OGH 8Ob119/13b

OGH8Ob119/13b27.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter im Abschöpfungsverfahren der Schuldnerin R***** A*****, vertreten durch Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwältin in Salzburg, über den Revisionsrekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 27. September 2013, GZ 53 R 219/13g-79, mit dem über Rekurs der Gläubigerin O***** AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Peterlunger, Rechtsanwalt in Salzburg, der Beschluss des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 30. Juli 2013, GZ 3 S 16/05s‑73, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss vom 31. August 2005 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Sie verdiente zu diesem Zeitpunkt als Teilzeitbeschäftigte mit 25 Wochenstunden monatlich 600 EUR netto. Nachdem der von der Schuldnerin angebotene Zahlungsplan mit einer Quote von 6,74 % abgelehnt worden war, wurde mit Beschluss vom 30. November 2005 das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. In diesem Verfahren konnten von den festgestellten Verbindlichkeiten von 186.900,27 EUR nur 1,112 % befriedigt werden, also 2.078,33 EUR. Zur Erreichung der 10 %‑Quote hafteten daher noch 16.611,70 EUR aus. Durch eine Forderungseinschränkung erhöhte sich die Quote geringfügig auf 1,13 %. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin aus den von ihr eingegangenen Verbindlichkeiten keine Vermögensvorteile gezogen hätte. Sie leidet seit ca viereinhalb Jahren an gravierenden psychischen Beeinträchtigungen, wurde deshalb stationär in einer Klinik behandelt und befindet sich weiterhin in psychotherapeutischer Behandlung. Sie bezieht einen Pensionsvorschuss in Höhe von 25,14 EUR täglich und sieht sich in der Lage, eine monatliche Belastung von 211,03 EUR zu tragen.

Nach Ablauf der 7‑Jahres‑Frist beantragte die Schuldnerin die Restschuldbefreiung nach Billigkeit gemäß § 213 Abs 2 IO, hilfsweise die Aussetzung der Entscheidung über die Restschuldbefreiung für 36 Monate und die Auferlegung einer Ergänzungszahlung gemäß § 213 Abs 3 IO. Sie habe aus der Mithaftung für die Schulden des damaligen Unternehmens ihres Ehemanns in Höhe von 101.425,80 EUR keinen Vermögensvorteil gehabt und leide seit viereinhalb Jahren unter schweren psychischen Beeinträchtigungen. Für die nach Abzug der 101.425,80 EUR verbleibenden Schulden in Höhe von 85.474,47 EUR sei sie bereit, die Differenz auf die gesetzliche Mindestquote von 10 % zu leisten, somit weitere 7.596,97 EUR.

