Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Mutter ist österreichische Staatsangehörige, der Vater schwedischer Staatsbürger. Das Kind besitzt beide Staatsbürgerschaften und wohnt bei der Mutter in Tulln.
Die Vorinstanzen teilten die Obsorge für das Kind allein der Mutter zu, nachdem sowohl die Mutter als auch der Vater die Aufhebung der gemeinsamen Obsorge der Eltern beantragten und jeweils einen Antrag auf Übertragung der alleinigen Obsorge stellten. Das einst bestehende Einvernehmen bezüglich der Ausübung der Obsorge sei auf Grund des Konflikts zwischen den Eltern nicht mehr gegeben. Dieser Umstand stehe einer weiteren gemeinsamen Ausübung der Obsorge und dem Kindeswohl entgegen. Da eine vorrangige emotionale Bindung des Kindes zur Mutter bestehe und das Kind erklärt habe, im Haushalt der Mutter bleiben zu wollen, entspreche die Betrauung der Mutter mit der alleinigen Obsorge dem Kindeswohl.
In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem er entsprechend seinem Rekursantrag die Abweisung des Obsorgeantrags der Mutter anstrebt, hilfsweise einen Aufhebungsantrag stellt, vermag der Vater keine erhebliche Rechtsfrage nach § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Zuständigkeit des österreichischen Gerichts ergibt sich aus Art 8 Abs 1 Brüssel IIa-VO (so Fucik in iFamZ 2012, 47 [Anm zu 5 Ob 163/11y]) und Art 1 Abs 1 lit a iVm Art 5 Abs 1 KSÜ (so 5 Ob 163/11y = iFamZ 2012/35 [insofern krit Fucik]). Nach beiden Tatbeständen sind die Gerichte des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zuständig.
Zutreffend hat das Rekursgericht ausgeführt, dass sich das auf Änderungen (Eingriffe) des Obsorgeverhältnisses anzuwendende Recht aus Art 1 Abs 1 lit b iVm Art 15 Abs 1 KSÜ ergibt. Demnach hat der zuständige Vertragsstaat sein eigenes Recht anzuwenden. Gemäß Art 15 Abs 1 KSÜ wenden also die österreichischen Gerichte bei Ausübung ihrer Zuständigkeit auf Maßnahmen der elterlichen Verantwortung österreichisches Recht an (5 Ob 163/11y mwN = EvBl 2012/16 [zust Verschraegen] = iFamZ 2012/35 [insofern zust Fucik]).
2. Sind beide Eltern nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung ihrer Ehe mit der Obsorge betraut und beantragt ein Elternteil die Aufhebung dieser Obsorge, so hat das Gericht, wenn es nicht gelingt, eine gütliche Einigung herbeizuführen, nach Maßgabe des Kindeswohls einen Elternteil allein mit der Obsorge zu betrauen (§ 177a Abs 2 ABGB). Eine Aufrechterhaltung der Obsorge beider Eltern (auch nur in einem Teilbereich) ist gegen den Willen eines Elternteils ausgeschlossen. Ein auf die Aufhebung dieser Obsorge gerichteter Antrag eines Elternteils bedarf daher keiner Begründung; es genügt der durch die Antragstellung zum Ausdruck gebrachte Wegfall des Willens eines Elternteils zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen Obsorge. Die Entscheidung, welcher Elternteil mit der alleinigen Obsorge zu betrauen ist, hängt allein vom Kindeswohl ab. Gegen diese Bestimmung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (3 Ob 27/12k; RIS-Justiz RS0120492).
Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl maßgebend, wobei nicht nur von der momentanen Situation ausgegangen werden darf, sondern auch Zukunftsprognosen zu stellen sind (RIS-Justiz RS0048632). Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist eine solche des Einzelfalls, der in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zukommt, wenn dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde (RIS-Justiz RS0007101; RS0115719). Eine diesbezüglich vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor, weil der hier festgestellte Sachverhalt eine günstigere Zukunftsprognose für die Übertragung der alleinigen Obsorge an die Mutter ergibt.
3. Die vom Vater angeführte Entscheidung des EGMR vom 3. 2. 2011 (Sporer gegen Österreich, NL 2011, 35) betrifft einen anderen Sachverhalt; dort ging es um die Obsorge für ein außerehelich geborenes Kind und das Fehlen der gesetzlichen Möglichkeit einer gemeinsamen Obsorge der Eltern. Im vorliegenden Fall bestand eine Regelung über die gemeinsame Obsorge, diese scheiterte aber. Soweit der Vater dem EGMR eine „Fehlinterpretation“ der österreichischen Rechtslage unterstellt und dessen Überprüfung anregt, „ob unter Zugrundelegung der österreichischen Rechtslage hinsichtlich der Obsorgeregelung eine Diskriminierung und damit auch eine Verletzung des Rechts auf Wahrung des Familienlebens vorliegt“, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.
4. Der vom Vater gerügte Verfahrensmangel, der in der Unterlassung der von ihm geforderten Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens liegen soll, wurde bereits vom Rekursgericht verneint und kann daher auch nach der zum neuen AußStrG ergangenen Judikatur keinen Revisionsrekursgrund bilden (RIS-Justiz RS0050037). Die Voraussetzungen für die Durchbrechung dieses Grundsatzes aus Gründen des Kindeswohls (RIS-Justiz RS0050037 [T4]) liegen nicht vor.
5. Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes ist der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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