OGH 8Nc25/15s

OGH8Nc25/15s20.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C***** T*****, geboren am *****, wohnhaft bei ihrer Mutter S***** T*****, vertreten durch das Land Wien als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, Bezirk 10, *****), den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080NC00025.15S.0520.000

 

Spruch:

Als örtlich zuständiges Gericht für die Erteilung der Vollstreckbarerklärung hinsichtlich des Ausspruchs über die Unterhaltsverpflichtung des Vaters D***** T***** im Urteil des Gemeindegerichts Daruvar vom 19. August 2003, P.222/03‑5, wird das Bezirksgericht Favoriten bestimmt.

 

Begründung:

Die am ***** geschlossene Ehe der Eltern des Kindes C***** wurde mit Urteil des Gemeindegerichts Daruvar (Kroatien) vom ***** geschieden. In diesem Urteil wurde die beiderseitige Obsorge der Eltern festgelegt und das Besuchsrecht des Vaters bestimmt. Zudem wurde der Vater verpflichtet, für das Kind einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 400 Kuna zu leisten. Das Urteil des kroatischen Gerichts ist (seit 10. 9. 2003) rechtskräftig und vollstreckbar.

Am 25. 10. 2013 stellte der Kinder- und Jugendhilfeträger für den 10. Wiener Gemeindebezirk als Vertreter des Kindes beim Bezirksgericht Favoriten den Antrag, das kroatische Urteil in Österreich für vollstreckbar zu erklären. Im Zuge der gerichtlichen Erhebungen stellte sich heraus, dass der Aufenthalt des Vaters unbekannt ist. Dem Vertreter des Kindes wurde mitgeteilt, dass eine Zuständigkeit des Bezirksgerichts Favoriten für die Erteilung der Vollstreckbarerklärung nicht vorliege. Am 23. 4. 2015 legte das Bezirksgericht Favoriten dem Obersten Gerichtshof den Akt mit dem Ersuchen um Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 28 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für eine Ordination sind gegeben.

1. Nach österreichischem Konzept ist das Verfahren zur Prüfung der Vollstreckbarkeit eines ausländischen Exekutionstitels im Inland nicht Teil des Exekutionsverfahrens, sondern ein dem Exekutionsverfahren nachgebildetes Verfahren sui generis, das eine Ergänzung zum ausländischen Titelverfahren bildet. Die Vollstreckbar-erklärung erfolgt daher grundsätzlich losgelöst von einem konkreten Exekutionsverfahren (3 Ob 18/12m).

Gemäß § 82 Z 2 EO ist für die Vollstreckbarerklärung das nach §§ 18 und 19 EO bezeichnete Bezirksgericht, in Wien das nach dem Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien in Exekutionssachen zuständige Gericht, zuständig. Mangelt es aber an einem Sachverhalt, der die Zuständigkeit eines inländischen Exekutionsgerichts begründet, so etwa wenn der Antrag auf Vollstreckbarerklärung isoliert gestellt wird und der Verpflichtete keinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat (§ 82 Z 1 EO), so ist das zur Erteilung der Vollstreckbarerklärung zuständige Gericht unter den Voraussetzungen des § 28 JN im Weg der Ordination durch den Obersten Gerichtshof zu bestimmen (3 Ob 18/12m; vgl auch 3 Nc 15/14g). Nach § 28 Abs 1 Z 1 JN ist eine Ordinationspflicht gegeben, wenn ein Gerichtsstand in Österreich nicht besteht, Österreich aber aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (10 Nc 1/09t).

2. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung des kroatischen Urteils vom 19. 8. 2003 richtet sich nach dem (für die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien aufrechterhaltenen) Abkommen vom 10. 10. 1961 zwischen der Republik Österreich und der föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln, BGBl 1962/310 (siehe dazu BGBl 1996/474). Die Europäische Unterhaltsverordnung 4/2009/EG ist im Verhältnis zu Kroatien nur für Titel, die nach dem 30. 6. 2013 geschaffen wurden, anzuwenden. Gemäß Art 1 Abs 1 des bilateralen Vollstreckungsvertrags werden auf dem Gebiet eines der vertragschließenden Staaten gefällte gerichtliche Entscheidungen über Unterhaltsansprüche in Geld, die der Kläger oder Antragsteller aufgrund familienrechtlicher Beziehungen geltend gemacht hat, auf dem Gebiet des anderen vertragschließenden Staats nach den Bestimmungen dieses Abkommens anerkannt und vollstreckt. Dadurch wird eine Ordinationspflicht begründet (vgl 10 Nc 1/09t).

Aus Zweckmäßigkeitsgründen war das Bezirksgericht Favoriten als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, zumal das Kind in dessen Sprengel wohnhaft ist. Im Anlassfall erfolgt die Ordination von Amts wegen, weil der Exekutionstitel eine Pflegschaftssache betrifft.

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