European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E126823
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger investierte am 2. 1. 2011 363.000 EUR und am 1. 2. 2012 211.000 EUR in Ergänzungskapitalanleihen der Beklagten. Seine am 3. 10. 2017 beim Erstgericht eingebrachte Klage wiesen die Vorinstanzen übereinstimmend vor allem wegen Verjährung des auf Fehlberatung durch die Beklagte gestützten Schadenersatzanspruchs ab.
Rechtliche Beurteilung
1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, insbesondere die gerügte Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes, liegt nicht vor. Weder ist unklar, welche Feststellungen das Berufungsgericht nicht übernommen hat, noch sind diese Feststellungen für die Entscheidung wesentlich.
2.1 Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt nach dem Wortlaut des Gesetzes mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Kennenmüssen reicht daher grundsätzlich nicht aus (RIS‑Justiz RS0034366 [T3, T6]). In gewissem Umfang wird aber eine Erkundungsobliegenheit angenommen (RS0034686 [T12]), wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RS0034524 [T21]; RS0034366 [T20]). Diese Erkundungspflicht darf aber nicht überspannt werden (RS0034327). Sie setzt regelmäßig deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt voraus. Es braucht konkreter Verdachtsmomente, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RS0034327 [T21, vgl auch T36]). Welche Erkundigungsmaßnahmen dem Geschädigten zumutbar sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0034327 [T20]).
2.2 Die Verjährung bezieht sich auf den jeweils geltend gemachten Anspruch. Ein Anspruch wird – wie der Streitgegenstand (RS0039255) – durch die zu seiner Begründung vorgebrachten Tatsachen konkretisiert. Stützt daher der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten, liegen in Wahrheit mehrere Ansprüche vor, die auch verjährungsrechtlich getrennt zu behandeln sind (RS0039255 [T8]). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass auch in Anlegerhaftungsfällen dann, wenn bei mehreren spezifischen Risiken jeweils eine gesonderte Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt, die Verjährung getrennt zu beurteilen ist. Eine gesonderte Prüfung setzt voraus, dass der behauptete Beratungsfehler tatsächlich eine eigenständige, den geltend gemachten Anspruch begründende Pflichtverletzung bildet und nicht bloß Bestandteil eines einheitlichen Beratungsfehlers ist (RS0039255 [T11]).
3.1 Der Entscheidung des Berufungsgerichts liegt das Vorbringen des Klägers zugrunde, dass anlässlich der Veranlagungen 2011 und 2012 gar keine Beratung des Klägers durch Mitarbeiter der Beklagten stattgefunden habe. Der Kläger habe daher nicht gewusst, dass es bei der Veranlagung um nicht handelbares Ergänzungskapital gehe, dass Ergänzungskapital im Insolvenzfall nachrangig sei, dass Zinsen nur ausbezahlt werden könnten, soweit sie in den ausschüttungsfähigen Gewinnen gedeckt seien, und dass eingezahlte Mittel vor Liquidation nur unter anteiligem Abzug der während der Laufzeit angefallenen Nettoverluste zurückgezahlt werden dürften. Wäre der Kläger über das Ergänzungskapital und dessen Risiken sachgerecht aufgeklärt worden, hätte er nicht in das Ergänzungskapital, sondern in ein Sparbuch mit längerer Laufzeit investiert. Er hätte eine sichere Anlage gewollt.
3.2 Nach den getroffenen Feststellungen wusste der Kläger allerdings unabhängig von einem Beratungsgespräch zum Veranlagungszeitpunkt, dass er Ergänzungskapital zeichnete und nicht in ein Sparbuch oder in eine diesem vergleichbare Sparform investierte. Außerdem war er in Kenntnis, dass die Einlage nur unter anteiligem Abzug der während der Laufzeit anfallenden Nettoverluste zurückgezahlt wird und es somit zu einem Verlust des eingesetzten Kapitals kommen kann. Des Weiteren war ihm bereits seit 2012 bekannt, dass die Zahlung von Zinsen aus der getätigten Anlage nicht sicher ist.
4.1 Ausgehend von diesen Feststellungen ist die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger sei spätestens 2012 bekannt gewesen, dass er nicht ein Produkt „sicher wie ein Sparbuch“ erworben hatte, nicht zu beanstanden. Die weitere Beurteilung der zweiten Instanz, dass den Kläger damit Erkundungsobliegenheiten getroffen hätten, die (wie etwa eine frühere Nachfrage in der Rechtsabteilung der Beklagten) jedenfalls bis September 2014 zur vollständigen Aufklärung des Klägers über die Eigenschaften der Veranlagung geführt hätten, bewegt sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung. Von einer Überspannung der Erkundungsobliegenheiten kann nicht die Rede sein, musste dem Kläger – seinem Standpunkt folgend – doch von Anfang an klar sein, gar keine Beratung über das Produkt erhalten zu haben, sodass er sich auf keine seiner Annahmen über die Veranlagung verlassen durfte.
4.2 Der Kläger rügt die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die mangelnde Aufklärung über die fehlende Handelbarkeit des Produkts kein eigenständiger Beratungsfehler sei. In diesem Zusammenhang vermag der Kläger schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, weil er nicht nachvollziehbar zur Darstellung bringt, welche (eigenständige) Bedeutung das Wissen um die fehlende Fungibilität für ihn gehabt hätte, war er ja nach seinem Vorbringen der Meinung ein (längerfristig gebundenes) Sparbuch erworben zu haben. Eine eigenständige, den geltend gemachten Anspruch begründende Pflichtverletzung kann in der unterlassenen Aufklärung über die Nichthandelbarkeit daher jedenfalls nicht erblickt werden.
4.3 Schließlich setzt sich der Kläger auch nicht mit der Hilfsbegründung des Berufungsgerichts auseinander (RS0118709), es fehle an der Kausalität einer allenfalls unterlassenen Beratung, weil der Kläger nach den Feststellungen wusste, dass es sich nicht um ein Sparbuch handelt und auch Verluste möglich sind, und dennoch die Veranlagungsentscheidung getroffen hat, und weil festgestellt wurde, dass er jedenfalls in die gegenständliche Veranlagung investiert hätte, auch wenn er gewusst hätte, dass es zu Ausfällen von Zinszahlungen kommen kann.
5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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