OGH 7Ob724/86

OGH7Ob724/8618.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sophie N***, Pensionistin, Klagenfurt, Deutenhofenstraße 4, vertreten durch Dr. Johann Tischler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Margarethe R***, Pensionistin, Klagenfurt, Deutenhofenstraße 4, vertreten durch Dr. Manfred Haslinglehner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 20.Oktober 1986, GZ 1 R 476/86-22, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 2.Juni 1986, GZ 7 C 211/85-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 2.263,36 S (darin 205,76 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 4.219,20 S (darin 1.500 S Barauslagen und 247,20 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Hauses Klagenfurt, Deutenhofenstraße 4, in dem die Beklagte eine 85 m 2 große Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Vorzimmer, Bad, Speis, WC, einem Keller und einem Dachbodenabteil gemietet hat. Die Klägerin bewohnt selbst eine 96 m 2 große Wohnung bestehend aus Vorraum, Wohnküche, Schlafzimmer, Wohnzimmer und Kabinett im Hochparterre dieses Hauses. Während das Erstgericht die auf § 30 Abs.2 Z 8 MRG gestützte Aufkündigung der Wohnung der Beklagten aufgehoben hat, wurde diese Entscheidung vom Berufungsgericht mit Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Die Vorinstanzen gingen hiebei von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Die Beklagte bewohnt die aufgekündigte Wohnung zusammen mit ihrer in Klagenfurt studierenden Enkelin. Die Klägerin wohnt allein in ihrer Wohnung. Seinerzeit lebte ihr Sohn bei ihr. Dieser hat am 21.12.1984 geheiratet. Seine Gattin bekam im April 1985 ein Kind. Nachdem diese Familie vorerst bei der Klägerin gewohnt hatte, zog sie aus und lebt seither bei den Eltern der Frau. Diese verfügen über eine 80 m 2 große Wohnung.

In dem zum Haus gehörigen Hofgebäude liegt im Erdgeschoß eine aus Küche, einer Dusche mit WC und einem Wohn-Schlafraum bestehende, ca. 45 m 2 große Wohnung, die elektrisch beheizbar ist. Diese Wohnung würde dem Sohn der Klägerin zur Verfügung stehen. Ihr Bewohnen ist derzeit jedoch wegen aufsteigender Nässe gesundheitsgefährdend. Mit einem finanziellen Aufwand von ca. 100.000 S könnte diese Wohnung jedoch den heutigen hygienischen Anforderungen entsprechend saniert werden. Dieser Kostenaufwand ist wirtschaftlich vertretbar.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, die Klägerin habe einen dringenden Eigenbedarf nicht nachgewiesen, weil ihr Sohn sowieso bei seinen Schwiegereltern wohnversorgt sei. Im übrigen könne er entweder bei der Klägerin selbst untergebracht werden oder es sei die Sanierung der im Hofgebäude liegenden Wohnung zumutbar. Mangels Nachweises eines Eigenbedarfes habe eine Interessenabwägung zu entfallen.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, dem Sohn der Klägerin sei weder das Zusammenleben mit seinen Schwiegereltern noch mit seiner Mutter zuzumuten. Ein Aufwand von ca. 100.000 S zur Sanierung der im Hofgebäude liegenden Wohnung könne der Klägerin nicht zugemutet werden.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs.2 Z 8 MRG entspricht in seinem Wortlaut dem seinerzeitigen Kündigungsgrund des § 19 Abs.2 Z 5 MG, weshalb die zu der letztgenannten Bestimmung entwickelten Grundsätze nach wie vor zu beachten sind (JBl.1985, 238 u.a.). Nach wie vor ist also bei der Beurteilung der Frage des dringenden Eigenbedarfes ein strenger Maßstab anzulegen. Der Kündigungsgrund des dringenden Eigenbedarfes ist demnach nur dann gegeben, wenn auf seiten des Vermieters ein Notstand, also die unabweisliche Notwendigkeit, den bestehenden Zustand sobald als möglich zu beseitigen, vorliegt und dies nur durch die Kündigung des bestehenden Mietvertrages möglich ist (6 Ob 548/85, 7 Ob 598/84 u.a.). Der an das Erfordernis des dringenden Eigenbedarfes angelegte strenge Maßstab soll also trotz leichter Entspannung auf dem Wohnungsmarkt nicht gelockert werden (JBl.1985, 238, 3 Ob 550/85 u.a.).

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob der Klägerin eine Unterbringung ihres Sohnes mit seiner Familie in ihrer eigenen Wohnung zugemutet werden kann oder nicht. Für den Sohn steht nämlich eine eingerichtete und auch bezüglich der Beheizung modernen Anforderungen entsprechende Wohnung zur Verfügung. Diese Wohnung ist allerdings derzeit wegen aufsteigender Feuchtigkeit unbewohnbar. Legt man jedoch die oben erwähnten, vom Gesetz geforderten strengen Maßstäbe an, so müssen auch Schritte in Erwägung gezogen werden, mit deren Hilfe die mangelnde Wohnversorgung des Sohnes der Klägerin beseitigt werden könnte. Richtig ist allerdings, daß es sich hiebei um zumutbare Schritte handeln muß. Da diese Frage jedoch mit der Frage des Notstandes im Zusammenhang steht, ist auch hiebei ein strenger Maßstab anzulegen. Vor allem ist es Sache des Vermieters, das Vorliegen des Kündigungstatbestandes zu beweisen, demnach auch, daß ihm bei Anlegung strenger Maßstäbe Abhilfemaßnahmen nicht zugemutet werden können.

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die für den Sohn der Klägerin zur Verfügung stehende 45 m 2 große Wohnung mit einem Aufwand von ca. 100.000 S einwandfrei saniert werden könnte.

100.000 S sind nach heutigen Verhältnissen kein Betrag, dessen Aufbringung für Wohnzwecke grundsätzlich als unzumutbar erscheinen würde. Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen, zu beweisen, daß und aus welchen Gründen ihr bzw. ihrem Sohn im konkreten Fall die Verwendung dieses Betrages zur Sanierung der vorerwähnten Wohnung nicht zugemutet werden kann. In dieser Richtung wurden nicht einmal Behauptungen aufgestellt.

Da sohin der dringende Eigenbedarf der Klägerin nicht bewiesen worden ist, erübrigt sich eine Interessenabwägung. Vielmehr war die Sache im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung spruchreif, weshalb der Oberste Gerichtshof gemäß § 519 Abs.2 ZPO in diesem Sinne durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen hatte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte