OGH 7Ob688/85

OGH7Ob688/8516.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ida P***, Pensionistin, Villach, Leitegasse 1, vertreten durch Dr.Albin Ortner, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Anna B***, Geschäftsfrau, Villach, Akazienweg 2, vertreten durch Dr.Helmut Payrits, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 29.August 1985, GZ.2 R 277, 303/85-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 10.April 1985, GZ.6 C 795/84-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.069,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 240,-- Barauslagen und S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind je zu einem Drittel Miteigentümer der Liegenschaft EZ.187 Katastralgemeinde Villach, die aus dem Grundstück 365/3 Baufläche mit dem Haus Akazienweg 2 und den Gartengrundstücken 516/1 und 516/7 besteht. Weitere Miteigentümerin zu einem Drittel ist Mag.Ines P***. Diese räumte mit notariellem Übergabsvertrag vom 18.September 1979 an ihrem Miteigentumsanteil der Beklagten auf Lebensdauer das Fruchtgenußrecht ein. Mag.Ines P*** wohnte bis Ende Februar 1983 im Haus Akazienweg 2. Mit Ausnahme eines Zimmers, das Josef B*** als Wohnungsberechtigter benützt, und weiterer 6 Zimmer, die Mag.Ines P*** bis zu ihrem Auszug bewohnte, standen alle übrigen Räume des Hauses in der Benützung der Beklagten. Auf Antrag der Klägerin regelte das Erstgericht im Außerstreitverfahren die Benützung der Liegenschaft unter anderem derart, daß der Klägerin die 3 südseitigen Zimmer (14, 15 und 16) und das ostseitige Zimmer (17) im Obergeschoß sowie ein bestimmt umschriebener Teil des Hausgartens zur alleinigen Benützung zugewiesen wurden (10 Nc 13/82-20). Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Räumung dieser Liegenschaftsteile durch die Beklagte.

Die Beklagte erhob die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der rechtskräftig entschiedenen Streitsache. Sie beruft sich auf eine mit der Klägerin vor Jahren getroffene Benützungsvereinbarung, derzufolge ihr die Benützung der gesamten Liegenschaft auf Lebenszeit gegen Bestreitung der notwendigen Investitionen zukomme. Sie habe für das Gebäude S 1,397.959,41 aufgewendet, wovon sie ein Drittel, d.s. S 465.986,46, als Zug um Zug gegen Räumung der Liegenschaftsteile zu bezahlende Gegenforderung geltend mache.

Das Erstgericht verwarf mit dem in die über die Hauptsache ergangene Entscheidung aufgenommenen Ausspruch die Prozeßeinreden der Beklagten und gab dem Räumungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt.

Nach Auffassung der Vorinstanzen sei der Rechtsweg zulässig. Es stehe dem Begehren auch nicht die Rechtskraft der Außerstreitentscheidung entgegen, weil diese keinen Leistungsbefehl enthalte und der Anspruch der Klägerin daher durch Räumungsklage im Rechtsweg durchzusetzen sei. Der Einwand des Vorliegens einer Benützungsvereinbarung sei unbeachtlich, weil er schon im Verfahren auf Benützungsregelung erhoben, eine solche Vereinbarung aber nicht als erwiesen angenommen worden sei. Die behauptete Geldforderung der Beklagten sei gegen den Räumungsanspruch nicht aufrechenbar, eine Verpflichtung der Beklagten zur Räumung nur Zug um Zug gegen Bezahlung der behaupteten Geldforderung sei nicht gegeben. Der Beklagten stehe in Ansehung der der Klägerin zugewiesenen Teile der Liegenschaft kein Zurückbehaltungsrecht zu.

