Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin war Alleineigentümerin der EZ 17 KG Kranachberg. Mit notariellem Vertrag vom 15. September 1980 hat sie dem Beklagten die Hälfte dieser Liegenschaft, mit Ausnahme des Grundstückes 1349 Wald, übergeben. Die andere Hälfte sowie das oben erwähnte Grundstück übergab sie dem Beklagten gleichzeitig auf den Todesfall, wobei im Vertrag auch die Verpflichtungen des Beklagten der Klägerin gegenüber geregelt sind. Nach Punkt Drittens des Vertrages ist die Übergabe und Übernahme des Vertragsgegenstandes mit Last und Vorteil, Gefahr und Nutzen, mit dem Zeitpunkt der bedungenen Übergabe als vollzogen anzusehen. Nach Punkt Siebentens des Vertrages wurde die Einwilligung der Vertragsparteien zur Abschreibung des Grundstückes 1349 Wald von der Liegenschaft EZ 17 KG Kranachberg unter Mitübertragung des bestehenden Eigentumsrechtes und die Eröffnung einer neuen Grundbuchseinlage hiefür, sowie bei der restlichen Liegenschaft EZ 17 KG Kranachberg die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Beklagten zur Hälfte sowie der Beschränkung des Miteigentumsrechtes der Klägerin durch das Belastungs- und Veräußerungsverbot für den Beklagten und der Beschränkung des Miteigentumsrechtes des Beklagten durch Belastungs- und Veräußerungsverbot für die Klägerin erteilt. Im Punkt Zweitens, 5. ist festgehalten, daß für den Unvergleichsfall heute keine Vereinbarungen getroffen werden.
Mit einem späteren, undatierten Vertrag hat die Klägerin dem Beklagten ihre halbe Landwirtschaft in Kranach 24, EZ 17, sowie den gesamten Besitz der EZ 247 KG Kranach mit Wirkung vom 16. September 1980 verpachtet, wobei festgehalten wurde, daß der Beklagte das Pachtobjekt mit diesem Tag übernimmt. Im Punkt III dieses Vertrages wurde festgehalten, daß, falls seitens des Pächters oder der Pächterin keine vierteljährliche Kündigung erfolgen sollte, der Pachtvertrag automatisch bis zur gänzlichen Übernahme durch den Pächter weiterläuft.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Übergabsvertrages sowie die Vornahme der zur Durchführung dieser Aufhebung erforderlichen Grundbuchshandlungen. Sie behauptet, der Beklagte hätte wesentliche Bestimmungen des Übergabsvertrages nicht eingehalten.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen, wobei es die vom Beklagten erbrachten materiellen Leistungen sowie weiter feststellte, daß der Beklagte vorerst die Landwirtschaft betrieben hat, dann aber wegen Streitigkeiten mit der Klägerin von der Liegenschaft weggezogen ist. Von einer ordnungsgemäßen Pflege der Klägerin im Krankheitsfall könne nicht gesprochen werden. Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, nach Übergabe einer Liegenschaft könne ein Übergabsvertrag nicht mehr aufgelöst werden, soferne der Vertrag nichts Gegenteiliges enthalte. Da im vorliegenden Vertrag eine Auflösungsmöglichkeit nicht vorgesehen sei, fände das Begehren der Klägerin darin keine Deckung. Faktisch sei auch die im Übergabsvertrag erst auf den Todesfall übergebene Liegenschaftshälfte durch den Pachtvertrag übergeben worden. Der gesamte Vertrag stelle eine Einheit dar, so daß sich die Unzulässigkeit einer nachträglichen Auflösung des Übergabsvertrages auch auf die verpachteten Liegenschaftsanteile beziehe. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und hiebei ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Es hat die Rechtsansicht des Erstgerichtes bezüglich der Unauflösbarkeit eines Übergabsvertrages nach faktischer Besitzeinräumung mangels gegenteiliger vertraglicher Bestimmung gebilligt. Im vorliegenden Fall könne jedoch im Hinblick auf die Vertragsbestimmungen und auf den abgeschlossenen Pachtvertrag nicht ohne weiters gesagt werden, daß sich die Klägerin nicht zumindest schlüssig eine Auflösungsmöglichkeit vorbehalten hätte. Im übrigen könne von einer Übergabe der zweiten Liegenschaftshälfte ("die im Übergabsvertrag der Klägerin vorbehaltene Waldparzelle sei im Pachtvertrag gar nicht erwähnt") aufgrund des Übergabsvertrages keine Rede sein. Mangels weiterer Feststellungen könne nicht beurteilt werden, ob sich die Klägerin nicht schlüssig doch eine Vertragsauflösung vorbehalten wollte. Sollte dies der Fall sein, müßte geklärt werden, auf welche Weise der Beklagte Leistungen für den Krankheitsfall der Klägerin zu erbringen gehabt hätte und inwieferne er konkret seinen diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt.
