Spruch:
Der Erzeuger, der vom Erstkäufer ohne besondere Abrede zur Erfüllung seiner Leistungspflicht gegenüber dem Zweitkäufer herangezogen wird ("Streckengeschäft"), ist Erfüllungsgehilfe des Erstkäufers. Dieser haftet aber selbst für Arglist des Erzeugers nicht, wenn der Zweitkäufer die Verpflichtung zur Prüfung der Ware übernommen hat
OGH 4. März 1982, 7 Ob 575/81 (OLG Graz 7 R 180/80; LG Klagenfurt 24 Cg 24 Cg 280/79)
Text
Der Kläger handelt als Inhaber der nicht protokollierten Firma A, Export, Import, vornehmlich mit rohen Lebensmitteln, Früchten und auch mit Schnecken. Der Beklagte befaßt sich hingegen seit 1965 mit dem Ein- und Verkauf von Waldprodukten.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger vom Beklagten die Zahlung von 414 874 S samt Anhang. Der Beklagte habe von ihm 18 038 kg Weinbergschnecken gekauft, die Ware am 8. 5. 1978 in Z (Jugoslawien) übernommen und der jugoslawischen Lieferfirma M den Erhalt der quantitativ und qualitativ einwandfreien Ware bestätigt. Es sei vereinbart worden, daß der Beklagte die Ware in Jugoslawien zu übernehmen und die Übernahme zu überwachen habe. Den vom Kläger für die Weinbergschnecken in Rechnung gestellten Kaufpreis in der Höhe des Klagsbetrages habe der Beklagte nicht bezahlt.
Der Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, er hätte mit dem Kläger die Lieferung von kalibrierten Weinbergschnecken mit einem Durchmesser von 28 bis 38 mm vereinbart. Bei der Übernahme in Z habe er die Schnecken stichprobenweise überprüft und dabei keine Mängel festgestellt.
Bei einer neuerlichen Kontrolle am 9. 5. 1978 habe sich jedoch herausgestellt, daß die in den Kisten tiefer gelagerten Schnecken unterkalibriert und verdorben gewesen seien. Der Beklagte sei daher arglistig in Irrtum geführt worden. Sofort nach der Entdeckung dieser Mängel habe der Beklagte sowohl beim Kläger als auch bei der jugoslawischen Lieferfirma reklamiert. Da sich der Kläger zur Zurücknahme der Ware bereit erklärt habe, stehe ihm gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises nicht zu.
Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens.
Nach seinen Feststellungen importierte der Kläger im Jahre 1979 500 t Schnecken aus Jugoslawien. Die Übernahme der Schnecken besorgte er stets an Ort und Stelle, weil es üblich ist, derartige Waren schon am Ort der Übergabe bzw. der Übernahme auf ihre Quantität und Qualität zu prüfen. Hiebei hat der Kläger stets zirka jede zehnte Steige in eine andere umgeschüttet, um die darin enthaltene Ware komplett prüfen zu können. Der Kläger konnte sich daher immer von der Qualität der Schnecken überzeugen, so daß es nie zu Schwierigkeiten gekommen ist. Als der Beklagte im Spätwinter 1977/78 mit dem Kläger bekannt wurde, zeigte er Interesse am Einkauf von Weinbergschnecken. Im März oder April 1978 verhandelten der Kläger, der Beklagte und dessen Frau mit den Angestellten der Firma J in M, Eugen S und Zora T, über den Ankauf von Weinbergschnecken. Hiebei kam man überein, daß der Kläger die Schnecken bei der Firma J "für den Beklagten" kauft, daß es aber dessen Sache sei, die Schnecken bei der Lieferfirma M in Z zu übernehmen, dort als Letztabnehmer sowohl die Quantität als auch die Qualität der Ware zu prüfen und deren Übernahme zu bestätigen. Nach dem zwischen dem Kläger und der Firma J errichteten, auch dem Beklagten zugekommenen Schlußbrief vom 4. Mai 1978 verkaufte diese dem Kläger zirka 20 000 kg lebende Weinbergschnecken, kalibriert mit einem Durchmesser von 26 bis 40 mm zu einem Kilopreis von netto 24 S, franko Z, unter der Bedingung, daß nach ordnungsgemäßer Übernahme der Ware später alle Reklamationen ausgeschlossen sind. Der Beklagte wollte die Schnecken schon am Freitag, dem 5. 5. 1978, abholen, konnte aber erst für Montag, den 8. 5. 1978, einen Sattelschlepper mit Plane auftreiben. Bei der Übernahme untersuchte der Beklagte die Ware nur oberflächlich, weshalb ihm entging, daß in den einzelnen Steigen ein Großteil unterkalibrierter Schnecken enthalten war. Lebende Schnecken werden üblicherweise in Kühlwagen transportiert. Es ist aber auch durchaus möglich, daß sie auf kurzen Strecken auf einem mit Plane bedeckten LKW transportiert werden, wenn die Be- und Entladung noch am selben Tag erfolgt und für eine genügende Belüftung gesorgt ist. Bevor der Transport Z verließ, bestätigte der Beklagte, daß er lebende Weinbergschnecken im Gesamtgewicht von 18 038 kg zum Kilopreis von 24 S quantitativ und qualitativ in Ordnung übernommen hat. An der österreichischen Grenze (in Spielfeld-Straß) erfolgte die Zollabfertigung erst am 9. 5. 1978. Bei der Untersuchung durch die Firma E, der der Beklagte die Schnecken verkaufen wollte, wurde festgestellt - es wurden zirka zehn Steigen umgeschüttet -, daß unter der Oberschicht der Kisten kleinere und zum Teil tote Schnecken vorhanden waren. Bei einer anschließenden genaueren Überprüfung stellte sich heraus, daß zirka 75% der Schnecken bereits tot und insgesamt 60% der gesamten Menge unterkalibriert waren. Die Firma E lehnte hierauf die Übernahme der Ware ab. Bei einer ordentlichen Untersuchung der Schnecken (bei ihrer Übernahme) wäre deren Unterkalibrage unschwer festzustellen gewesen. Der Beklagte zeigte dem Kläger die Mängel an, der sich jedoch nicht bereit erklärte, die Ware zurückzunehmen.
Nach Ansicht des Erstgerichtes liege ein beiderseitiges Handelsgeschäft (Handelskauf) vor. Der Beklagte hätte daher die von ihm gekaufte Ware, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich gewesen wäre, sofort untersuchen müssen. Im Hinblick auf die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung habe der Beklagte unmittelbar nach der Übernahme der Ware bestätigen müssen, daß sie ordnungsgemäß sei. Der Beklagte wäre daher verpflichtet gewesen, die Ware nicht erst bei ihrer Ablieferung an die Firma E, sondern schon bei ihrer Übernahme zu untersuchen. Bei Anwendung entsprechender Sorgfalt hätte er daher schon bei der Übernahme feststellen können, daß die Weinbergschnecken zu 60 bis 70% unterkalibriert gewesen seien. Auf welche Weise der Beklagte vom Kläger in Irrtum geführt worden sein soll, könne dem Beklagten vorbringen nicht entnommen werden.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurück. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als unbedenklich und führte in rechtlicher Hinsicht aus, in der Vereinbarung der Streitteile, wonach der Beklagte als Letztabnehmer die Ware hinsichtlich ihrer Qualität und Quantität zu überprüfen und die Übernahme mit der Wirkung zu bestätigen habe, daß spätere Reklamationen ausgeschlossen seien, sei ein Gewährleistungsverzicht des Beklagten zu erblicken; dieser könne jedoch vom Beklagten aus dem Gründe der Arglist des Verkäufers angefochten werden, weil eine derartige Anfechtung unverzichtbar sei. Der Beklagte habe ausdrücklich eingewendet, er sei durch Herstellung einer "Spiegelware", arglistig in Irrtum geführt worden. Bei der Prüfung der Einrede der Arglist sei davon auszugehen, daß der Verkäufer für das Verhalten seines Lieferanten einzustehen und daher auch für dessen Arglist zu haften habe. Es wäre allerdings eine arglistige Irreführung des Beklagten nur dann anzunehmen, wenn die Kalibrage unter 26 mm gelegen sein sollte. Durch die Übersendung des Schlußbriefes sei nämlich der Beklagte darüber informiert worden, daß die Kalibrage der Weinbergschnecken zwischen 26 und 40 mm betrage. Da der Beklagte behauptet, Weinbergschnecken in der Größe von 28 bis 40 mm gekauft zu haben, könnte eine Abweichung vom Kaufvertrag vorliegen. Den darin bestehenden Mangel, daß die Mindestkalibrage zwar 26 mm, nicht aber die vereinbarten 28 mm erreicht habe, hätte der Beklagte sofort rügen müssen, weil ihm durch die Übersendung des Schlußbriefes vom 4. 5. 1978 die dort vorgesehene Untergrenze der Kalibrage von 26 mm zur Kenntnis gebracht worden sei. Da der Beklagte der im Schlußbrief angegebenen Mindestkalibrage von 26 mm anstatt 28 mm nicht widersprochen habe, sei diese von ihm stillschweigend genehmigt worden. Ob die bei der Firma E festgestellte Unterkalibrage darin bestanden habe, daß das Limit von 26 mm unterschritten worden sei, habe das Erstgericht nicht festgestellt. Das angefochtene Urteil müsse daher schon aus diesem Gründe der Aufhebung verfallen. Das Erstgericht werde ergänzende Feststellungen in dieser Richtung zu treffen und dabei zu beachten haben, daß den Beklagten für die behauptete Arglist die Beweislast treffe. Sollte sich im zweiten Rechtsgang herausstellen, daß die vom Beklagten übernommene Ware nur das Limit von 28 mm nicht erreicht habe und deshalb die Übernahme durch die Firma E verweigert worden sei, dann könne von einer Arglist keine Rede sein. In diesem Falle werde das Erstgericht der Klage stattzugeben haben. Sollte sich hingegen herausstellen, daß die Kalibrage auch 26 mm unterschritten hatte, könnte Arglist in Frage kommen. Allerdings setze Arglist voraus, daß der Irreführende seinen Vertragspartner absichtlich oder doch bewußt durch eine unrichtige Vorspiegelung zur Einwilligung in den Vertrag (hier Übernahme der Ware) gebracht habe. Auch zur Beurteilung dieser Frage werde das Erstgericht ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Die sofortige Erkennbarkeit eines Mangels schließe nämlich Arglist aus, wenn infolge der Offenkundigkeit an eine Täuschung nicht zu denken sei. Hievon könne hier allerdings keine Rede sein, weil eine eingehende Untersuchung notwendig gewesen wäre, um die unter der Oberschichte der Kisten befindliche unterkalibrierte Ware zu entdecken. Nach den unbedenklichen Feststellungen des Erstgerichtes sei hingegen davon auszugehen, daß die Schnecken erst nach ihrer Übernahme durch den Beklagten zum Großteil verendet seien, so daß insoweit ein Gewährleistungsanspruch bzw. ein Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten nicht in Betracht komme.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach den Feststellungen der Untergerichte hat der Kläger dem Beklagten Weinbergschnecken verkauft, die er seinerseits von der Firma J in M in Jugoslawien gekauft hatte. Es wurde zwischen den Streitteilen ausdrücklich vereinbart, daß der Beklagte die Ware an Ort und Stelle auf ihre Quantität und Qualität zu prüfen und deren Übernahme zu bestätigen hatte. Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß die Bedingungen des zwischen dem Kläger und der Firma J vereinbarten und auch dem Beklagten zugekommenen Schlußbriefes vom 4. 5. 1978 Inhalt des zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrages geworden sind, weil der Beklagte der vereinbarten Kalibrage und dem Ausschluß weiterer Reklamationen nach Übernahme der Ware nicht widersprach und damit diesen Bedingungen stillschweigend zugestimmt hat. Nach Lehre und Rechtsprechung kann allerdings Stillschweigen zu einem Vertragsanbot nicht grundsätzlich als Zustimmung betrachtet werden (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 79; SZ 37/119; JBl. 1969, 444; MietSlg. 22 147). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn - wie hier - dem Stillschweigen keine andere Bedeutung als Zustimmung beigemessen werden kann (MietSlg. 21 110, 24 080 ua.).
Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß in dem vereinbarten Ausschluß aller Reklamationen nach Übernahme der Ware ein Gewährleistungsverzicht zu erblicken ist. Doch haftet der Veräußerer ungeachtet eines solchen Verzichtes dann, wenn er dem Käufer Mängel der Ware arglistig verschwiegen hat (JBl. 1972, 531; HS 7339, 8328 uam.). Entscheidend ist daher, ob im vorliegenden Fall dem Kläger hinsichtlich der behaupteten Unterkalibrage der verkauften Schnecken Arglist zur Last fällt. Da es sich um einen Gattungskauf handelt, kann die Arglist bei Vertragsabschluß aber auch bei der Lieferung der Ware vorgelegen sein (Schlegelberger, Kommentar zum HGB[4] III 2091, Brüggemann - Würdinger, Großkommentar zum HGB[3] IV 544 f.; RGZ 91, 420). Eine arglistige Lieferung bereits verendeter Schnecken scheidet im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Feststellungen der Untergerichte von vornherein aus.
