Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.028,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte war im März 1985 Betreiberin von Liftanlagen der "Hochkönig-Schischaukel" in Mühlbach am Hochkönig, zu denen auch der "Tiergartenlift" gehört. Sie ist auch Betreiberin und Halterin der zu diesen Liftanlagen gehörigen Abfahrten und Pisten, darunter der Abfahrt 4a zur Talstation des Tiergartenliftes. Talwärts gesehen links vom unteren Bereich dieser Abfahrt errichtete sie bereits vor März 1985 eine permanente Rennstrecke mit elektrischer Zeitnehmung. Am 5.3.1985 kam es zwischen den Streitteilen zum Abschluß eines Beförderungsvertrages für die Liftanlagen der Beklagten. Am Nachmittag dieses Tages benützte der Kläger die permanente Rennstrecke und kam dabei zum Sturz, stieß gegen eine dort eingerammte Abgrenzungsstange und brach sich dabei beide Oberschenkel. Daß für eine derartige Verletzung ein Schmerzengeld von 165.000 S gerechtfertigt wäre, ist nicht mehr bestritten. Die Vorinstanzen haben dem Kläger unter inzwischen in Rechtskraft erwachsener Abweisung des Mehrbegehrens 123.750 S s.A. zugesprochen. Hiebei gingen sie von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
Die permanente Rennstrecke ist durch ein rotes Plastiknetz von der Publikumsabfahrt abgegrenzt. Dieses Netz ist an Metallstangen aus Duraluminium befestigt. Im Winter 1984/85 verstärkte die Beklagte wegen zum Teil geringer Schneelage und tiefgehenden Bodenfrostes die Befestigung des Netzes dadurch, daß in seinem Verlauf Fichtenstangen in einer Stärke von 8 bis 10 cm in vorgebohrte Löcher eingeschlagen wurden, an die das Plastiknetz ebenfalls befestigt wurde. Eine Absicherung dieser Stangen durch Strohballen oder andere Polster wurde nicht vorgenommen. Auf die Rennstrecke wird schon vor ihrem Erreichen durch ein von der Beklagten angebrachtes Schild hingewiesen. Im Startbereich befinden sich sowohl ein Schild mit Hinweisen über das Befahren der Rennstrecke mit Zeitnehmung als auch der Zeitautomat sowie auf zwei Fichtenstangen ein gelbes Transparent mit der Aufschrift "Start", jedoch kein Hinweis, daß ein Befahren der Rennstrecke nur nach Bezahlung bzw. nach Einwerfen einer Wertmarke erlaubt wäre. Ein Einfahren ist auch neben dem eigentlichen Start ohne Auslösung der Zeitnehmung möglich.
Der Kläger verfügte über durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Schifahrkenntnisse. Er war in der Lage, den angestemmten Parallelschwung zu fahren. Er entschloß sich, die Rennstrecke ohne Einwurf einer Wertmarke und damit ohne Auslösung der Zeitnehmung zu durchfahren. Als er auf einem etwa 60 m langen steileren Stück mit einem Gefälle von rund 40 % knapp vor dem Tor Nr.5 zu einem Linksschwung ansetzen wollte, kam er zum Sturz, der darauf zurückzuführen war, daß der Kläger ein sein Können übersteigendes Tempo gewählt hatte. Durch den Sturz rutschte er ab und prallte seitlich liegend mit den Oberschenkeln gegen eine der oben beschriebenen eingeschlagenen Fichtenstangen. Nach dem Sturz war der Kläger nicht mehr in der Lage, das Sturz- und Abrutschgeschehen zu beeinflussen und bewußt den Anprall an die Stangen zu vermeiden.
