OGH 8Nc22/17b

OGH8Nc22/17b29.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Olischar und Dr. Johannes Olischar, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung, aufgrund der (Befangenheits-)Anzeige des Hofrats des Obersten Gerichtshofs ***** vom 29. Mai 2017 im Revisionsverfahren zu AZ *****, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080NC00022.17B.0629.000

 

Spruch:

Der Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** ist als Mitglied des 4. Senats im Verfahren über die außerordentliche Revision der klagenden Partei zu AZ ***** befangen.

 

Begründung:

Im Ausgangsverfahren erhob die Klägerin im Wesentlichen ein auf § 1 UWG gestütztes Unterlassungsbegehren im Zusammenhang mit der Beschaffung von Waren außerhalb eines Vergabeverfahrens. Gleichzeitig stellte sie einen im Wesentlichen inhaltsgleichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Im Provisorialverfahren wurde gegen die erstinstanzliche Entscheidung (in zwei Rechtsgängen) Rekurs an das Oberlandesgericht Wien erhoben. Berichterstatter beim Rekursgericht im zweiten Rechtsgang war *****, der in der Folge zum Hofrat des Obersten Gerichtshofs ernannt wurde. In der Zwischenzeit wurde die Entscheidung in der Hauptsache getroffen. Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat der Berufung der Klägerin nicht Folge gegeben. Dagegen erhob die Klägerin außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof.

Für die Behandlung dieses Rechtsmittels ist nach den Bestimmungen der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs – wie schon im Provisorialverfahren – der 4. Senat zuständig. ***** ist Mitglied dieses Senats.

Mit Note vom 29. 5. 2017 brachte ***** dem für die Wahrnehmung von Ausgeschlossenheiten und Befangenheiten beim Obersten Gerichtshof zuständigen Senat 8 die Gegebenheiten zur Kenntnis. Dazu führte er an, dass er sich subjektiv nicht als befangen erachte.

Rechtliche Beurteilung

Der Befangenheitssenat des Obersten Gerichtshofs hat dazu erwogen:

1. Gemäß § 20 Abs 1 Z 5 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramts in bürgerlichen Rechtssachen dann ausgeschlossen, wenn sie bei einem untergeordneten Gericht an der Erlassung des angefochtenen Urteils oder Beschlusses teilgenommen haben.

Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor, weil ***** nicht an der angefochtenen Entscheidung des Berufungsgerichts mitgewirkt hat.

2. Gemäß § 19 Z 2 JN ist ein Richter befangen, wenn bei objektiver Betrachtungsweise ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dafür genügen Tatsachen, die den Anschein einer Voreingenommenheit hervorrufen können. Ein solcher Anschein kann durch eine eindeutige Nahebeziehung des Richters zu einer Verfahrenspartei, zu einer Person, die ihrerseits eine Nahebeziehung zu einer Verfahrenspartei aufweist, aber auch durch eine besondere Nahebeziehung zur Rechtssache begründet werden (vgl 8 Nc 23/15x; 8 Nc 40/15x). Gerade in lauterkeitsrechtlichen Streitigkeiten werden Unterlassungsklagen häufig mit inhaltsgleichen oder ‑ähnlichen Sicherungsanträgen verbunden. In diesen Fällen werden die relevanten Rechtsfragen in der Regel schon im Provisorialverfahren angesprochen und geklärt.

Im zugrunde liegenden Provisorialverfahren war ***** beim Rekursgericht Berichterstatter, weshalb er nicht nur über eine besondere Aktenkenntnis verfügt, sondern sich zum Verfahrensgegenstand bereits eine konkrete Meinung verschafft hat, die in die Entscheidung des Rekursgerichts im Provisorialverfahren eingeflossen ist. Bei dieser Sachlage könnte ein Verfahrensbeteiligter naheliegend den Eindruck gewinnen, dass die Willensbildung des Richters zu der nunmehr in dritter Instanz anstehenden Entscheidung nicht vollkommen unvoreingenommen erfolgt, sondern von der im früheren unterinstanzlichen Verfahren gewonnenen Meinung zumindest beeinflusst wird. Die (Befangenheits‑)Anzeige erweist sich damit als begründet.

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