Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Kufstein vom 4. März 2008, GZ *****, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Weiz wird nicht genehmigt.
Text
Begründung
Die Eltern der Minderjährigen leben getrennt. Im Juli 2007 beantragte der Vater der zu dieser Zeit im Sprengel des Bezirksgerichts Kufstein lebenden Minderjährigen bei diesem Gericht die Übertragung der alleinigen Obsorge, zog diesen Antrag aber - nachdem sich die Mutter der Minderjährigen dagegen ausgesprochen hatte - zurück. Am 15. 12. 2007 beantragten die Großeltern der Minderjährigen, ihnen das „einstweilige Sorgerecht" für ihre Enkelin zu übertragen, zogen aber diesen Antrag bereits am 20. 12. 2007 ebenfalls wieder zurück. Am 14. 1. 2008 beantragte der Vater erneut die Übertragung der alleinigen Obsorge und stützte dies vor allem auf von ihm behauptete psychische Erkrankungen der Mutter der Minderjährigen. Diese sprach sich gegen den Antrag aus und beantragte selbst, ihr die alleinige Obsorge zu übertragen.
Die ausführliche Stellungnahme des Jugendwohlfahrtsträgers, der Bezirkshauptmannschaft Kufstein, verweist darauf, dass die Minderjährige ohne Zustimmung und entgegen den Vereinbarungen inzwischen am 12. 1. 2008 von den väterlichen Großeltern zum Vater der Minderjährigen in die Steiermark gebracht wurde. Bei der Mutter der Minderjährigen ergebe sich (trotz psychischer Erkrankung) eine günstige Zukunftsprognose. Die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens wurde empfohlen. Seit 14. 1. 2008 ist die Minderjährige nunmehr bei ihrem Vater in der Steiermark gemeldet. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 4. 3. 2008 übertrug das Bezirksgericht Kufstein gemäß § 111 JN die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Weiz, weil die Minderjährige nunmehr im Sprengel dieses Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.
Das Bezirksgericht Weiz verweigerte die Übernahme der Zuständigkeit, worauf das Bezirksgericht Kufstein den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung ist nicht zu genehmigen:
Wenn dies im Interesse eines Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Ausschlaggebendes Kriterium für eine Zuständigkeitsübertragung nach dieser Gesetzesstelle ist stets - auch wenn der Pflegebefohlene seinen ständigen Aufenthalt in einen anderen Gerichtssprengel verlegt - das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047074 mwN; RS0046319; Mayr in Rechberger ZPO3 § 111 JN Rz 1).
Im hier zu beurteilenden Fall ist selbst die Verlegung des Aufenthaltsorts noch umstritten. Der Jungendwohlfahrtsträger für den Sprengel des Bezirksgerichts Kufstein hat hier schon eine ausführliche Stellungnahme abgegeben. Die Mutter - die in die psychologische Begutachtung miteinzubeziehen ist - befindet sich weiter in diesem Sprengel. Auch wenn der Vater mit der Minderjährigen zwischenzeitlich von dort in ein anderes Bundesland verzogen ist, rechtfertigt eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes eines Pflegebefohlenen für sich allein im Allgemeinen noch keine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN; offene Anträge hindern diese Übertragung in der Regel nicht (RIS-Justiz RS0047032; RS0046895; Mayr aaO Rz 4). Speziell dann, wenn über widerstreitende Anträge der Eltern, ihnen jeweils allein die Obsorge über das Kind zuzuweisen (hier ON 9 und 11), noch nicht entschieden ist, ist die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht in aller Regel unzweckmäßig, weil noch gar nicht feststeht, ob das Kind im Sprengel des Gerichts bleiben wird, an das die Zuständigkeit übertragen werden soll (RIS-Justiz RS0047027; 5 Nc 103/02w; 4 Nc 37/03h); auch hier hat sich letztlich die Prüfung der Zweckmäßigkeit einer Zuständigkeitsübertragung daran zu orientieren, welches Gericht die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände sachgerechter und umfassender beurteilen kann (2 Nc 7/05k; 8 Nc 4/06i). Da § 111 JN als Ausnahmebestimmung grundsätzlich eng auszulegen ist (Mayr aaO Rz 1; 4 Nc 104/02k; 4 Nc 7/07b), liegen derzeit die Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle nicht vor, weshalb eine Übertragung der Führung der Pflegschaftssache - nicht zuletzt wegen der zu unterstellenden besseren Kenntnis der maßgeblichen Sachlage durch das Übertragungsgericht - als nach der Aktenlage nicht dem Wohl der Minderjährigen förderlich angesehen werden kann.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)