Das Berufungsurteil bekämpft die Beklagte mit Revision aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Prozeßgericht oder an das Berufungsgericht. Hilfsweise begehrt sie eine Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Die Rechtsmeinung der Beklagten, daß der Entscheidung des Außerstreitrichters keine Bindungswirkung zukomme und daher die von ihr behauptete Benützungsvereinbarung geprüft hätte werden müssen, kann nicht geteilt werden. Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung kommt auch den Verfügungen der freiwilligen

Gerichtsbarkeit - jedenfalls im Streitbereich - materielle Rechtskraft zu (Dolinar, Österreichisches Außerstreitverfahrensrecht, Allgemeiner Teil 151; Fasching LB Rdz 1508; JBl.1974, 268; SZ 44/82 u.a.). Eine rechtskräftige Sachentscheidung des Außerstreitrichters verhindert daher infolge der Bindungswirkung eine neue Beurteilung desselben Streitgegenstandes als Vorfrage in einem Folgeprozeß zwischen denselben Parteien. Jede prozessuale Initiative durch Sachvorbringen oder Beweisanbote, die auf eine neue Beurteilung gerichtet ist, ist daher unstatthaft und zurückzuweisen (Dolinar aaO 147). Dies wurde vom Berufungsgericht richtig erkannt. Eine nachträgliche Tatbestandsänderung wurde im vorliegenden Fall von der Beklagten nicht einmal behauptet. Diese berief sich vielmehr auf eine angeblich bereits vor der Benützungsregelung durch den Außerstreitrichter mit der Klägerin getroffene Benützungsvereinbarung, die sie auch bereits im Außerstreitverfahren dem erhobenen Begehren entgegensetzte. Inwieweit diese einer rechtsgestaltenden Entscheidung des Außerstreitrichters entgegenstand, ist entgegen der Meinung der Revisionswerberin in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Zu Unrecht beruft sich die Revision für ihren gegenteiligen Standpunkt auf die Entscheidungen SZ 17/141, SZ 23/327 und SZ 41/30, weil diese nicht die Bindungswirkung betrafen.

Dem Berufungsgericht ist aber auch darin beizupflichten, daß der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nicht zukommt. Die Beklagte machte eine Zug-um-Zug-Verpflichtung geltend (AS 10). Außerhalb eines Vertragsverhältnisses herrscht der Grundsatz der Zug-um-Zug-Leistung nach § 471 ABGB (Koziol-Welser 7 I 210). Nach dieser Bestimmung steht ein Zurückbehaltungsrecht aber nur demjenigen zu, der zur Herausgabe einer Sache verpflichtet ist. Daraus hat der Oberste Gerichtshof wiederholt abgeleitet, daß ein Retentionsrecht an einem Recht, etwa an einem Gebrauchs- oder Wohnungsrecht nicht in Betracht kommt (SZ 32/137; 3 Ob 134/82; 1 Ob 62/73; vgl. auch SZ 42/162; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 471). Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Miteigentumsgemeinschaft, bei der nach § 833 ABGB den Teilhabern der Besitz insgesamt zukommt. Jeder Teilhaber kann die Sache nach Willkür benützen, soweit nicht andere Miteigentümer ihrerseits Rechte geltend machen. Das Benützungsrecht des einzelnen Miteigentümers bezieht sich nämlich grundsätzlich auf die ganze Sache und findet nur im Mitgebrauch der übrigen seine Schranke (Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 833 mwN). Insoweit ein Teilhaber ein (Mit-)Benützungsrecht des anderen hinnehmen muß, handelt es sich nicht um eine "Herausgabe der Sache" im Sinne des § 471 ABGB. Ein Teilhaber einer gemeinschaftlichen Sache kann sich einem anderen Teilhaber gegenüber daher bei Ausübung des Benützungsrechtes an der gemeinschaftlichen Sache wegen Aufwendungen auf die Sache nicht auf das Retentionsrecht des § 471 ABGB berufen. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO Die Kosten waren jedoch nicht auf der Basis eines Streitwertes von S 300.000,-- zu berechnen. Der Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs.2 ZPO über den Wert des Streitgegenstandes hat lediglich für die Frage der Revisionszulässigkeit Bedeutung, er bildet nicht die Bemessungsgrundlage für den Kostenersatzanspruch der Parteien.

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