OGH 8Nd501/02

OGH8Nd501/027.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer in der Pflegschaftssache der mj. Dominik G*****, Robert G***** und Roman G*****, nunmehr wohnhaft in *****, wegen Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Übertragung der Pflegschaftssache vom Bezirksgericht Grein an das Bezirksgericht Melk wird derzeit nicht genehmigt.

Text

Begründung

Die Minderjährigen wohnten bisher im Sprengel des BG Grein. Der Vater stellte einen Unterhaltsherabsetzungsantrag, der derzeit noch nicht erledigt ist. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als Unterhaltssachwalter sprach sich gegen den Herabsetzungsantrag aus und teilte zugleich mit, dass die Mutter mit den Minderjährigen in den Sprengel des BG Melk übersiedelt sei und dass die Vertretungsakten erst nach Erledigung des anhängigen Unterhaltsherabsetzungsverfahrens abgetreten werden könnten. Das Bezirksgericht Grein fasste vor der Entscheidung über den Unterhaltsherabsetzungantrag des Vaters den Beschluss, die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Melk zu übertragen.

Dieses lehnte die Übernahme derzeit im Hinblick auf den offenen Unterhaltsherabsetzungsantrag sowie die bereits durchgeführten Erhebungen ab.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung wird derzeit nicht genehmigt.

§ 111 JN bezweckt die Sicherstellung der wirksamsten Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes. Die Bestimmung nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und den Pflegebefohlenen zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist. Verlegt daher der Pflegebefohlene seinen ständigen Aufenthalt - und damit den Mittelpunkt seiner gesamten Lebensführung und wirtschaftlichen Existenz - in einen anderen Gerichtssprengel, so kann das Gericht die Zuständigkeit an jenes Gericht übertragen, in dessen Sprengel der nunmehrige Lebensmittelpunkt liegt (Fucik in Fasching, Komm Zivilprozessgesetze I2 Rz 3 zu § 111 JN). Diese Frage ist allein unter dem Gesichtspunkt des Wohles des Kindes zu beurteilen (1 Nd 504/82 uva); als Ausnahmebestimmung ist § 111 JN restriktiv auszulegen (9 Nd 514/01). Die Zuständigkeitsübertragung kann auch schon vor Erledigung einzelner Sachanträge oder amtswegig zu prüfender Vorkehrungen erfolgen (1 Nd 47/75 uva). Im Einzelfall kann es freilich zweckmäßiger sein, die Entscheidung über einen solchen Antrag dem bisherigen Gericht zu überlassen (3 Nd 505/90). Es hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob die Entscheidung über einen offenen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (1 Nd 501/95).

Vorliegendenfalls erscheint es zweckmäßiger, dass vor Übertragung der Zuständigkeit über den Unterhaltsherabsetzungsantrag entschieden wird, zumal auch der bisherige Unterhaltssachwalter (Bezirkshauptmannschaft Perg) noch die Vertretung in diesem Unterhaltsherabsetzungsverfahren durchführen will und bereits Beweisaufnahmen durch eingehende Vernehmung des Vaters (wenn auch im Rechtshilfeweg vor dem Bezirksgericht St. Pölten) stattgefunden haben und die Sache weitgehend spruchreif ist. Es ist somit das Bezirksgericht Grein wegen seiner Tatsachenkenntnisse und seiner eingehenden Vertrautheit mit den Problemen, besser geeignet, über den Unterhaltsherabsetzungsantrag des Vaters zu urteilen (vgl Fucik aaO Rz 3).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte