OGH 7Ob825/82

OGH7Ob825/827.7.1983

SZ 56/120

Normen

ABGB §891
ABGB §896
ABGB §983
ABGB §1008
ABGB §1295
ABGB §1368
ZPO §269
ABGB §891
ABGB §896
ABGB §983
ABGB §1008
ABGB §1295
ABGB §1368
ZPO §269

 

Spruch:

Die Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditunternehmungen, wonach zur Abgabe von Willenserklärungen jeder einzelne Kreditnehmer mit Wirkung für sämtliche anderen ermächtigt ist, deckt nicht Erweiterungen oder Überziehungen des Kreditrahmens

Die Bank haftet für Schäden, die einem von mehreren Kreditnehmern durch Lastenfreistellung einer mithaftenden Liegenschaft ohne seine Zustimmung entstehen

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditunternehmungen in der jeweils geltenden Fassung sind, da sie im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" veröffentlicht werden, als gerichtsbekannt anzusehen

OGH 7. 7. 1983, 7 Ob 825/82 (OLG Innsbruck 1 R 262/82; LG Feldkirch 2 Cg 145/82)

Text

Die Klägerin, die im März 1978 und im April 1980 Kredite der beklagten Bank durch Hypotheken besichert hatte, begehrt mit der vorliegenden Klage die Rückerstattung einer am 31. 12. 1981 von der V Gemeinnützigen Wohnungsbau- und SiedlungsgesmbH (im folgenden kurz: V) für sie zur Erwirkung der Löschung des Pfandrechtes geleisteten Zahlung von 1 792 928 S mit der Begründung, die beklagte Partei habe durch Gestattung der Überziehung des an die I WohnbaugesmbH (im folgenden kurz: I) gewährten Kredites, Nichteinforderung der quartalsmäßigen Zinsen, Nichtverständigung der Klägerin von den Kontobewegungen und schließlich durch die Entlassung einer weiteren Liegenschaft aus der Pfandhaftung, ohne die Klägerin auch nur zu verständigen, bewußt zu ihrem (der Hypothekarschuldnerin) Nachteil gehandelt.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab.

Nach seinen Feststellungen war die Klägerin Eigentümerin der Liegenschaft EZ 1870 KG R mit den Grundstücken 751/3 und 751/5. Sie verkaufte das erstgenannte Grundstück im März 1978 an die I, erklärte sich aber zugleich mit Rücksicht auf die Freundschaft zu deren Geschäftsführer Dr. Karl R bereit, mit ihrer zu diesem Zeitpunkt noch ungeteilten Liegenschaft einen Kredit bis zum Höchstbetrag von 2 Mio. S, der ständig allerdings nur bis 1.5 Mio. S in laufender Rechnung durch Wechsel oder Inanspruchnahme von Haftungen ausgeschöpft werden sollte, zugleich als Mit-Kreditnehmer zu besichern. Die beklagte Partei hatte mit der Klägerin selbst keinen Kontakt aufgenommen, sondern die Kredit- und Pfandbestellungsurkunde bloß ausgefüllt dem Geschäftsführer der I übergeben, der sie nach Unterfertigung durch die Klägerin wieder zurückbrachte. Nach dem Punkt III 4 dieser Urkunde nahm "der Schuldner zur Kenntnis, daß mehrere Kreditnehmer zur ungeteilten Hand haften, ferner, daß zur Empfangnahme der Auszahlung sowie zur Abgabe von Willenserklärungen jeder einzelne mit Wirkung für sämtliche anderen ermächtigt ist". Die Klägerin kümmerte sich in der Folge nicht um die Kontobewegungen und wurde darüber auch nicht informiert. Am 3. 3. 1980 wurde das Grundstück 751/3 aus der EZ 1870 abgeschrieben und hiefür die neue EZ 1930 KG R eröffnet. Die Höchstbetragshypothek war nun auf beiden, immer noch im Eigentum der Klägerin befindlichen Liegenschaften einverleibt. Im April 1980 trat Dr. Karl R an die beklagte Partei mit dem Ersuchen um weitere Kreditmittel heran. Er bot als Sicherheit die zu erwartenden Kreditförderungsmittel des Landes in der Höhe von etwa 3 Mio. S an. Auf Verlangen der beklagten Partei brachte Dr. Karl R die Unterschrift der Klägerin auf der weiteren Kredit- und Pfandbestellungsurkunde vom 8. 4. 1980 über einen diesmal bloß der I gewährten Kredit bis zum Höchstbetrag von 2 Mio. S mit einem Ausschöpfungslimit von 1.8 Mio. S bei, zu dessen Sicherstellung die Klägerin die in ihrem Eigentum befindliche EZ 1930 neuerlich ohne Kontaktnahme zwischen den Parteien, im übrigen zu denselben Bedingungen wie im ersten Vertrag, verpfändete. Im Mai 1980 wurde sodann das Grundstück 751/3 EZ 1930 KG R in die Grundstücke 751/3 und 751/7 Weg unterteilt und in der Folge das erstgenannte Grundstück neuerlich abgeschrieben und hiefür die EZ 1654 KG R eröffnet. Auf dieser Liegenschaft wurde Wohnungseigentum begrundet. Das zugunsten der Beklagten eingeräumte Pfandrecht wurde zunächst auch auf die EZ 1654 KG R mitübertragen, am 8. 7. 1980 aber auf Grund einer Löschungsquittung der beklagten Partei gelöscht. Der erste Kredit war Ende März 1980 mit einem Betrag von fast 1.6 Mio. S ausgeschöpft; es kam auch davor schon immer wieder zu Überziehungen bis zu über 2 Mio. S, die jedoch durch Zessionen von Wohnbauförderungsmitteln abgesichert waren. Der zweite, ausschließlich der I eingeräumte Kredit sollte lediglich zu Überbrückung bis zur Auszahlung der Kreditförderungsmittel dienen. In der Folge wurde auch dieser Kredit ausgeschöpft bzw. der Rahmen überzogen. Per 22. 8. 1980 betrug der eingeräumte Kreditbetrag insgesamt fast 4.5 Mio. S, doch wurden am 26. 8. 1980 Wohnbauförderungsmittel von 3.7 Mio. S überwiesen und dem Konto der I gutgeschrieben, sodaß zu diesem Zeitpunkt der aushaftende Kredit 753 448.61 S betrug. Um die Mittel des Landes Vorarlberg flüssigzumachen, aber auch für die Finanzierung der Eigentumswohnungen durch die einzelnen Wohnungseigentümer war die Löschung des ersten Pfandrechtes auf der neu eröffneten EZ 1654 KG R Voraussetzung. Mit dieser Lastenfreistellung war die beklagte Partei einverstanden, weil nach ihren Schätzungen das Grundstück 751/5 EZ 1870 KG R ausreichende Sicherheit für den aushaftenden Kredit bot. Es war beim ersten Kredit nie die Rede davon gewesen, daß die Klägerin bloß Bürge sein oder daß lediglich das Grundstück 751/3 als Sicherstellung dienen sollte. Demnach wurde die beklagte Partei auch nicht aufgefordert, nach Abschreibung dieses Grundstückes die restliche EZ 1870 KG R lastenfrei zu stellen. Die Klägerin kümmerte sich vielmehr um die grundbücherlichen Vorgänge betreffend ihre Liegenschaften nicht. Von der Lastenfreistellung der EZ 1654 KG R wurde sie nicht informiert, sie erfuhr davon erst "später". Nach dem 26. 8. 1980 war der Überbrückungskredit erledigt und es wurden lediglich noch Kredite wieder auf Grund der ersten Kredit- und Pfandbestellungsurkunde eingeräumt. Die Kreditsumme überstieg in der Folge teilweise den Betrag von 2.5 Mio. S. Der Saldo zum 30. 12. 1981 in der Höhe des Klagsbetrages wurde auf die eingangs genannte Weise mit einem Vorbehalt zugunsten der Klägerin durch die V abgedeckt, die diesen Betrag von dem an die Klägerin zu zahlenden Kaufpreis in Abzug brachte.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters haftete die Klägerin als Kreditnehmerin für den ersten Kredit auch persönlich zur ungeteilten Hand gemäß § 891 ABGB. Nach Punkt III 4 der Kredit- und Pfandbestellungsurkunde sei die beklagte Partei nicht verpflichtet gewesen, außer den Geschäftsführer der I auch noch die Klägerin über die Kontobewegungen zu informieren oder vor Durchführung irgendwelcher Dispositionen bei der Klägerin rückzufragen. Die beklagte Partei müsse nicht dafür einstehen, daß das große Vertrauen der Klägerin in Dr. Karl R durch diesen mißbraucht worden sei. Der beklagten Partei könne auch aus der Lastenfreistellung der EZ 1654 KG R selbst ohne eine Verständigung der Klägerin kein Vorwurf gemacht werden, weil die Klägerin keinen Anspruch darauf gehabt habe, daß die von ihr verpfändete Liegenschaft vom Pfandrecht befreit werde, sobald eine andere Liegenschaft ebenfalls hafte. Die beklagte Partei habe auf Grund der Erklärung Dris. Karl R davon ausgehen können, daß die I ohnehin auch die restliche EZ 1870 KG R erwerben werde. Es sei auch nicht einmal behauptet worden, daß der beklagten Partei bei der Teillöschung der Hypothek Umstände dafür bekannt gewesen seien, daß die I den Kredit nicht werde rückzahlen können. Da die Klägerin Kreditnehmerin war, sei ihre Stellung durch die Teillöschung der Hypothek auf der fremden Liegenschaft nicht verschlechtert worden. Eine allfällige Verzögerung der Abstattung der Kreditzinsen sei von der I als Solidarschuldnerin der Klägerin widerspruchslos auch für diese zur Kenntnis genommen worden. Nach der Ansicht des Erstrichters sei zwar die Vorgangsweise für einen Mitschuldner wie die Klägerin unbefriedigend; diese habe aber die vertraglichen Bestimmungen unterfertigt und hätte sich über die Kontobewegungen laufend informieren können, was sie bloß wegen ihres Vertrauens zu Dr. Karl R unterlassen habe. Da die Klägerin als Solidarschuldnerin und Pfandbestellerin für den offenen Kreditbetrag per 31. 12. 1981 gehaftet habe, sei sie nicht berechtigt, den Betrag zurückzufordern.