Beizupflichten ist den Ausführungen beider Vorinstanzen, wonach die Bestimmung des § 881 Abs. 3 ABGB dahin auszulegen ist, daß unter Übergabe des Gutes sowohl die bloße Besitzüberlassung als auch die Verbücherung zu verstehen ist, obgleich die §§ 426, 431 ABGB die Verbücherung als die Form der Übergabe bei unbeweglichen Sachen bezeichnen. Bei bäuerlichen Übergabsverträgen endet sohin die Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrag gemäß § 918 ABGB mit dem Zeitpunkt der Besitzübertragung an den Übernehmer, es sei denn, im Vertrag wäre etwas anderes vereinbart (SZ 50/166, 7 Ob 537/81, 6 Ob 705/83 ua). Erst mit der Gutsübergabe wird das erworbene Recht unwiderruflich (NZ 1985/15).
Im vorliegenden Fall enthält nun der Übergabsvertrag selbst keine ausdrückliche Regelung, die ein Rücktrittsrecht nach Übergabe vorsehen würde. Im Punkt Zweitens, 5. ist jedoch festgehalten, daß für den Unvergleichsfall heute keine Vereinbarungen getroffen werden. Dieser Passus ist, insbesondere im Hinblick auf das Wort "heute", mehrdeutig. Er läßt immerhin die Möglichkeit offen, die Parteien hätten eine nachträgliche Auflösung des Vertrages unter bestimmten Umständen zwar ins Auge gefaßt, dies aber nicht in den schriftlichen Vertrag aufgenommen. Ob der Parteiwillen tatsächlich in diese Richtung zielte oder lediglich das Entstehen im Vertrag noch nicht geregelter weiterer Ansprüche der Klägerin in Aussicht genommen wurde, kann vor Klärung der Frage, wie es zur Aufnahme des vorgenannten Wortes "heute" in den Vertragstext gekommen ist, nicht abschließend beantwortet werden. Nur wenn ein diesbezüglicher Klärungsversuch zu keinem Ergebnis führen sollte, käme ein bloße Wortlauslegung in Frage, bei der jedoch auch auf die weiteren Umstände Bedacht genommen werden müßte. Es wäre dann nach § 914 ABGB von der Absicht der Parteien auszugehen, worunter der Geschäftszweck zu verstehen ist (EvBl. 1972/111, MietSlg. 27.117 ua). Möglicherweise wird bei einer entsprechenden Vertragsauslegung auch auf das Verhalten der Parteien bezüglich der zweiten Liegenschaftshälfte Bedacht zu nehmen sein. Dem Berufungsgericht ist zuzubilligen, daß das Waldgrundstück 1349 im Pachtvertrag nicht aufscheint, doch bezieht sich dieser Vertrag auf eine EZ 247 KG Kranach, die im Übergabsvertrag nicht genannt ist. Da der Übergabsvertrag die Abschreibung des Grundstückes 1349 Wald von der EZ 17 KG Kranachberg vorsieht, liegt es nahe, daß es sich bei der EZ 247 KG Kranach um das ursprünglich zur EZ 17 KG Kranachberg gehörige Waldgrundstück 1349 handelt. Eine ausdrückliche Feststellung dieses Umstandes wird daher erforderlich sein. Von einer Übergabe der zweiten Liegenschaftshälfte durch den Übergabsvertrag oder aufgrund des Übergabsvertrages kann zumindest im Hinblick auf den Wortlaut dieses Vertrages keine Rede sein, weil dort festgehalten wurde, daß die Übergabe und Übernahme des Vertragsgegenstandes mit dem Zeitpunkt der bedungenen Übergabe als vollzogen anzusehen ist und für die zweite Liegenschaftshälfte sowie des Grundstückes 1349 Wald als Übergabszeitpunkt der Tod der Übergeberin vorgesehen war. Der Besitz an diesem Teil der Liegenschaft wurde dem Beklagten erst mittels eines Pachtvertrages eingeräumt. Die Überlassung einer Liegenschaft aufgrund eines Pachtvertrages kann jedoch nicht der Übergabe aufgrund eines Übergabsvertrages gleichgesetzt werden.
Die gesamte Vorgangsweise der Parteien läßt nun ihre Absicht noch nicht eindeutig erkennen. Es wäre denkbar, daß die Parteien tatsächlich ein verschiedenes Schicksal der beiden Liegenschaftshälften im Auge hatten und daher die mögliche verschiedene Entwicklung bezüglich der beiden Hälften in Kauf genommen haben. Denkbar wäre es aber auch, daß es sich bei dem Abschluß des Pachtvertrages lediglich um eine Konstruktion handelte, die der Klägerin zwar ein gesondertes Einkommen verschaffen, tatsächlich aber die Auflösungsmöglichkeit bezüglich des zweiten Liegenschaftsanteiles an die Auflösungsmöglichkeit bezüglich des bereits übergebenen Anteiles binden sollte. Schließlich wäre es auch möglich, daß die Parteien eine getrennte Behandlung der beiden Liegenschaftsanteile auf jeden Fall ausschließen wollten, sei es auch derart, daß sich eine vorbehaltene Auflösungsmöglichkeit bezüglich des später verpachteten Liegenschaftsanteiles auch auf den bereits aufgrund des Übergabsvertrages übergebenen Liegenschaftsanteil erstrecken sollte. Auch hier werden zur abschließenden Beurteilung des Parteiwillens soweit als möglich die Umstände zu erforschen sein, die zu der gewählten Vorgangsweise geführt haben. Schließlich käme auch hier eine Auslegung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen in Frage.
Das Berufungsgericht hat also richtig erkannt, daß für die Entscheidung der Rechtssache wesentliche Fragen überhaupt nicht erörtert worden sind. Diese betreffen vor allem den Parteiwillen bezüglich einer bereits im Übergabsvertrag vorbehaltenen Auflösungsmöglichkeit sowie die Frage einer Einheitlichkeit der beiden Verträge hinsichtlich der gesamten Liegenschaft und die Möglichkeit einer Auflösung des Vertrages bezüglich des dem Beklagten übergebenen Liegenschaftsanteiles im Falle einer gerechtfertigten Auflösung des Vertrages bezüglich der der Klägerin vorbehaltenen Teile der ursprünglichen EZ 17 KG Kranachberg. Schließlich wäre auch zu prüfen, ob nach dem Parteiwillen eine teilweise Auflösung des Vertrages überhaupt sinnvoll wäre und ins Auge gefaßt war.
Daß auch bei vorbehaltener Auflösungsmöglichkeit eine Auflösung des Vertrages nur aus bestimmten Gründen möglich wäre, ist selbstverständlich. Das Berufungsgericht hat die Feststellungen bezüglich der Auflösungsgründe und der Erfüllung entsprechender Auflösungstatbestände noch als ergänzungsbedürftig erachtet. Da das Berufungsgericht hier von einer richtigen Rechtsansicht ausgeht, kann dem Ergänzungsauftrag der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (JBl. 1972, 572 ua). Natürlich würde sich eine solche Verfahrensergänzung erübrigen, sollte sich die Klägerin keine Auflösungsmöglichkeit vorbehalten haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
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