European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:0080OB00107.09G.0323.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
B e g r ü n d u n g :
Gegenstand mehrerer Rechtsstreitigkeiten zwischen der im Wiederaufnahmeverfahren beklagten Partei (in weiterer Folge: Beklagte) und den Wiederaufnahmsklägern (in weiterer Folge: Kläger) ist die Frage der Berechtigung der Nutzung eines sich in der Natur als Weg darstellenden Teils des Grundstücks 172/2 der EZ ***** GB ***** (in weiterer Folge: der Weg).
Die Beklagte ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit dem Grundstück 323/1. Die Kläger wiederum sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit dem Grundstück 172/2. Dieses Grundstück liegt großteils südlich der Parzelle 323/1, lediglich ein schmaler Ausläufer, der das Grundstück nach Norden zu mit der B*****straße verbindet und sich in der Natur als Weg darstellt, schließt östlich an die Liegenschaft der Beklagten an.
Im Verfahren 1 C 659/06v des Bezirksgerichts Zwettl begehrte die Beklagte als Klägerin gegenüber den Klägern als Beklagte die Feststellung, dass der Beklagten gegenüber den Klägern als Eigentümer des dienenden Grundstücks und deren Rechtsnachfolgern die Dienstbarkeit des Geh-und Fahrtrechts auf dem Weg entlang der östlichen Grundstücksgrenze der Beklagten zustehe. Sie begehrte weiters die Zustimmungserklärung der Kläger in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit und die Unterlassung jeglicher Störung des Geh-und Fahrtrechts durch Versperren des Tores oder ähnliches gegenüber der Beklagten.
In einem zeitlich danach beim Landesgericht Krems zu 33 Cg 103/06i von den Klägern gegen unter anderem die Beklagte eingeleiteten Verfahren begehrten wiederum die Kläger die Unterlassung des Begehens oder Befahrens dieses Wegs mit Fahrzeugen oder Geräten durch die Beklagte. Dieses Verfahren wurde zunächst bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 1 C 659/06v des Bezirksgerichts Zwettl unterbrochen.
Mit Urteil vom 15. 2. 2008 gab das Bezirksgericht Zwettl im Verfahren 1 C 659/06v dem Klagebegehren statt. Es gelangte zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass zwar eine vertragliche Einräumung der behaupteten Servitut nicht festgestellt werden könne, dass aber durch mehr als dreißigjährige Benützung die Klägerin das behauptete Fahrrecht auf dem Weg ersessen habe. Die Kläger hätten demgegenüber nicht gutgläubig lastenfrei Eigentum an der Liegenschaft erworben, weil sie bei einiger Aufmerksamkeit wahrnehmen hätten können, dass eine Dienstbarkeit bestehe: Der Weg führe von der B*****straße zur Liegenschaft der Beklagten, es befinde sich am Eingang zum Hof dieser Liegenschaft ein Zugangstor, das von einer von Wegerechten freien Liegenschaft keine Funktion hätte. Die Kläger hätten daher Erkundigungen über ein etwaiges Zugangsrecht einholen müssen und sich nicht auf den Grundbuchsstand verlassen dürfen.
Einer gegen dieses Urteil von den Klägern erhobenen Berufung gab das Landesgericht Krems an der Donau mit seinem Urteil vom 7. 1. 2009, GZ 1 R 129/08p-36, nicht Folge. Es stellte nach Durchführung einer Beweiswiederholung fest, dass die Klägerin bereits im Jahr 1979 Eigentümerin des Grundstücks 323/1 gewesen sei, während Eigentümer des Grundstücks 172/2 damals die Ehegatten E***** und H***** E*****, die Eltern der Zweitklägerin, gewesen seien. 1979 wollten die Ehegatten E***** ein Bauvorhaben in einem anderen als dem strittigen Bereich verwirklichen. In diesem Zusammenhang hätten sie eine Grenzberichtigung mit der Beklagten als Anrainerin angestrebt, womit diese auch einverstanden gewesen sei. In einem Nachtrag zu dieser Mappenberichtigungsvereinbarung habe E***** E***** ‑ auch im Namen und mit Vollmacht seiner Ehegattin ‑ mit der Beklagten vereinbart:
„Weiters wird vereinbart ein gegenseitiges Zufahrtsservitut grundbücherlich für Schnittkante Schuppengrenze lt Skizze und davon ausgehend in der gesamten Breite Hausmauer C. V***** bis Grundgrenze E. und H. E***** einverleiben zu lassen. Die beiliegende Skizze ist ein Bestandteil des Anbotes.“
Hiebei handelte es sich um ein Wegerecht über den nördlichen Ausläufer der Parzelle 172/2 zum Zweck der Zufahrt zum Grundstück der Beklagten. Von einer gegenseitigen Zufahrtsservitut sei die Rede gewesen, weil ein schmaler Streifen des Zufahrtswegs im Eigentum der Beklagten stand, aber vom Ehepaar E***** benutzt werden sollte.
Rechtlich folgerte das Berufungsgericht, dass durch diese Vereinbarung aus dem Jahr 1979 die damaligen Eigentümer des Grundstücks 172/2 der Beklagten als Eigentümerin des Grundstücks 323/1 zum Zweck des Zugangs und der Zufahrt zu diesem über den nördlichen Weg auf ihrem Grundstück ein Wegerecht eingeräumt hätten, das nicht bloß obligatorischen Charakter habe, was sich schon daraus ergebe, dass nach der getroffenen Vereinbarung eine grundbücherliche Einverleibung vorgesehen gewesen sei. Die Kläger als Rechtsnachfolger im Eigentum des dienenden Grundstücks könnten sich auf einen lastenfreien Erwerb mangels Gutgläubigkeit nicht berufen. Einer Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen für eine Ersitzung benötige es nicht. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Einen Antrag der Kläger gemäß § 508 Abs 1 ZPO wies es mit Beschluss vom 23. 3. 2009 ebenso wie die damit verbundene Revision zurück.
Die Beklagte setzte daraufhin das Verfahren 33 Cg 103/06i vor dem Landesgericht Krems an der Donau fort. In der Verhandlung vom 26. 5. 2009 wurde sie als Partei ergänzend einvernommen und sagte aus:
„Ich kann mich grundsätzlich nicht mehr so genau an das alles erinnern. Wenn ich gefragt werde, ob in dem schriftlichen Nachtrag das so festgehalten wurde, wie es auch tatsächlich vereinbart wurde, beantworte ich diese Frage mit ja.“
Danach vereinbarten die Streitteile Ruhen des Verfahrens 33 Cg 103/06i.
Mit der am 18. 6. 2009 beim Berufungsgericht eingebrachten Wiederaufnahmsklage begehrten die Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens und Aufhebung des Urteils des Bezirksgerichts Zwettl vom 15. 2. 2008, 1 C 659/06v, sowie die Abweisung des Klagebegehrens im wiederaufgenommenen Rechtsstreit.
Die Kläger stützten die Klage auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO und führten aus, dass durch die Aussage der Beklagten im Verfahren 33 Cg 103/06i des Landesgerichts Krems an der Donau vom 26. 5. 2009 neue Tatsachen bzw Beweismittel vorlägen, welche ohne Verschulden im Hauptverfahren von den Klägern nicht geltend gemacht werden konnten. Die Beklagte habe ausdrücklich angegeben, dass die Vereinbarung aus dem Jahr 1979 genau das wiedergebe, was „dezidiert“ vereinbart gewesen sei und dass auch keine weiteren Vereinbarungen in diesem Zusammenhang existierten. Dadurch hätten die Kläger erstmalig Kenntnis davon erlangt, dass diese Vereinbarung ausschließlich zwischen den Vertragsparteien Geltung haben solle, jedoch keinerlei Relevanz für etwaige Rechtsnachfolger, sodass dieses Beweismittel, hätte es im Hauptverfahren schon zur Verfügung gestanden, dort eine günstigere Entscheidung, nämlich die Abweisung des Klagebegehrens, zur Folge gehabt hätte.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Wiederaufnahmsklage zurück. Eine Prüfung gemäß § 538 Abs 1 ZPO ergebe bereits im Vorprüfungsverfahren die Unschlüssigkeit der Klage. Die Beklagte sei bereits in jenem Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt werde, zum maßgeblichen Sachverhalt als Partei vernommen worden und habe bereits in der Berufungsverhandlung vom 15. 2. 2008 angegeben, dass es eine Einigung im Sinn der schriftlichen Vereinbarung aus dem Jahr 1979 gegeben habe. Den Wortlaut dieser Vereinbarung habe das Berufungsgericht nach Beweisergänzung festgestellt. Die Aussage der Beklagten vom 26. 5. 2009 gebe nichts anderes wieder, die Wiederaufnahmskläger seien somit weder in Kenntnis neuer Tatsachen noch neuer Beweismittel gelangt. Änderungen in der Sachverhaltslage könnten sich daher nicht ergeben. Eine von den Wiederaufnahmsklägern behauptete andere rechtliche Schlussfolgerung könne keinen Wiederaufnahmsgrund begründen. 1979 sei vereinbart worden, die Zufahrtsservitut grundbücherlich einzuverleiben, sodass nicht bloß ein Nutzungsrecht obligatorischer Natur vorliege. Eine vereinbarte, aber noch nicht verbücherte Dienstbarkeit, deren Einverleibung der Berechtigte verlangen könne, wirke aber auch dann gegen einen Erwerber der dienenden Liegenschaft, wenn sie der Belastete kannte oder sie offenkundig ist. Eine solche offenkundige Servitut liege hier vor.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Kläger aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss „abzuändern und der Wiederaufnahmsklage Folge zu geben“, hilfsweise, ihn aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
I. Da die vorliegende Wiederaufnahmsklage bereits vor Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen wurde, ist das Rechtsmittelverfahren einseitig (8 Ob 11/09i; 10 ObS 23/03k).