Das Erstgericht erklärte das Abschöpfungsverfahren gemäß § 213 Abs 3 KO für beendet, setzte die Entscheidung über die Restschuldbefreiung für drei Jahre ab Rechtskraft seines Beschlusses aus und legte entsprechend § 213 Abs 3 KO fest, dass die Schuldnerin eine Ergänzungszahlung von 10.000 EUR „mit der Maßgabe zu zahlen“ habe, „dass die Gesamtquote für alle Gläubiger sich somit auf 6,4462446523 % beläuft“. Für den Fall des Nachweises der fristgerechten Zahlungen kündigte es den Ausspruch der Restschuldbefreiung an. In seiner Begründung führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass eine Restschuldbefreiung gemäß § 213 Abs 2 IO im Hinblick auf die geringe erreichte Quote nicht in Betracht komme. Ein Verlängerungsantrag nach § 213 Abs 4 IO sei nicht gestellt worden. Hingegen seien die Voraussetzungen des § 213 Abs 3 IO im Hinblick auf die gesundheitliche Situation der Schuldnerin gegeben. Der festgelegte Betrag von 10.000 EUR sei auf die Gläubiger „entsprechend den Konkursquoten“ aufzuteilen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs einer Gläubigerin Folge. In Verdeutlichung der erstgerichtlichen Entscheidung sprach es aus, dass der Antrag der Schuldnerin auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 2 IO abgewiesen werde. Ferner wurde der Antrag auf Aussetzung des Abschöpfungsverfahrens unter Auferlegung von Ergänzungszahlungen nach § 213 Abs 3 IO abgewiesen und das Abschöpfungsverfahren ohne Restschuldbefreiung für beendet erklärt. Beantrage der Schuldner die Restschuldbefreiung gemäß § 213 Abs 2 IO nach Billigkeit, sei dieser Antrag ‑ falls er nicht berechtigt sei ‑ ausdrücklich abzuweisen. Eine Prüfung einer Vorgehensweise nach § 213 Abs 4 EO könne nur über einen entsprechenden Antrag erfolgen, der hier nicht gestellt worden sei. Krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit könne ‑ wie der Oberste Gerichtshof bereits judiziert habe ‑ für sich allein ein Vorgehen nach § 213 Abs 3 IO nicht rechtfertigen, wenn auch bei Auferlegung weiterer Zahlungen die Quote von 10 % deutlich unterschritten werde. Im Übrigen habe die Schuldnerin mit ihrem auf § 213 Abs 3 IO gestützten Antrag ausdrücklich darauf abgezielt, im Rahmen der Billigkeit keine weiteren Zahlungen an bestimmte Gläubiger leisten zu müssen. Den Beweis, dass die der Insolvenzforderung zugrunde liegenden Leistungen dieser Gläubiger ihr keine Vermögensvorteile gebracht hätten, habe sie aber nicht erbracht, was zu ihrem Nachteil ausschlage. Wenngleich die Schuldnerin als Billigkeitsgrund auch ihre Krankheit ins Treffen führe, habe sie keine Kürzung der Mindestquote von 10 % bei den verbleibenden Gläubigern angestrebt. Jedenfalls komme unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schuldnerin im Insolvenz‑ und Abschöpfungsverfahren nur eine Quote von knapp über 1 % erreicht habe, eine Billigkeitsentscheidung iSd § 213 Abs 3 IO nicht in Betracht, wenn damit lediglich eine Quote von insgesamt rund 6,5 % erreicht werde. Die Auferlegung einer Ergänzungszahlung diene nicht dazu, dass der Schuldner erst in diesem weiteren Verfahrensabschnitt den weit überwiegenden Teil der Zahlungen leiste. Es sei mit den Wertungsmaßstäben des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen, dass die Mindestquote auch in diesem Fall noch deutlich unterschritten werde dürfe. Die vorzunehmende Interessenabwägung schlage hier zu Lasten der Schuldnerin und zu Gunsten der Gläubigerin aus.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht als zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage der Bindung an die vom Schuldner gestellten Anträge nicht bestehe und auch die Frage des Unterschreitens der Mindestquote von 10 % bei einer Billigkeitsentscheidung nach § 213 Abs 3 IO von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs der Schuldnerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die von der zweiten Instanz bezeichnete erhebliche Rechtsfrage muss im Rechtsmittel auch releviert werden (RIS‑Justiz RS0102059). Der Revisionsrekurs beschränkt sich aber im Wesentlichen auf das Vorbringen, dass bei Durchführung der Interessenabwägung berücksichtigungswürdige Gründe auf Seiten der Schuldnerin zu beachten und den Interessen einzelner oder aller Gläubiger gegenüberzustellen seien. Das Vorliegen einer Krankheit stelle jedenfalls einen berücksichtigungswürdigen Grund dar. Die Quote von 6,5 % liege innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Grenze.

Das Rekursgericht hat bereits auf die Entscheidung 8 Ob 71/11s verwiesen. Dieser Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem die Schuldnerin nach Erreichung einer Quote von 3,41 % eine weitere Quote von 2,25 % (bzw eine höhere, vom Gericht festzusetzende Quote) angeboten hat. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung die Rechtsauffassung der zweiten Instanz gebilligt, wonach eine krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit ein Vorgehen nach § 213 Abs 3 IO nicht rechtfertige, wenn auch bei Auferlegung weiterer Zahlungen die Quote von 10 % deutlich unterschritten werde.

Die Abwägung der nach Billigkeit zu berücksichtigenden Gründe für und gegen die Restschuldbefreiung ist im Allgemeinen von den Umständen des Einzelfalls abhängig und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO dar (8 Ob 107/08f, 8 Ob 100/09b).

Unter den hier gegebenen Umständen erachtet der Oberste Gerichtshof die im vorliegenden Fall getroffene, sorgfältig begründete Ermessensentscheidung des Rekursgerichts, die mit der oben zitierten Entscheidung 8 Ob 71/11s in Einklang steht, nicht als korrekturbedürftig. Schließlich wurde im vorliegenden Fall im Abschöpfungsverfahren überhaupt nur eine Quote von 1,1 % erzielt, wozu noch kommt, dass die von der Schuldnerin ins Treffen geführte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit nur für einen Teil der Zeit des Abschöpfungsverfahrens vorgelegen ist. Von einer unvertretbaren Fehlentscheidung der zweiten Instanz, die die Zulässigkeit des Revisionsrekurses rechtfertigen könnte, kann daher keine Rede sein.

Die Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens iSd § 213 Abs 4 IO hat die Schuldnerin in erster Instanz nicht beantragt. Die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, dass ein Vorgehen nach dieser Gesetzesstelle eines entsprechenden Antrags bedarf, wurde im Rekurs, der abermals keinen entsprechenden Antrag enthält, nicht bekämpft.

Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO iVm § 242 IO war daher der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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