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der Klägerin das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, daß das erstgerichtliche Verfahren durch Unterlassung der Prüfung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen in der Richtung, ob die beklagte Partei gegen Vertragsbestimmungen verstoßen habe, mangelhaft geblieben sei, zumal Punkt III 4 der Vertragsurkunde nicht so ausgelegt werden könne, daß die beklagte Partei durch Mitteilungen an einen Kreditnehmer von allenfalls bestehenden Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten gegenüber den anderen Kreditnehmern entbunden werde. Die Klägerin, die ohnehin einen Beweis in dieser Richtung, wenn auch verspätet, angeboten habe, hätte deshalb zur Beibringung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgefordert werden müssen. Auf deren Grundlage werde zu beurteilen sein, ob und welche vertraglichen Schutzpflichten die beklagte Partei trafen und ob sie gegen solche Verpflichtungen, besonders durch die Nichtverständigung der Klägerin von der Lastenfreistellung der EZ 1654 KG R, verstoßen habe. Dabei werde die Klägerin allerdings nicht bloß als Bürgin, sondern als solidarisch haftende Kreditnehmerin zu behandeln sein; es werde weiters zu beachten sein, daß das Geschäftsverhältnis zwischen der Kreditunternehmung und dem Kunden ein Vertrauensverhältnis sei, welches die Grundlage für eine Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht des Kreditinstitutes darstelle, sodaß der Kunde einen Anspruch auf Wahrung seiner Interessen durch die Bank habe. Bei Bejahung dieses Anspruchsgrundes sei die Haftung der beklagten Partei für den ganzen Schaden der Klägerin, ungeachtet der Möglichkeit, daß sie auch bei rechtzeitiger Verständigung betreffend die Überschreitungen des Kreditrahmens oder die beabsichtigte Lastenfreistellung der EZ 1654 KG R dem Dr. Karl R weiterhin ungeteilt vertraut hätte, gegeben, weil die beklagte Partei in diesem Fall nach den Grundsätzen über die alternative Kausalität analog § 1302 ABGB solidarisch mit allfälligen weiteren Schädigern hafte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes bedurfte es allerdings keiner Aufhebung des Ersturteils zur Prüfung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen. Der Wortlaut der jeweils geltenden Fassung dieser Geschäftsbedingungen bedarf keines Beweises, weil es sich wegen ihrer Veröffentlichung im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" um eine bei Gericht offenkundige Tatsache iS des § 269 ZPO handelt (so auch 3 Ob 569/82). Die Bank-AGB enthalten aber ohnehin in keiner der in Betracht kommenden Fassungen - einerseits vom 1. 7. 1971 (Schinnerer - Avancini, Bankverträge I 280 ff.) und andererseits vom 1. 10. 1979, veröffentlicht im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" Nr. 210 vom 12. 9. 1979 - besondere Bestimmungen zu den hier maßgeblichen Fragen. Diese können vielmehr nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter Bedachtnahme auf das schon vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehobene Vetrauensverhältnis zwischen Kreditunternehmung und Kunden (SZ 53/13 mwN und die im Berufungsurteil zitierte Lehre; ebenso Bank-AGB Einleitung Abs. 1) beantwortet werden. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die Unterlassung der Verständigung der Klägerin über die Bewegungen auf dem Kreditkonto und auf eine allfällige nicht laufende Betreibung der quartalsmäßigen Zinsenzahlungen an. Ins Gewicht fällt vielmehr die Tatsache der Lastenfreistellung der mithaftenden Liegenschaft der I ohne Zustimmung und sogar ohne Verständigung der Klägerin, allenfalls im Zusammenhang mit Überziehungen des Kredites. In diesen beiden Richtungen reicht die Bevollmächtigung des zweiten Kreditnehmers durch die Klägerin in Punkt III 4 der ersten Kredit- und Pfandbestellungsurkunde keinesfalls aus, weil sowohl die Höchstgrenze der zulässigen Ausschöpfung des Kredites als auch der Umfang der Pfandsicherung Hauptpunkte des Vertrages bildeten, zu deren Änderung die allgemeine Bevollmächtigung jedes einzelnen Kreditnehmers durch den anderen zur Abgabe von Willenserklärungen nicht als genügend angesehen werden kann, zumal die Freigabe einer mithaftenden Liegenschaft wie hier ohne Gegenleistung ein unentgeltliches Rechtsgeschäft (Verzicht) der Klägerin gewesen wäre, das nach § 1008 ABGB eine Spezialvollmacht erfordert hätte. Entgegen der Meinung des Erstrichters liegt es aber auf der Hand, daß durch eine solche Lastenfreistellung die Rechtsstellung der Klägerin verschlechtert wurde. Es geht nicht darum, daß sie nach wie vor als Solidarschuldnerin haftete, sondern um die in der Folge verwirklichte Gefahr, wegen des Wegfalles der zunächst mithaftenden Liegenschaft nun allein mit ihrem Pfand die ganze Schuld abdecken zu müssen. Ein Fehlverhalten der beklagten Bank könnte auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß mit einem Ankauf der als Pfand verbliebenen Liegenschaft durch die I und mit deren fortdauernder Leistungsunfähigkeit gerechnet werden konnte. Abgesehen davon, daß dies nicht erwiesen ist, müßte eine durch die spätere Entwicklung erwiesene Fehlannahme der beklagten Partei in dieser Richtung ihr selbst zur Last fallen, wenn durch ein rechtswidriges Verhalten die Rechtsstellung der Klägerin als Pfandschuldnerin verschlechtert wurde. Das ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Wäre das ins Eigentum der I übertragene Grundstück nicht aus der Pfandhaftung entlassen worden, dann hätte es nach der Regel des § 222 EO zur Deckung der Schuld anteilsmäßig beitragen müssen bzw. die Klägerin hätte einen Regreßanspruch aus der anderen Pfandliegenschaft gehabt, wenn die Gläubigerbank trotz der Solidarhaftung ihre Befriedigung nur aus der der Klägerin gehörenden Liegenschaft gesucht hätte (§ 896 ABGB analog; Hoyer, Simultanhypothek 63, Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz. 14 zu § 452). In diesem Sinn enthält das dBGB sogar eine ausdrückliche Vorschrift über das Freiwerden des Schuldners bei Regreßbehinderung (§ 1165); es ist dort anerkannt, daß dieser Rechtsgedanke zur Vermeidung grober Unbilligkeiten analog wenigstens auch auf jene Fälle anzuwenden ist, in denen ein auch persönlich haftender Eigentümer einer Pfandliegenschaft durch den Verzicht des Gläubigers seine künftige Regreßsicherung verliert. Der Regreßberechtigte wird dann gegenüber dem Gläubiger insoweit frei, als er bei der Geltendmachung des Rückgriffes aus der Hypothek Ersatz erlangt hätte (Eickmann im Münchener Kommentar zum BGB IV 1522 mwN). Eine sinngemäße Anwendung dieses Gedankens ist auch für das österreichische Recht schon deshalb am Platz, weil über das Entstehen von Schutz- und Sorgfaltspflichten bei jedem Vertrag (SZ 47/72 uva.) hinaus, wie schon oben dargestellt, gerade das Verhältnis zwischen der Bank und ihrem Kunden im besonderen Maße vom gegenseitigen Vertrauen beherrscht wird. Nach der Natur der Sache mußte die Rekurswerberin mit den möglichen schädlichen Folgen der Lastenfreistellung der Liegenschaft des Mitschuldners ohne Verständigung der Klägerin rechnen. Schon der festgestellte Sachverhalt reicht demnach zur Annahme eines solchen schuldhaften Verhaltens aus.