Wenn vom geltend gemachten Anfechtungsgrund eine in höherer Instanz erlassene Entscheidung betroffen ist, so ist gemäß § 532 Abs 2 ZPO die Wiederaufnahmsklage bei dem bezüglichen Gericht höherer Instanz anzubringen. Ausschlaggebend für die Zuständigkeit ist letztlich, welches Gericht die Tatsachen abschließend festgestellt hat, die vom Anfechtungsgrund betroffen sind (Jelinek in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 532 Rz 20).
§ 535 ZPO knüpft unmittelbar an den Instanzenzug des Vorprozesses an. Erfolgte wie hier der Beschluss auf Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage in erster Instanz durch jenes Landesgericht, das im Vorprozess als Berufungsgericht erkannt hat, so ist für die Zulässigkeit des Rekurses § 519 Abs 1 Z 1 ZPO maßgeblich (Jelinek aaO § 535 Rz 24, 25; RIS-Justiz RS0043868). Ungeachtet des Streitwerts oder der Frage des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage ist daher über den vorliegenden Rekurs als Vollrekurs vom Obersten Gerichtshof zu entscheiden.
II. Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückzuweisen. Dem Gericht kommt gemäß § 538 Abs 1 ZPO bei der Prüfung des Wiederaufnahmsgrundes im Vorprüfungsverfahren nur ein eingeschränktes Prüfungsrecht zu. Diese Prüfung vereinigt in sich die Funktion der Zulässigkeitsprüfung gemäß § 230 ZPO mit Elementen der Vorprüfung im Rechtsmittelverfahren gemäß § 471 ZPO (8 Ob 11/09i; RIS‑Justiz RS0103697). Die Zurückweisung der Klage ist dann gerechtfertigt, wenn sich der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund überhaupt unter keinen der im Gesetz angeführten Wiederaufnahmsgründe einordnen lässt oder in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung steht, der Wiederaufnahmswerber also auch bei Zutreffen der behaupteten Wiederaufnahmsgründe eine Aufhebung oder eine Abänderung der Entscheidung nicht erreichen könnte (10 ObS 169/03f = SZ 2003/76; RIS‑Justiz RS0044631). Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein neues Beweisthema in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit dem wiederaufzunehmenden Verfahren steht.
III. Zulässig wäre die Wiederaufnahme etwa dann, wenn ein vernommener Zeuge nach Schluss der mündlichen Streitverhandlung eine abweichende Aussage in einem anderen Zivilprozess oder in einem Strafverfahren abgelegt hat (Jelinek aaO § 530 Rz 152). Die Wiederaufnahmskläger behaupten hier aber gar keine inhaltlich abweichende Aussage der Beklagten im Verfahren 33 Cg 103/06i des Landesgerichts Krems an der Donau, sie ziehen aus dieser Aussage und aus der darin erfolgten Bestätigung des ohnedies unstrittigen Inhalts der seinerzeit getroffenen Vereinbarung lediglich eine andere rechtliche Schlussfolgerung als das Berufungsgericht im wiederaufzunehmenden Verfahren. In Wahrheit bekämpfen die Kläger daher in unzulässiger Weise die rechtliche Beurteilung der Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren.
Von den Rekurswerbern in ihrem Rechtsmittel behauptete Abweichungen zwischen den in Rede stehenden Aussagen ihrer Gegnerin betreffend die Einräumung einer Servitut zugunsten der Rekurswerber haben mit der hier entscheidenden Frage der Einräumung einer Servitut zugunsten der Beklagten nichts zu tun und können daher die Wiederaufnahmsklage von vornherein nicht stützen.
Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.
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