Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit insgesamt S 65.184,- (darin S 6.864,- Umsatzsteuer und S 24.000,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** U***** mit dem Haus A***** in St.Pölten. Sie vermieteten die Liegenschaft mit Mietvertrag vom 17.9.1987 ab 1.10.1987 um den monatlichen Mietzins von S 4.000 an den Kläger. Im Mietvertrag wurde dem Kläger für den Fall des Verkaufes der Liegenschaft das Vorkaufsrecht eingeräumt. Der Mietvertrag wurde auf die Dauer von zwei Jahren geschlossen. Gleichzeitig trafen die Parteien die in der schriftlichen "Erklärung" vom 17.9.1987 festgehaltene Vereinbarung, wonach die Beklagten "hiemit die verbindliche Erklärung abgeben, daß Herr Dieter P***** die gesamte Liegenschaft einschließlich Inventar ab sofort um S 1,000.000 zu jedem von ihm gewünschten Zeitpunkt erwerben kann. Der ab 1.Oktober 1989 geleistete Mietzins von monatlich S 4.000 wird von der Kaufsumme in Abzug gebracht".
Diese schriftlichen Verträge wurden vom Erstbeklagten formuliert und aufgesetzt. Lediglich die Formulierung in der "Erklärung", der Beklagte könne die Liegenschaft "zu jedem von ihm gewünschten Zeitpunkt" erwerben, wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers aufgenommen. Die Beklagten waren damit einverstanden. Es kann nicht festgestellt werden, daß zwischen den Parteien eine bestimmte Bindungsdauer oder ein bestimmter Zeitpunkt, zu dem der Kaufvertrag abgeschlossen werden sollte, besprochen oder ausdrücklich vereinbart wurde.
Am 19.10.1989 schlossen die Parteien einen weiteren schriftlichen Mietvertrag, wonach die Liegenschaft dem Kläger ab 1.10.1989 um einen monatlichen Mietzins von S 4.000 weitervermietet wurde. Der Mietvertrag wurde auf die Dauer eines Jahres geschlossen und sollte sich um jeweils ein weiteres Jahr verlängern, wenn er nicht früher von einer der Vertragsparteien unter Einhaltung einer monatlichen Kündigungsfrist aufgekündigt werden sollte. Weiters wurde vereinbart, daß dem Kläger bei Verkauf der Liegenschaft das Vorkaufsrecht eingeräumt werde. Im Falle des Kaufes der Liegenschaft durch den Kläger werde der ab 1.10.1989 bezahlte Mietzins nicht vom Kaufpreis abgezogen.
Auch diese Vertragsformulierung stammt vom Erstbeklagten. Weitere darüber hinausgehende mündliche Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Mietvertragsabschluß können nicht festgestellt werden. An der in der "Erklärung" vom 17.9.1987 getroffenen Vereinbarung wurde mit Ausnahme der Anrechenbarkeit des Mietzinses nichts geändert.
Im August 1990 kam es zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten wegen der Gartengestaltung zu Unstimmigkeiten. In deren Verlauf kündigte der Kläger an, daß er die Liegenschaft eben kaufen werde, worauf die Zweitbeklagte entgegnete, daß sie sich mit ihm nicht mehr länger herumärgern werde und ihr Sohn dann das Haus bekommen werde. Darauf antwortete der Kläger nichts. Im April 1991 erklärten die Beklagten dem Kläger, die "Erklärung" zu widerrufen, worauf er antwortete, daß sie ihm Zeit lassen sollten, weil er darüber nachdenken müsse. Mit Schreiben vom 23.4.1991 wiederholten die Beklagten den mündlichen Widerruf. Der Kläger konsultierte den Klagevertreter, der den Beklagten mit Schreiben vom 15.5.1991 mitteilte, daß der Kläger an seinem Recht festhalte und daß er in Ausübung dieses Rechtes die Liegenschaft um den angebotenen Kaufpreis von S 1,000.000 erwerbe. Der Kaufpreis werde Zug um Zug gegen Unterfertigung des formellen Kaufvertrages ausbezahlt.
