Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird im Ausspruch über die Scheidung der Ehe bestätigt, im Kostenausspruch aufgehoben.
Dem Erstgericht wird eine Verfahrensergänzung und Entscheidung über den Antrag der Beklagten aufgetragen, im Urteil auszusprechen, daß der Kläger die Zerrüttung der Ehe überwiegend verschuldet hat.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte zunächst die Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG aus dem Verschulden der Beklagten. Die Beklagte bestritt die ihr angelasteten Eheverfehlungen, beantragte Abweisung des Klagebegehrens und stellte überdies den Antrag, das überwiegende Verschulden des Klägers auszusprechen. Sie lastete dem Kläger an, die Ehewohnung grundlos verlassen zu haben und ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau zu unterhalten. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 30.9.1986 stützte der Kläger sein Scheidungsbegehren subsidiär auf § 55 EheG und bei der Tagsatzung am 3.10.1989 nur mehr auf diesen Scheidungsgrund. Die mündliche Verhandlung wurde bei der letztgenannten Tagsatzung wegen Richterwechsels gemäß § 412 Abs 2 ZPO neu durchgeführt und der gesamte Akteninhalt einverständlich verlesen (AS 37 ON 11).
Das Erstgericht gab dem Scheidungsbegehren statt, weil die häusliche Gemeinschaft seit 6 Jahren aufgehoben ist.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision zulässig ist. Die Beklagte habe weder behauptet, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Kläger treffe noch einen Antrag gestellt, im Urteil auszusprechen, daß der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet habe. Da das Ehescheidungsverfahren nicht mehr vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht werde, habe für das Erstgericht auch keine Veranlassung bestanden, die Beklagte zu einem entsprechenden Vorbringen und zur Antragstellung anzuleiten, zumal sie durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei. Die Beklagte habe nicht einmal Widerspruch gegen das auf § 55 EheG gestützte Scheidungsbegehren erhoben, der im Sinne der bisherigen Rechtsprechung als Verschuldensantrag gewertet werden könnte. Ob ein Antrag auf Klagsabweisung einen solchen Antrag in sich schließe, sei nach den Umständen des Falles zu beurteilen. Die Tendenz der älteren Rechtsprechung sei dahin gegangen, im Zweifel einen Antrag nach § 61 Abs 2 EheG aF bzw § 61 Abs 3 EheG anzunehmen, was mit Billigkeitserwägungen zu begründen sei. Die Entscheidungen ließen sich aber nicht ohne weiteres auf die Rechtslage nach dem Bundesgesetz vom 11.11.1983 über die Änderung des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechtes heranziehen, da der Untersuchungsgrundsatz weggefallen sei. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung EFSlg 54.451 deutlich ausgesprochen, daß der Ausspruch über eine Mitschuld des Klägers im Sinne des § 60 Abs 3 EheG einen entsprechenden Antrag voraussetze. Neuere Entscheidungen, die im Einwand der Beklagten, den Kläger treffe ein Mitverschulden an der Zerrüttung der Ehe, im Zweifel auch einen Mitverschuldensantrag (nach § 60 Abs 3 EheG) erblickten, hätten jeweils Verfahren nach § 49 EheG betroffen. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte zwar dem Scheidungsbegehren nach § 49 EheG einen Mitverschuldensantrag entgegengesetzt, doch lasse sich dieser nicht ohne weiteres einem Antrag nach § 61 Abs 3 EheG gleichsetzen. Mangels eines Sachvorbringens und eines Antrages nach § 61 Abs 3 EheG sei das erstgerichtliche Verfahren mängelfrei, und das Erstgericht habe zu Recht einen Ausspruch im Sinne der obgenannten Gesetzesstelle unterlassen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist teilweise berechtigt.
Die Beklagte hat selbst zugestanden, daß die häusliche Gemeinschaft seit 24.6.1983 aufgehoben ist. Damit sind die Voraussetzungen für eine Scheidung nach § 55 Abs 3 EheG gegeben, mit dem ein absolut wirkender Scheidungstatbestand normiert wurde (SZ 52/140 ua). Insoweit die Revision daher weiterhin eine Abweisung des Scheidungsbegehrens anstrebt, ist sie nicht berechtigt.
Nach § 61 Abs 3 EheG ist, wenn die Ehe nach § 55 EheG geschieden wird und der Kläger die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat, dies auf Antrag des Beklagten im Urteil auszusprechen. Dem Berufunsggericht ist darin beizupflichten, daß ein Ausspruch nach dieser Bestimmung ebenso wie in Ausspruch nach § 60 Abs 3 EheG einen entsprechenden Antrag voraussetzt (Schwind, Eherecht2 Anm 2.2 zu § 61; EFSlg 54.451). Der Antrag muß aber keinen bestimmten Wortlaut haben und auch nicht die Gesetzesstelle benennen; es genügt, daß der Antrag dem Vorbringen der beklagten Partei zweifelsfrei entnommen werden kann (EFSlg 57.205). Inwieweit der Einwand der beklagten Partei, die klagende Partei treffe ein Mitverschulden (EFSlg 57.206), oder ein Widerspruch (JBl 1976, 152; RZ 1981/28) im Hinblick auf den Entfall des Untersuchungsgrundsatzes im Scheidungsverfahren zur Annahme eines Mitverschuldensantrages als ausreichend angesehen werden kann, braucht hier nicht erörtert zu werden. Die Beklagte hat ausdrücklich einen Mitverschuldensantrag dahin gestellt, daß das überwiegende Verschulden den Kläger treffe und auch die entsprechenden Tatumstände vorgetragen (AS 7 f ON 2). Sie hat diesen Antrag nicht nur nicht zurückgezogen; bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 3.10.1989, bei der der Kläger sein Begehren erstmals und ausschließlich auf den absolut wirkenden Scheidungsgrund nach § 55 Abs 3 EheG stützte, wurden infolge Neudurchführung des Verfahrens nach dem Inhalt des Protokolls die bisherigen Parteienerklärungen verlesen, sodaß vielmehr davon auszugehen ist, daß die Beklagte ihren Antrag auch dem auf § 55 Abs 3 EheG gestüzten Scheidungsbegehren entgegensetzte. Es ist daher auch ohne Bedeutung, daß sich die Aussprüche nach § 60 Abs 3 und nach § 61 Abs 3 EheG inhaltlich unterscheiden können und im letztgenannten Fall bloßes Zerrüttungsverschulden genügt. Da es sich bei dem Mitverschuldensantrag um einen Sachantrag handelt (vgl Fasching ZPR Rz 2366), wird das Erstgericht die von der Beklagten behaupteten Tatumstände, auf die sie ihren Antrag gründete, zu prüfen und über den Antrag abzusprechen haben.
Demgemäß ist der Revision teilweise Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.
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