GrEStG 1955 gebildet, der die Pflicht zur Entrichtung der Grunderwerbssteuer ausgelöst habe (§ 16 Abs 1). Bei Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 4 Abs 1 GrEStG sei dieser Erwerb von der Besteuerung zwar vorläufig ausgenommen; die endgültige Befreiung sei aber von der Erfüllung des begünstigten Zweckes abhängig. Der Erwerbsvorgang unterliege mit dem Ablauf von 8 Jahren, im vorliegenden Fall beginnend mit der Zuschlagserteilung vom 26.6.1984 (VwGHSlg 4.540/F), der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes zum begünstigten Zweck verwendet werde. Wenn während dieser Zeit die Absicht, das Grundstück steuerbegünstigt zu bebauen, aufgegeben werde, sei die Steuer gemäß § 4 Abs 2 leg cit nachzuerheben. Bereits mit dem Erwerb des Grundstückes wurden alle die Grunderwerbssteuerpflicht auslösenden Tatbestandmerkmale erfüllt, das Entstehen der Steuerschuld würde jedoch aufgeschoben, weil später mit der Bebauung ein Ereignis eintreten könne, das zum Wegfall der Steuerpflicht führen könnte. Somit sei hier nicht eine Steuerschuld neu entstanden, weil der Masseverwalter einen die Grunderwerbsteuerpflicht auslösenden Tatbestand verwirklicht habe, sondern die Steuer sei bestehen geblieben, weil der Tatbestand, der zum Wegfall der vor Konkurseröffnung begründeten Steuer führen würde, nicht verwirklicht worden sei. Daraus folgerte das Berufungsgericht unter Berufung auf Gessler (Steuern bei Konkurs und Ausgleich 136), daß der Steueranspruch eine Konkursforderung sei.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im klagsabweisenden Sinne abzuändern.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.
Die beklagte Partei geht zwar mit den Vorinstanzen davon aus, daß für die insolvenzrechtliche Qualifikation von Abgabenforderungen nicht das Entstehen der Steuerschuld auf der Grundlage eines abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes, sondern die Verwirklichung
dieses Sachverhaltes maßgebend sei. Sie meint aber - unter Berufung auf die E des Obersten Gerichtshofes vom 3.2.1993, 3 Ob 102/92 (EvBl 1993/102 = JBl 1993, 795) betreffend die Korrektur des Vorsteuerabzuges und der dadurch ausgelösten Vorschreibung der Umsatzsteuer - der relevante Sachverhalt sei wie bei der durch die kridamäßige Verwertung ausgelösten Korrektur des Vorsteuerabzuges die konkursmäßige Verwertung der Liegenschaft des Gemeinschuldners, weshalb es sich auch hier um eine Masseforderung handle. Die Kritik Schumachers, JBl 1993, 798, an der vorgenannten Entscheidung, die sich zwar mit Lehrmeinungen in Deutschland, jedoch nicht mit der Judikatur des Bundesfinanzhofes decke, könne nicht überzeugen. Im übrigen sei die oben zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGHSlg 4.540/F) zur Frage des Entstehens der Grunderwerbssteuerpflicht bei Wegfall eines Befreiungstatbestandes vereinzelt geblieben; der VwGH vertrete in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß dann, wenn für einen Erwerbsvorgang die Steuerfreiheit nach der bezeichneten Gesetzesstelle in Anspruch genommen worden sei und die Behörde nicht nachweisen könne, daß die Erfüllung des begünstigten Zweckes nicht beabsichtigt gewesen sei, die Steuerschuld erst dann entstehe, wenn der begünstigte Zweck aufgegeben werde oder wenn seit dem Erwerbsvorgang 8 Jahre vergangen seien, ohne daß das Grundstück für den begünstigten Zweck verwendet worden sei (zB VwGHSlg 5.969/F; ÖStZB 1989, 389 ua). Gleiches gelte für den ähnlich gelagert Fall des Spekulationsgewinnes (VfGH B 2022/92). Hieraus folge, daß die streitgegenständliche Grunderwerbssteuerforderung durch die Veräußerung der (93/100stel Anteile an der) Liegenschaft durch den Masseverwalter im Konkursverfahren entstanden sei, weil erst damit der (endgültige) Wegfall des begünstigten Zweckes festgestanden sei.
