European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00607.840.1011.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte der Klägerin für alle in Zukunft entstehenden Schäden, die dieser aus der Inanspruchnahme ihrer Haftung für die Schäden, die durch mangelhafte und unsachgemäße Ausführung von Arbeiten durch die Beklagte entstehen, ersatzpflichtig sei. Zunächst hatte die Klägerin auch ein Leistungsbegehren auf Zahlung von 259.519,70 S sA (Ausdehnung AS 21) gestellt; in der Tagsatzung vom 10. 1. 1984 hat sie ihr Begehren jedoch um das gesamte Leistungsbegehren auf das Feststellungsbegehren eingeschränkt (AS 137). Die Klägerin bringt vor, sie habe für eine Baustelle der V***** in M***** zur Herstellung des Daches Isoliermaterial geliefert. Die Isolierungs‑ und Bedachungsarbeiten seien von der Fa J***** mbH in A*****, ausgeführt worden. In der Folge hätten sich Mängel an dem von der Klägerin gelieferten Material gezeigt, sodass sie im Rahmen der gegebenen Gewährleistung haftbar gemacht worden sei. Mit der Durchführung der Garantiearbeiten habe die Klägerin die Beklagte beauftragt. Nach den Vertragsbedingungen hafte die Beklagte für die Dauer von zwei Jahren ab Abnahme der Arbeit für Mangelfreiheit. Innerhalb dieser Frist seien laufend Wasserschäden aufgetreten und reklamiert worden, weil die Beklagte durch unfachgemäße Vorgangsweise an verschiedenen Stellen des Daches die Dachfolie beschädigt habe. Zufolge der Eindeckung des Daches sei nicht ersichtlich, an wie vielen Stellen und wo überall Beschädigungen vorhanden seien. Die Schäden würden immer erst dann offenbar, wenn ein Wasserschaden auftrete. Da die Klägerin der Bauherrschaft gegenüber hafte, sei sie mit den Kosten für die jeweiligen Schadensbehebungsarbeiten belastet worden. Die Beklagte sei weder zu einem Schadensbesichtigungstermin erschienen, noch habe sie Ersatz geleistet. Die Klägerin bezifferte die Kosten der bisherigen Behebungsarbeiten in der Klage mit 58.796,84 S und in der Folge (AS 21) mit 259.519,70 S. Sie macht geltend, dass auch in Zukunft Ersatzforderungen, für die die Beklagte verantwortlich und haftbar sei, zu erwarten seien und dass der Kläger daher ein Schaden in derzeit nicht voraussehbarem Ausmaß erwachsen werde. Die Klägerin habe daher ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Schäden aus deren mangelhaften und unsachgemäßen Arbeiten.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, sie habe sämtliche Arbeiten ordnungsgemäß durchgeführt und sei für Wassereintritte nicht verantwortlich.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt und traf folgende Feststellungen:
Die V***** errichteten in M***** eine Wohnhausanlage, die 1976 fertiggestellt wurde. Die Dachdeckerarbeiten wurden von der Firma Gerald J*****, durchgeführt. Die Dächer – es handelt sich um gefällelose, teilweise begehbare Flachdächer – wurden durch eine Lage Bitumen‑Flämmbahn als Unterlage und eine Lage 1 mm dicke Pegelen‑Kunststofffolie abgedichtet. Darauf wurden als Wärmedämmung 8 cm dicke Awapor‑ und darüber 5 cm dicke Waschbetonplatten verlegt. Die Anschlussbereiche zur Attika wurden ca 20 cm breit mit einer Kiesschüttung der Körnung 16 bis 32 mm versehen. Zum Schutz der Folie wurde unterhalb der Kiesschichte ein Dachpappestreifen eingelegt; im Bereich des Hochzuges erfolgte eine Abdeckung mit einer ca 20 cm breiten verzinkten Blechschürze. Die bei der Klägerin bezogenen Wärmedämmplatten (Awaporplatten) haben den an sie gestellten Anforderungen nicht entsprochen, die Wärmedämmung war unzureichend. Die Klägerin wurde daher von der Fa J***** dazu verhalten, für den nachträglichen Einbau einer ausreichenden Wärmedämmung zu sorgen. Sie beauftragte im Sommer 1980 die Beklagte mit den Sanierungsarbeiten. Die Arbeiten wurden im Spätsommer/Herbst 1980 durchgeführt, wobei jeweils 7 bis 10 Arbeiter der Beklagten im Einsatz waren und der Geschäftsführer der Beklagten sich an jedem zweiten Tag auf der Baustelle