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes folgt daraus aber noch nicht die volle Ersatzpflicht der beklagten Partei für den gesamten Vermögensschaden der Klägerin, sodaß diese den ganzen zur Tilgung der gemeinsamen Schuld aufgewendeten Betrag zurückfordern könnte. Wohl liegt irgendein Schaden im Vermögen der Klägerin infolge der Notwendigkeit, zur Lastenfreistellung der eigenen Liegenschaft die Schuld an die beklagte Partei (hier: durch Zahlung seitens der Käuferin dieser Liegenschaft) voll zu tilgen, nahe. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist es aber durchaus möglich, daß dieser Schaden auch dann nicht vermeidbar gewesen wäre, wenn die beklagte Partei die Klägerin um die Zustimmung zur Lastenfreistellung der mithaftenden Liegenschaft der I ersucht oder diese Liegenschaft nicht lastenfrei gestellt hätte, weil die Klägerin auch dazu im Vertrauen auf Dr. Karl R bereit gewesen wäre oder weil beispielsweise sonst zur Tilgung des zweiten Darlehens der beklagten Partei die Landesförderungsmittel oder Leistungen der Wohnungseigentümer nicht zur Verfügung gestanden wären und so die Pfandhaftung der Liegenschaft der Klägerin für das zweite Darlehen in Anspruch genommen wäre.