Der gesamte Verlauf der Rennstrecke war für den Kläger ab dem Start bis über die spätere Unfallstelle hinaus unbehindert einsehbar. Die Stange mit einem Durchmesser von 8 bis 10 cm ist als ein besonderes Hindernis anzusehen. Eine Absicherung dieser Stange wäre mit relativ kleinen Schaumgummimatten oder auch mit Strohballen oder Strohsäcken möglich gewesen. Es ist nicht auszuschließen, daß nicht auch bei einer solchen Absicherung eine Verletzung des Klägers eingetreten wäre, jedoch ist die Gefahr wesentlich größer, wenn die Stangen nicht abgesichert sind, weil ein Unterschied zwischen dem Anprall auf einen harten einerseits und einen gepolsterten Gegenstand andererseits besteht. Bei einer Absicherung mit einer dicken Polsterung ist das Auftreten von Brüchen, wie sie der Kläger erlitt, eher unwahrscheinlich. Bei einer etwa manschettenartigen Polsterung wäre wahrscheinlich ein ähnliches Verletzungsergebnis eingetreten. Würde ein Strohballen in einer Breite von etwa 40 bis 50 cm als Absicherung aufgestellt, so könnte ein Bruch dadurch auftreten, daß ein Schifahrer gegen die Ecke dieses Ballens prallt. Rechtlich führten die Vorinstanzen im wesentlichen aus, infolge Abschlusses eines Beförderungsvertrages mit dem Kläger hafte die Beklagte diesem für jedes Verschulden. Sie wäre zu einer sachgemäßen Absicherung der von ihr betriebenen Pisten verpflichtet gewesen. Hiebei dürfen allerdings die Anforderungen nicht überspannt werden. An eine "permanente Rennstrecke" müssen jedoch höhere Anforderungen als an andere Pisten gestellt werden, weil man mit einem anderen Fahrverhalten des Benützers rechnen müsse als sonst. Hiebei spiele es keine Rolle, ob der Benützer durch Einwurf einer Wertmarke die Zeitnehmung ausgelöst habe oder nicht, weil die Benützung nicht von der Entrichtung eines gesonderten Entgeltes abhängig gemacht worden sei. Im Hinblick auf die mit dem Betrieb einer derartigen Rennstrecke verbundenen erhöhten Gefahren müsse von der Beklagten auch eine Absicherung der von ihr ohne offensichtliche Notwendigkeit aufgestellten Holzstangen verlangt werden. Die Tatsache, daß eine solche Absicherung eine Verletzung nicht unter allen Umständen ausgeschlossen hätte, spiele keine Rolle, weil der Kläger nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Kausalität der Unterlassung der Beklagten für seine Verletzung beweisen hätte müssen. Dieser Beweis sei ihm gelungen. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, den Beweis dafür zu erbringen, daß trotz der überwiegenden Wahrscheinlichkeit die Kausalität auszuschließen sei. Einen solchen Beweis habe sie nicht erbracht. Die Tatsache, daß der Kläger eine für sein Können zu hohe Geschwindigkeit gewählt habe, schließe die Haftung der Beklagten nicht aus, sondern führe nur zu einem den Anspruch kürzenden Mitverschulden. Dieses sei jedoch wesentlich geringer als das Verschulden der Beklagten. Es sei nur mit einem Viertel anzunehmen.
Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.
Daß derjenige, der mit einem Liftbenützer einen Beförderungsvertrag abschließt, seinem Vertragspartner gegenüber für jedes Verschulden bei Verletzung seiner Pflicht zu entsprechender Absicherung der von ihm erkennbar zur Verfügung gestellten Schipisten haftet, ist ständige Judikatur (SZ 53/143, ZVR 1988/142 ua.). Bei der Beurteilung der Frage, welche Maßnahmen der Pistenerhalter zu treffen hat, ist auf die Zumutbarkeit Bedacht zu nehmen (ZVR 1982/268 ua.). Ein besonders gesicherter Sturzraum für einen Schifahrer, der schnell fährt und unkontrolliert über den Pistenrand hinausgerät, muß im allgemeinen nicht gewährleistet werden (ZVR 1988/142 ua.). Jeder Schifahrer muß sein Fahrverhalten so einrichten, daß er selbst bei ungünstigen Bedingungen nicht über den Pistenrand hinausfährt. Im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht sind die Pistenerhalter und ihre Leute grundsätzlich verpflichtet, dort entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wo den Schifahrern durch nicht oder schwer erkennbare Hindernisse Gefahren drohen (JBl. 1981, 481 = EvBl. 1981/169, ZVR 1988/158 ua.). Das Ausmaß der Sicherungsvorkehrungen auf einer Schipiste richtet sich nach der Art der Gefahrenquelle. Künstlich geschaffene Hindernisse und Gefahrenquellen sind zu entfernen oder doch so kenntlich zu machen, daß sie für den vernünftigen Durchschnittsfahrer auch bei schlechten Sichtverhältnissen keine besondere Gefahr darstellen (ZVR 1984/176, VersR 1989, 539 ua.).