aufhielt. Die Beklagte nahm die Waschbetonplatten ab und entfernte die in den Randbereichen befindliche Kieslage mit Schaufeln. Dann wurde auf die Awapor‑Wärmedämmschächt eine Lage 7 cm dicke Styroturplatten verlegt, und zwar bis in den Randbereich. Dabei wurden einige dieser Platten von Arbeitern der Beklagten unfachmännisch derart verlegt, dass sie die im Hohlkehlenbereich nicht aufliegende Folie sofort oder nach einer späteren (vorhersehbaren) Belastung durchlöcherten. Außderdem wurden nicht alle Schottersteinchen entfernt. Einige kamen unter die Styroturplatten zu liegen, wurden durch deren Gewicht in die Folie eingedrückt und führten so zu Undichtheiten. Sie werden auch weiterhin zu Undichtheiten führen. Außerdem haben Arbeiter der Beklagten beim Wegschaufeln des Schotters die Folie, insbesonders in dem nicht einsehbaren Bereich unter den Abdeckflächen, durchlöchert. Aufgrund dieser Schadstellen in der Folie ist es bereits zu Wassereintritten und zu damit verbundenen Schäden gekommen. In Zukunft sind weitere derartige Vorkommnisse zu erwarten. Es ist aber auch aus anderen, von der Beklagten nicht zu vertretenden Gründen zu Wassereintritten gekommen, bzw wird es auch zu solchen noch kommen.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass die Beklagte wegen der von ihr unfachgemäß durchgeführten Garantiearbeiten der Klägerin gegenüber grundsätzlich für die dadurch verursachten Schäden zu haften habe. Diese Schäden seien allerdings noch nicht im Vermögen der Klägerin eingetreten „oder“ es stehe ihre Höhe noch nicht fest. Die Voraussetzungen für ein Feststellungsbegehren lägen daher vor.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts mit der Maßgabe, es werde festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin für alle in Zukunft entstehenden Schäden zu haften habe, die der Klägerin aus der Inanspruchnahme ihrer Haftung für die Schäden, die durch die mangelhafte und unsachgemäße Ausführung der Arbeiten durch die Beklagte im Auftrag der Klägerin im Sommer und Herbst 1980 in der Wohnanlage der V***** (V*****) in M***** enstanden seien. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und dass die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und teilte dessen rechtliche Beurteilung. Das Feststellungsbegehren der Klägerin beziehe sich nur auf alle in Zukunft entstehenden, nicht aber auf die bereits entstandenen Schäden. Es stehe fest, dass in Zukunft weitere Wassereintritte, deren Verursacher die Beklagte sei, zu erwarten seien. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung sei unter anderem bei drohender Verjährung zu bejahen. Der Verjährung des Ersatzanspruchs bei künftigen, vorausehbaren Schäden könne nur durch die Feststellungsklage begegnet werden. Habe deshalb auch die Klägerin das Leistungsbegehren fallen gelassen, weil sie die gegen sie erhobenen Ansprüche noch nicht beglichen habe, hindere dies doch nicht die Aufrechterhaltung des Feststellungsbegehrens. Das Feststellungsinteresse sei auch dann gegeben, wenn, wie hier, ein Dritter wegen des Verhältnisses zwischen Kläger und Gegner die Erhebung von Schadenersatzansprüchen androhe. In der Berufung werde ausdrücklich zugestanden, dass die Fa J***** Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin, ihren Vertragspartner, gestellt habe. Die Ansicht der Beklagten, die Klägerin hätte ihr die Mängel rechtzeitig anzeigen und sie zur Verbesserung auffordern müssen, sei verfehlt. Die Verbesserungsarbeiten seien von der Fa J***** durchgeführt worden, die die Klägerin zur Zahlung der Kosten dieser Arbeiten aufgefordert habe. Die Klägerin stütze ihr Begehren deshalb ausdrücklich auf den Titel des Schadenersatzes. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO seien gegeben, zumal hinsichtlich der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens bei nicht gleichzeitiger Geltendmachung eines Leistungsbegehrens auch eine gegenteilige Entscheidung des Höchstgerichts existiere.
Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts mit Revision. Sie macht als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung iSd § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO geltend und stellt den Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Da eine Revision, soweit sie nicht schon nach § 502 Abs 2 und 3 ZPO unzulässig ist und der Streitwert, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert 300.000 S nicht übersteigt (§ 502 Abs 4 Z 2 ZPO), nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nur dann zulässig ist, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist, war vorerst zu prüfen, ob die genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision vorliegen. Das Revisionsgericht ist bei dieser Prüfung an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).
Das Berufungsgericht hat sich bei Begründung seines Ausspruchs über die Zulassung der Revision im Wesentlichen darauf beschränkt, den Wortlaut des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zu zitieren und hat im besonderen lediglich darauf hingewiesen, dass „hinsichtlich der Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens bei nicht gleichzeitiger Geltendmachung eines Leistungsbegehrens auch eine gegenteilige Entscheidung des Höchstgerichtes“ existiere.
Die Frage aber, ob bei bloß teilweiser Fälligkeit von Schadenersatzansprüchen auf Leistung des bereits fällig gewordenen Forderungsteils zu klagen und ein Feststellungsinteresse in diesem Umfang auszuschließen ist (JBl 1956, 121; im gleichen Sinn EvBl 1966/341, ZVR 1978/81 ua; vgl dagegen Fasching , Lehrbuch, Rdz 1101), stellt sich im vorliegenden Verfahren gar nicht. Das von der Klägerin gestellte Feststellungsbegehren bezeiht sich nämlich ausdrücklich nur auf künftige Schäden, das heißt auf solche, die im Zeitpunkt der Erhebung des Feststellungsbegehrens noch nicht fällig waren (SZ 54/99, 8 Ob 214/79). Ein Feststellungsbegehren bezüglich der Ersatzpflicht des Beklagten für alle künftigen Schäden ist aber im Sinne der ständigen Rechtsprechung selbst bei Möglichkeit einer teilweisen Leistungsklage zulässig, wenn nur die Möglichkeit solcher Schäden aus dem bereits eingetretenen Schadensereignis nicht ausgeschlossen werden kann (SZ 49/66 ua). Dass es aufgrund von Schadstellen in der Folie, die Arbeiter der Beklagten verschuldet haben, bereits zu Wassereintritten in den darunterliegenden Wohnungen und zu damit verbundenen Schäden gekommen ist und dass in Zukunft weitere derartige Vorkommnisse zu erwarten sind, wurde ebeno festgestellt wie, dass es auch aus anderen, von der Beklagten nicht zu vertretenden Gründen zu Wassereintritten gekommen ist und noch kommen wird. Macht die Beklagte geltend, das Feststellungsbegehren wäre (zwar), soweit es in Zukunft möglicherweise auftretende Schäden betreffe, aufgrund der Ungewissheit und Unbestimmtheit des Schadensbetrags gerechtfertigt gewesen, „jedoch nur im Hinblick auf eine exakte Abgrenzung der möglichen Schadensursachen“ ist ihr entgegenzuhalten, dass eine Abgrenzung dahin, dass die Beklagte (nur) für Schäden haftet, die durch die mangelhafte und unsachgemäße Ausführung der Arbeiten durch die beklagte Partei ... entstanden sind, im Spruch des Urteils ohnedies vorgenommen wurde.
Im Urteil des Berufungsgerichts wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich das Feststellungsbegehren der Klägerin nach seinem Wortlaut ausdrücklich nur auf alle in Zukunft entstehenden, nicht aber auf die bereits entstanden Schäden bezieht. Den Revisionsausführungen, es werde durch das Gutachten des Sachverständigen unmissverständlich dargelegt, dass durch die beklagte Partei ein Schaden in der Höhe von 215.125 S (bereits) entstanden sei, sodass die Klägerin zumindest in diesem Umfang mit einem Leistungsbegehren gegen die Beklagte hätte vorgehen können, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Feststellungsklage auch bei Möglichkeit der Leistungsklage zulässig ist, wenn die bereits erwähnten Voraussetzungen vorliegen.
Da die Klägerin einen Schadenersatzanspruch geltend macht, hat das Berufungsgericht mit Recht den Standpunkt vertreten, es seien Feststellungen darüber entbehrlich, ob die Klägerin der Beklagten die gegenständlichen Mängel rechtzeitig angezeigt und sie zur Verbesserung aufgefordert habe.
Es ergibt sich, dass die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von der Lösung einer iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt. Die Revision war deshalb als unzulässig zurückzuweisen.
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