Mit den Regeln über die alternative Kausalität ist eine volle Schadenshaftung der beklagten Partei jedoch nicht zu begrunden. Der Begriff der alternativen Kausalität, die entgegen der Meinung der Rekurswerberin in der Lehre und Rechtsprechung nun anerkannt ist, setzt voraus, daß die schuldhaften oder sonst einen Haftungsgrund bildenden Handlungen mehrerer Personen als Ursache für einen eingetretenen Schaden in Frage kommen, ohne daß jedoch festgestellt werden kann, welche der mehreren Handlungen den Schaden tatsächlich herbeigeführt haben (Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung (1964? 70 ff. derselbe, Aktuelle Streitfragen um die alternative Kausalität, FS Beitzke 1979 3 f., Koziol - Welser, Grundriß[6], I 349, Koziol, Haftpflichtrecht[2], I 66; 1 Ob 26/80 ua.). Dabei stellt schon die Voraussetzung, als alternativer Täter in Frage zu kommen, das Erfordernis der möglichen Kausalität seines Verhaltens für den Schadenseintritt klar. Steht fest, daß ein anderer den ganzen Schaden zugefügt hat, ist also nicht einmal die mögliche Verursachung des Schadens durch jeden Beteiligten gegeben, dann besteht keine Haftung der betreffenden, von der Verursachung auszuschließenden Person. Gesamthaftung besteht demnach auch nur für jene Schadensteile, bezüglich derer alle Beteiligten mit dem Kausalitätsverdacht belastet sind (Bydlinski, Aktuelle Streitfragen 5 ff., 17 f., 26, 28). Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes muß also der Schadenersatzkläger wenigstens den Kausalitätsverdacht und dessen Umfang beweisen; es muß ebenso dem Beklagten die Widerlegung dieses Verdachtes in jeder sonst zulässigen Weise offenstehen, etwa auch in der Richtung des sogenannten rechtmäßigen Alternativverhaltens, daß nämlich der Schaden auch bei einem anderen, nicht rechtswidrigen Verhalten eingetreten wäre; dabei ist eine Haftung für eine Unterlassung in aller Regel schon wegen fehlender Kausalität zu verneinen, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem positivem Tun entstanden wäre (Koziol, Haftpflichtrecht[2], I 163 f.).