Diesen Auführungen kann nicht gefolgt werden:
Richtigerweise gehen sowohl die Vorinstanzen als auch die Revisionswerberin davon aus, daß seit der Einführung des klassenlosen Konkurses durch das IRÄG 1982 Vorrechtsklassen für Forderungen der Abgabengläubiger abgeschafft wurden und für die Abgrenzung zwischen Abgabenmasse - und Abgabenkonkursforderungen gemäß § 46 Abs 1 Z 2 KO der Zeitpunkt der Verwirklichung des die Abgabenpflicht auslösenden Sachverhalts maßgebend ist. Es kommt für die insolvenzrechtliche Qualifikation der Abgabenforderung - wie der Oberste Gerichtshof schon mehrmals ausgesprochen hat (SZ 60/247; WBl 1989, 128; JBl 1993,
793) und worauf auch die Revisionswerberin ausdrücklich hinweist (S 2 Mitte) - nicht auf das Entstehen der Steuerschuld (hier § 16 GrEStG) - und schon gar nicht auf deren Fälligkeit (hier § 19 GrEStG) - auf der Grundlage eines abgabenrechtlich relevanten Sachverhalts, sondern auf die Verwirklichung dieses Sachverhalts an. Dieser kann, muß aber keineswegs mit dem Entstehen der Steuerschuld identisch sein. Der Sachverhalt kann vielmehr auch bereits früher verwirklicht sein. Das Abstellen auf einen möglichst frühen Zeitpunkt der Abgrenzung zwischen Konkurs- und Masseforderungen war erklärter Zweck des IRÄG 1982, sollte doch auch durch diese gezielte Einschränkung der Masseforderungen die sogenannte Massearmut bekämpft und der den Konkursgläubigern zur Verteilung zur Verfügung stehende Fonds vergrößert werden (JA 1147 BlgNR 15.GP 2).
Verwirklicht wurde der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt - entgegen der Meinung der Revisionswerberin - aber bereits vor Konkurseröffnung. Bereits der Erwerb des Grundstücks durch die spätere Gemeinschuldnerin am 26.6.1984 durch Zuschlagserteilung stellt einen Erwerbsvorgang im Sinn des § 1 GrEStG 1955 dar (VwGH 14.9.1967, 756, 757/67, abgedruckt in Dorazil, MGA GrEStG 1955 § 1/E 66), der die Pflicht zur Entrichtung der Grundsteuer grundsätzlich auslöst. Wohl hat die Gemeinschuldnerin den Befreiungstatbestand des § 4 Abs 1 Z 3 lit a GrEStG 1955 in Anspruch genommen, doch wirkt diese Befreiung nur vorläufig (Dorazil aaO 175; VwGHSlg 4.540 F); sie ist bedingt (Dorazil aaO 230), weil sie von der Erfüllung des begünstigten Zwecks abhängig ist: Der Erwerb unterliegt nämlich nach § 4 Abs 2 GrEStG 1955 mit Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes begünstigt verwendet wurde oder er diesen Zweck früher aufgibt, wie es im vorliegenden Fall spätestens durch den Verkauf der restlichen 93/100stel Anteile der Liegenschaft am 17.11.1986 durch den Masseverwalter der Fall war. Mit der Veräußerung durch den Masseverwalter entsteht aber nicht ein neuer, unabhängiger steuerpflichtiger Tatbestand (VwGH 28.10.1971, 419/71, abgedruckt bei Dorazil aaO § 4/E 237), sondern es ist die grundsätzlich entstandene, nur vorläufig bedingt aufgeschobene Steuerschuld endgültig entstanden. Hieraus folgt, daß der für die Abgabenpflicht iSd § 46 Abs 1 Z 2 KO maßgebliche Sachverhalt mit dem Erwerb der Liegenschaft im Jahr 1984, also vor Konkurseröffnung, und nicht erst nach Konkurseröffnung mit dem Verkauf durch den Masseverwalter im Jahr 1986 verwirklicht wurde.