Den Ausführungen des Klägers, daß er für das Verhalten der Angestellten der Firma M nicht zu haften habe, ist im Ergebnis beizupflichten. Vorauszuschicken ist, daß der Erzeuger, der die Ware zunächst dem Käufer liefert, der sie dann seinerseits an seinen Käufer weitergibt, nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (Brüggemann - Würdinger aaO 549, Schlegelberger aaO 2091; vgl. auch RGZ 101, 153 und 158).
Liefert jedoch wie hier der Erzeuger (Produzent) direkt an den Käufer seines Käufers, so liegen zwei als Streckengeschäft zu bezeichnende Kaufverträge über dieselbe Sache vor, die durch eine reale Güterbewegung (Übergabe) erfüllt werden (Bydlinski in Klang[2] IV/2, 305). Bei einem solchen Streckengeschäft kann der sofortige Eigentumserwerb des Zweitkäufers durch bekannte Rechtsfiguren (Zession, Schuldübernahme, Vertrag zugunsten Dritter, Anweisung) begrundet werden, wenn die Beteiligten entsprechende Vereinbarungen getroffen haben (Bydlinski aaO 305 ff.; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[5] II 65 f.; vgl. auch Koziol, Streckengeschäft und Anweisung, JBl. 1977, 617 ff.; Spielbüchler, Übereignung durch mittelbare Leistung, JBl. 1971, 589 ff.; vgl. auch Spielbüchler, Der Dritte im Schuldverhältnis, 147 ff.). Wird dabei der Erzeuger (Produzent) vom Erstkäufer ohne besondere Verabredung zur Erfüllung seiner Leistungspflicht gegenüber dem Zweitkäufer herangezogen, so ist der Erzeuger als Erfüllungsgehilfe des Erstkäufers iS des § 1313a ABGB zu betrachten (Bydlinski in Klang[2] IV/2, 305).
Im vorliegenden Falle hat aber der Beklagte (Zweitkäufer) gegenüber dem Kläger (Erstkäufer) die vertragliche Verpflichtung übernommen, die gekauften Weinbergschnecken vom Erzeuger (Firma M) zu übernehmen, diese auf ihre Qualität und Quantität zu prüfen und ihre Übernahme dem Erzeuger gegenüber zu bestätigen. Der Beklagte hat sich daher vertraglich zu der dem Kläger obliegenden Prüfung der Quantität und Qualität der zu liefernden Ware verpflichtet. Dieser Vertragspflicht hat der Beklagte nicht entsprochen, weil er die ihm von der Firma M übergebenen Weinbergschnecken nur oberflächlich untersuchte, weshalb ihm entging, daß in den bereitgestellten Steigen in den unteren Schichten zum Teil unterkalibrierte Weinbergschnecken vorhanden waren. Hätte der Beklagte die handelsübliche stichprobenweise Überprüfung des jeweiligen ganzen Inhaltes einer Steige vorgenommen, so hätte er unschwer die behauptete Lieferung einer sogenannten Spiegelware feststellen können. Der Kläger hat sich daher wohl einerseits der Firma M zur Übergabe der Ware an den Beklagten bedient, der jedoch seinerseits die Verpflichtung übernahm, die Weinbergschnecken bei ihrer Übergabe auf ihre Qualität und Quantität zu prüfen und deren Übernahme zu bestätigen. Der Kläger haftet daher auch nicht für die durch das Verschulden des Beklagten unentdeckt gebliebene allfällige Arglist der Firma M bei der Übergabe der Ware, selbst wenn die vereinbarte Untergrenze der Kalibrage von 26 mm unterschritten worden wäre. Eine vom Kläger zu verantwortende arglistige Täuschung des Beklagten bei der Übernahme der Ware ist somit zu verneinen. Die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung kann demnach unterbleiben. Die Rechtssache ist vielmehr iS einer Bestätigung des Ersturteils spruchreif.
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