In der Sache selbst kommt somit eine Haftung der beklagten Partei für den ganzen Schaden der Klägerin auch aus dem Gesichtspunkt der alternativen Kausalität nicht in Betracht, wenn und soweit ihr Verhalten nicht einmal als möglicherweise kausal erwiesen ist oder sie nachweisen kann, daß der Kausalitätsverdacht unbegrundet ist, weil ihr Verhalten in Wahrheit keinen oder einen geringeren Einfluß auf den Schadensverlauf genommen hat. In diesem Sinn liegt hier zwar der Verdacht nahe, daß die Freilassung der zunächst mithaftenden Liegenschaft eine Inanspruchnahme der Klägerin über das sonst nach § 222 EO zu berechnende Maß hinaus verursacht hat. Es muß aber berücksichtigt werden, daß nach den Feststellungen des Erstrichters Wohnbauförderungsmittel des Landes Vorarlberg nur gegen diese Lastenfreistellung flüssiggemacht wurden, was zu einer wesentlichen Verringerung der sonstigen Darlehensschulden der I führte, für die die Liegenschaft der Klägerin ebenfalls mithaftete. Andererseits kann in diesem Zusammenhang die ebenfalls festgestellte Tatsache nicht unberücksichtigt bleiben, daß die beklagte Partei gerade auch noch kurz vor der Lastenfreistellung eine erhebliche Kreditüberziehung durch die I hingenommen hat, zu der ein Einverständnis der Klägerin weder vorlag noch nach den obigen Ausführungen angenommen werden durfte. Soweit also bloß diese Kreditüberziehungen letztlich zu einer Verschiebung jener anteiligen Haftung der Klägerin geführt hätten, wie sie bei rechtmäßigem Vorgehen der Bank ohne Entlassung der zweiten Liegenschaft aus der Pfandhaftung hätte in Anspruch genommen werden können, wäre ein Schaden der Klägerin als von der beklagten Partei verschuldet anzusehen. Zusammenfassend bedarf es bei der grundsätzlich zu bejahenden Vertragsverletzung durch die Lastenfreistellung der Liegenschaft der I der Feststellung jenes hypothetischen Geschehensablaufes, der sich unter der Voraussetzung der Nichtduldung der Überschreitung der eingeräumten Kreditrahmen einerseits und dem Versuch der pflichtgemäßen Einholung einer Zustimmung der Klägerin zu der strittigen Lastenfreistellung ergeben hätte. Dieser Sachverhalt ist mit den Parteien zu erörtern; es sind sodann darüber Feststellungen, ausgehend von der dargestellten Beweislastverteilung, zu treffen, bevor eine abschließende rechtliche Beurteilung der Streitsache möglich ist.

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