Unter diesem Gesichtspunkt kann es dahingestellt bleiben, ob die E des VwGHSlg 4.540/F, die - allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt - auf das Entstehen der Steuerschuld mit dem Tag des Vertragsabschlusses abzustellen scheint, mit anderen E des VwGH (VwGHSlg 5.969 F und ÖStZB 1989, 389), die für das Entstehen der Steuerschuld die Aufgabe des begünstigten Zwecks oder das ungenützte Verstreichenlassen der achtjährigen Frist als maßgeblich ansehen, voll in Einklang zu bringen ist. Auch wenn die Steuerschuld erst mit dem zuletzt genannten Zeitpunkt endgültig entsteht (§ 16 GrEStG), ändert es nichts daran, daß der die Abgabenpflicht auslösende Sachverhalt im Fall der vorläufigen bedingten Befreiung von der Steuerschuld bereits durch den Erwerb der Liegenschaft im Jahr 1984 durch die spätere Gemeinschuldnerin, daher noch vor Konkurseröffnung, verwirklicht wurde und somit die Grunderwerbsteuerforderung der beklagten Partei nur eine Konkursforderung ist.
Diese Meinung wird auch im deutschen Recht zur Frage der Einordnung der Grunderwerbssteuer als Konkurs- oder Masseforderung vertreten. Lag der Grundtatbestand (Erwerbsvorgang) vor Konkurseröffnung und liegt der Nachversteuerungstatbestand (Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks) nach Konkurseröffnung, weil der Konkursverwalter das Grundstück verwertet, so ist der Grunderwerbsteueranspruch vor Konkurseröffnung begründet, auch wenn er erst nach Konkurseröffnung entstanden ist; die Steuerforderung ist daher eine Konkursforderung iSd § 67dKO). Entgegen der Behauptung der beklagten Partei vertritt nicht nur die Lehre diese Ansicht (für alle Kuhn-Uhlenbruck, KO11 Rz 11 zu § 58dKO mwN), sondern meint auch der BFH (23.8.1978 - II R 16/76, BSdBl II 1979 II 198, zitiert nach Kuhn-Uhlenbruck), daß dann, wenn der Konkursverwalter eine vom Gemeinschuldner geplante Bebauung im sozialen Wohnungsbau nicht ausführt, sondern das Grundstück unverbaut weiterveräußert, ein zur Zeit der Konkurseröffnung bereits begründeter Vermögensanspruch iS von § 3 vorliegt und dies zur Folge hat, daß der Anspruch nicht einmal den Rang einer bevorrechteten Forderung hat.
Lediglich zur Frage der von der beklagten Partei ebenfalls für ihre Ansicht zur Unterstützung herangezogenen Einordnung von Vorsteuerberichtigungsansprüchen iSd § 15a dUStG, der im wesentlichen § 12 Abs 10 öUStG entspricht, teilt der BFH die von der Lehre überwiegend vertretene Ansicht (für alle Kuhn-Uhlenbruck aaO Rz 10p aE zu § 58 dKO mwN) nicht, zieht aber wie die von der Revisionswerberin zitierte E des Obersten Gerichtshofes vom 3.2.1993, 3 Ob 102/92, JBl 1993, 795, für die konkursrechtliche Einordnung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs des Finanzamts, wenn der zu berichtigende Vorsteuerabzug vor Konkurseröffnung erfolgt, jedoch nach diesem Zeitpunkt zu berichtigen ist, letztlich - entgegen den Beteuerungen in der genannten Entscheidung - nicht konkursrechtliche, sondern steuerrechtliche Prinzipien heran und kommt dadurch zur Einordnung einer solchen Forderung als Masseforderung.
Eine nähere Auseinandersetzung mit der in der genannten Entscheidung vertretenen, von der Lehre bereits kritisierten (Schumacher, JBl 1993, 798; näheres siehe dort) Ansicht des 3.Senates kann hier unterbleiben, weil die oben geschilderte Konstruktion des § 4 GrEStG 1955 (Entstehen der vorläufig aufgeschobenen Grunderwerbsteuerpflicht wegen Nichterfüllung des begünstigten Zwecks innerhalb des dem Begünstigten zur Errichtung des Wohnbaus eingeräumten Zeitraums) von der Konstruktion des § 12 Abs 10 UStG (Berichtigung des zunächst berechtigt in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse im Zusammenhang der Vorsteuer mit Umsätzen, die vom Vorsteuerabzug ausschließen, vgl Kolacny-Mayer, UStG Rz 37 und 45 ff zu § 12 insb Beispiele S 368) doch erheblich abweicht.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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