OGH 7Ob67/10v

OGH7Ob67/10v21.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** M*****, vertreten durch Dr. Friedrich Reiter, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in Landeck, wegen 47.377,87 EUR (sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. Februar 2010, GZ 1 R 20/10s-134, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin unterzog sich am 1. 3. 1999 im Bezirkskrankenhaus S***** in Z*****, dessen Rechtsträgerin die Beklagte ist, einer Operation. Dabei unterlief dem Operateur ein ärztlicher Kunstfehler. Aufgrund des Urteils des Landesgerichts Innsbruck vom 16. 7. 2003 steht rechtskräftig fest, dass die Beklagte der Klägerin „für sämtliche künftige nicht voraussehbare Folgen“ aus dieser Operation haftet.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin weiteres Schmerzengeld und zusätzliche Heilungskosten. Sie habe sich (zufolge des Kunstfehlers vom 1. 3. 1999) weiteren Operationen unterziehen müssen. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr der Einwand der Beklagten, die Ansprüche seien verjährt. Die Vorinstanzen haben diesen Einwand unter Hinweis auf das Feststellungsurteil vom 16. 7. 2003 verworfen. Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Die Revisionswerberin ist gegenteiliger Ansicht: Die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts sei zulässig, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Frage der Verjährung höchstgerichtlicher Judikatur widerspreche. Durch Feststellungsklagen werde die Verjährung nur hinsichtlich vorhersehbarer Verletzungsfolgen unterbrochen. Für nicht vorhersehbare Verletzungsfolgen sei keine Feststellungsklage nötig; hier trete keine Verjährung ein. Da laut dem Feststellungsurteil vom 16. 7. 2003 nur für unvorhersehbare Verletzungsfolgen gehaftet werden solle, „greife“ dieses Urteil nicht. Damit vermag die Revisionswerberin aber einen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels nicht aufzuzeigen:

Nach ständiger Rechtsprechung beginnt die dreijährige Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche nicht vor dem tatsächlichen Schadenseintritt (dem Eintritt eines Primärschadens). Mit dessen positiver Kenntnis beginnt sie aber auch schon dann zu laufen, wenn der Geschädigte die Schadenshöhe noch nicht beziffern kann, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt sind oder diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind (RIS-Justiz RS0050338). Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte, dem schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (RIS-Justiz RS0097976; vgl auch RS0050338). Richtig hat die Revisionswerberin demnach erkannt, dass eine Feststellungsklage also nur die drohende Verjährung künftiger, aber schon vorhersehbarer Schäden verhindern soll, während hinsichtlich nicht vorhersehbarer Spätschäden die erwähnte Verjährungsproblematik gar nicht besteht. Deshalb kann ungeachtet der Formulierung des Spruchs des Feststellungsurteils („künftige nicht voraussehbare Folgen“) nicht angenommen werden, die Haftung für künftige Schäden der Klägerin sei auf Spätfolgen aus noch gar nicht vorhersehbaren, vorfallskausalen Schadensereignissen eingeschränkt worden. Dies wird auch aus den für die Auslegung der Tragweite des Urteilsspruchs heranzuziehenden Entscheidungsgründen (RIS-Justiz RS0000300) des Feststellungsurteils deutlich: Wird doch dort die Berechtigung des Feststellungsbegehrens damit begründet, dass „bei der Klägerin derzeit nicht vorhersehbare Spätfolgen (etwa im Zusammenhang mit einer Rekonstruktionsoperation) nicht auszuschließen sind“. Damit ist klargestellt, dass schon damals an die Notwendigkeit einer weiteren Operation gedacht wurde. Dass mit „nicht vorhersehbaren Folgen“ nicht gemeint war, dass etwa die künftige Schadensursache (die Operation) nicht vorhersehbar sein dürfe, sondern sich dieser Ausdruck darauf bezog, dass die mit der erwarteten künftigen Operation verbundenen Schmerzen noch nicht vorhersehbar seien, liegt auf der Hand. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Ansprüche seien zufolge des Feststellungsurteils vom 16. 7. 2003 nicht verjährt, stellt daher keineswegs eine „mit höchstgerichtlichen Entscheidungen in Widerspruch stehende“ Fehlbeurteilung dar.

Da eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen ist, ist die außerordentliche Revision der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

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