Der Revision ist zuzugeben, daß der Oberste Gerichtshof in einer in diesem Punkt vereinzelt gebliebenen Entscheidung (ZVR 1988/142) ausgesprochen hat, daß bezüglich permanenter Rennstrecken keine anderen Grundsätze als für sonstige Schipisten zu gelten haben. Diese Entscheidung wurde jedoch nach Ansicht des erkennenden Senates von Pichler zu Recht kritisiert. Die permanente Rennstrecke wird leistungsbereiten Schifahrern als spezieller Rennkurs zur Verfügung gestellt, wo der Benützer nach Sinn und Zweck der Anlage nicht kontrolliert fahren muß, sondern grundsätzlich die Grenze seiner schisportlichen Leistungsfähigkeit ausloten darf. Der Benützer einer solchen Rennstrecke ist ein "Rennläufer", der seine sportliche Leistungsfähigkeit auch mit der Leistung anderer vergleichen kann, wozu er vom Rennstreckenerhalter geradezu aufgefordert wird. Wenn er sich dem Zweck einer solchen Anlage entsprechend verhalten will, muß er sich voll auf seinen Lauf um die Tore konzentrieren, um eine möglichst hohe Geschwindigkeit durch richtiges Anfahren der Tore und Schneiden der Schwünge zu erreichen. Er darf darauf vertrauen - solange Gegenteiliges nicht offensichtlich ist - daß atypische objektive Gefahrenquellen nicht vorhanden sind (Pichler, ZVR 1988, 314). Während bei normalen Schipisten vom Erhalter lediglich ein bestimmter Raum für jedermann zur Verfügung gestellt wird, wobei klar erkennbar ist, daß der Erhalter für das Können und Verhalten der Benützer keinerlei Verantwortung übernehmen will, fordert bei den permanenten Rennstrecken der Erhalter geradezu zum riskanten Fahren auf. Dies muß aber beim Benützer den Eindruck erwecken, daß der Erhalter wesentlich größere Sorgfalt bei der Absicherung derartiger Pisten an den Tag legt, als dies sonst bei Schipisten der Fall ist. Die Anforderungen an den Erhalter werden demnach wesentlich strengere sein als bei sonstigen Pisten. Ob auch hier der Grundsatz gilt, daß diese Anforderungen nicht derart überspitzt werden dürfen, daß das Zurverfügungstellen permanenter Rennstrecken grundsätzlich ausgeschlossen wird, muß nicht weiter erörtert werden. Dem Erhalter muß aber von vornherein klar sein, daß er durch das Zurverfügungstellen einer derart bezeichneten Piste ein wesentlich größeres Risiko in Kauf nimmt und man demnach von ihm erheblich größere Anstrengungen im Hinblick auf Pistensicherung verlangt, als dies sonst der Fall wäre. Ob dies in allen Fällen dazu führt, daß der Pistenerhalter verpflichtet ist, jeden am Pistenrand stehenden Baum abzusichern, muß hier nicht entschieden werden. Im vorliegenden Fall hat nämlich die Beklagte durch das Aufstellen von Holzstangen zusätzliche Gefahrenquellen geschaffen, weshalb ihr eine Absicherung dieser Quellen zugemutet werden konnte. Dazu kommt, worauf das Berufungsgericht richtig verweist, daß es sich im vorliegenden Fall um keine besonders lange Piste gehandelt hat, weshalb die Absicherung der von der Beklagten aufgestellten Stangen, vor allem dort, wo die Sturzgefahr eine große ist, nämlich wo mit Schwüngen im relativ steilen Gelände bei Toren gerechnet werden muß, verlangt werden kann.
Der erkennende Senat schließt sich also, ebenso wie das Berufungsgericht, der von Pichler in der zitierten Kritik vertretenen Ansicht an. Damit ergibt sich aber, daß die Beklagte zu einer besonderen Absicherung verpflichtet gewesen wäre. Die grundsätzlich erhöhte Sicherungspflicht der Beklagten hinsichtlich permanenter Rennstrecken wird im vorliegenden Fall auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger keine besondere Gebühr für die Benützung dieser Strecke entrichtet hat. Dies wäre höchstens dann der Fall, wenn der Kläger sich den Zutritt zu dieser Strecke rechtswidrig erschlichen hätte. Dies ist aber hier nicht geschehen, weil die Strecke so angelegt ist, daß sie ohne weiters auch ohne Entrichtung einer besonderen Gebühr benützt werden kann. Die Beklagte hat auch keinen Hinweis auf eine besondere Gebührenpflicht angebracht. Demnach konnte für die Vertragspartner der Beklagten nur der Eindruck entstehen, daß die besondere Gebühr nicht für die Benützung der Strecke an sich, sondern nur für das Zurverfügungstellen der automatischen Zeitnehmung zu entrichten sei, während die Strecke auch ohne Entrichtung einer Gebühr benützt werden darf.
Auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes bezüglich der Beweislastverteilung ist richtig. An einen für die Haftungsbegründung erforderlichen Kausalitätsbeweis dürfen keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden, weshalb der Beweis eines sehr hohen Wahrscheinlichkeitsgrades, besonders bei Unterlassungen, genügt (SZ 56/181, JBl. 1988, 244 ua.). Der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, daß überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schade sei durch das Verhalten, insbesondere die Unterlassung der Beklagten herbeigeführt worden. Sache der Beklagten ist es in einem solchen Fall, um sich von der Haftung zu befreien, nachzuweisen, daß nicht ihr Verhalten, sondern eine andere Ursache den Schaden zumindestens ebenfalls wahrscheinlicherweise ausgelöst hat (JBl. 1986, 576, ZVR 1984, 246 ua.).
Im vorliegenden Fall steht fest, daß mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Absicherung der Stangen zu einer Vermeidung oder zumindest wesentlichen Verminderung der Schäden des Klägers geführt hätte. Den Gegenbeweis dafür, daß dieser Schaden im selben Umfang auch bei entsprechender Absicherung der Holzstangen entstanden wäre, hat die Beklagte nicht erbracht.
Was die Verschuldensaufteilung anlangt, kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Die Beklagte hat durch das Zurverfügungstellen einer permanenten Rennstrecke geradezu zum riskanten Fahren aufgefordert. Wer eine solche Strecke zur Verfügung stellt, muß damit rechnen, daß diese auch Personen mit geringerem schifahrerischen Können benützen. Demgegenüber fällt die Überschätzung seines Könnens durch den Kläger nur gering ins Gewicht. Den Vorinstanzen kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Verschulden der Beklagten an dem Unfall mit 3/4 bewertet haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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