Die Liegenschaft mit dem Haus hatte im September 1987 einen Verkehrswert von S 1,082.000, im Oktober 1989 von S 1,325.000, im Mai 1991 von S 1,521.000 und im März 1992 von S 1,574.000. Die vom Kläger getätigten Investitionen hatten im März 1992 einen Zeitwert von höchstens S 16.900.
Der Erstbeklagte war bis zu seiner Pensionierung Leiter des Statistischen Amtes des Magistrates der Stadt St.Pölten. Es konnte nicht festgestellt werden, daß es den Beklagten an der altersentsprechenden Lebenserfahrung mangle oder daß sie keine allgemeinen Geschäftskenntnisse hätten.
St.Pölten ist seit 1986 Landeshauptstadt.
Der Kläger begehrte, die Beklagten schuldig zu erkennen, ihm das Eigentum an der Liegenschaft zu verschaffen und die hiefür notwendigen Willenserklärungen abzugeben und zu unterfertigen. Die Beklagten hätten sich hiezu in der "Erklärung", die als Kaufanbot oder Option zu beurteilen sei, verpflichtet.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung. Sie wendeten ein, daß sie mit einem Kaufvertragsabschluß innerhalb kurzer Zeit gerechnet hätten und sich nicht bis 1991 binden hätten wollen. Der Kläger habe im August 1990 auf sein Recht stillschweigend verzichtet, weil er die Erklärung der Zweitbeklagten, das Haus stünde nicht mehr zum Verkauf an, widerspruchslos zur Kenntnis genommen habe. Der Kläger habe wucherisch gehandelt, weil der tatsächliche Wert der Liegenschaft schon am 17.9.1987 weit höher als 1,000.000 S gewesen sei. Er habe die Unerfahrenheit und das Fehlen von Geschäftskenntnissen der Beklagten ausgenützt. Die Bindungsfrist im Fall der Beurteilung der "Erklärung" als Anbot sei längst abgelaufen gewesen. Im Fall ihrer Beurteilung als Option unterliege sie der Umstandsklausel. Da bei Immobilien seit der Erhebung St.Pöltens zur Landeshauptstadt eine sehr starke Preissteigerung eingetreten sei, seien die bei Abgabe der "Erklärung" zugrundeliegenden Umstände weggefallen. Außerdem habe durch die Einräumung des Vorkaufsrechtes eine Novation der Option stattgefunden. Weiters werde Verkürzung über die Hälfte eingewendet. Die Beklagten könnten überdies nur Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises zur Übergabe der Liegenschaft verpflichtet werden. Es werde die Einrede der Unsicherheit erhoben, weil sich der Kläger in einer äußerst prekären finanziellen Situation befinde.
Der Kläger erklärte seine Bereitschaft, der Zug-um-Zug-Verpflichtung nachzukommen und bestritt im übigen die Einwendungen.
Das Erstgericht gab dem Begehren auf Eigentumsübertragung an der Liegenschaft Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von S 1,000.000 statt. Es beurteilte den Sachverhalt rechtlich dahin, daß die Beklagten dem Kläger eine Kaufoption im Zusammenhang mit der Vermietung eingeräumt hätten, die im Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechtes noch aufrecht gewesen sei. Die Umstandsklausel komme nicht zum Tragen, weil die von der Rechtsprechung geforderte exorbitante Preissteigerung nicht stattgefunden habe und zudem die Preissteigerung bei Grundstücken für die Beklagten vorhersehbar gewesen sei, weil St.Pölten bereits 1986 Landeshauptstadt geworden sei. Die Tatbestände des Wuchers und der Verkürzung über die Hälfte lägen nicht vor. Ein schlüssiger Verzicht des Klägers auf sein Optionsrecht könne aus dem Gespräch im August 1990 nicht abgeleitet werden. Daß die Parteien bei der Mietvertragsverlängerung eine Novation vereinbart hätten, sei nicht hervorgekommen. Da der Kläger die Gegenleistung angeboten und sich nicht gegen die Zug-um-Zug-Verpflichtung gewendet habe, sei dem Klagebegehren im Sinne einer Zug-um-Zug-Verpflichtung des Klägers stattzugeben gewesen. Damit bestehe für die Erhebung der Unsicherheitseinrede kein Anlaß.
Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinne einer Klagsabweisung ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsansicht, daß die Steigerung des Verkehrswertes der Liegenschaft seit der Einräumung der Option bis zu deren Widerruf den allgemeinen Kaufkraftverlust des Geldes innerhalb dieses Zeitraumes deutlich überstiegen habe. Dieser Umstand rechtfertige den von den Beklagten erhobenen Einwand der clausula rebus sic stantibus, mit dem die als Option zu beurteilende "Erklärung" angefochten werden könne. Die Revision sei zuzulassen, weil zur Frage, inwieweit die Wertsteigerung im Fall einer Option den Einwand der geänderten Verhältnisse rechtfertige, nur Einzelfallentscheidungen des Obersten Gerichtshofes vorlägen, die mit dem hier zu behandelnden Fall nicht vergleichbar seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.
Die Unterinstanzen haben die vorliegende "Erklärung" zu Recht als Kaufoption beurteilt (vgl zum Begriff und zur Abgrenzung zum Vorvertrag: Koziol-Welser I9, 118; SZ 23/187; SZ 53/19 ua); dies wird auch von den Parteien nicht mehr in Zweifel gezogen. Es ist auch richtig, daß nach ständiger Rechtsprechung für einen Optionsvertrag ebenso wie für einen Vorvertrag die clausula rebus sic stantibus gilt (SZ 53/19 mwN). Als Gründe für den hier ausnahmsweise vom Gesetz berücksichtigten Wegfall der Geschäftsgrundlage wurden von der Rechtsprechung etwa extreme Inflation (SZ 5/103; SZ 5/153) und Preisstop (SZ 23/187) sowie eine unverhältnismäßige Erhöhung (behauptet war: Erhöhung um ein Vielfaches) des Wertes der zu erwerbenden Sache (SZ 6/172), eine Verdoppelung des ortsüblichen Preises einer Liegenschaft innerhalb von drei Jahren (8 Ob 226/62), eine erhebliche Abweichung vom nunmehr ortsüblichen Mietzins infolge exorbitanter Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse (EvBl 1992/113) angesehen. Nicht besonders schwerwiegende Wertänderungen können keinen Grund zu einer Befreiung des aus der Option Verpflichteten bilden. Bei Vorhersehbarkeit der Veränderung können sich die Parteien jedenfalls nicht auf die Umstandsklausel berufen (EvBl 1992/113; Binder in Schwimann, ABGB IV/1, Rz 33 zu § 936).
Daraus ergibt sich, daß nur krasse, nicht einkalkulierbare und nicht vorhersehbare Wertsteigerungen die Berufung auf die Umstandsklausel rechtfertigen.
Mit der Erhebung St.Pöltens zur Landeshauptstadt war innerhalb der nächsten Jahre mit einem Zuzug von Ämtern, Behörden, verschiedener Institutionen und Unternehmungen, mit einem mehrere Jahre anhaltenden Bauboom, mit der Zunahme von Wohnungssuchenden und im Zusammenhang mit alldem mit einem deutlichen Ansteigen der Preise für Realitäten zu rechnen. Daß unter diesen Umständen der Wert eines Einfamilienhauses mit Garten innerhalb von dreieinhalb Jahren von knapp über 1,000.000 S auf etwa 1,5 Mio S steigt (konkret um 41 %), kann insbesondere unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nicht als völlig aus dem Rahmen fallende und bei Abschluß des Optionsvertrages gänzlich unabsehbare Entwicklung angesehen werden. Im übrigen zeigt ein bereits jahrzehntelanger Trend, daß die Steigerung bei Grundstückspreisen, insbesondere von Grundstücken an der Peripherie von Städten, wesentlich größer ist als der durch die Inflationsrate bedingte Kaufkraftverlust. Der Hinweis der Beklagten auf die Relation zur Steigerung der Verbraucherpreise vermag daher ihren Standpunkt nicht zu rechtfertigen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Fristbestimmung des § 936 ABGB auf Optionen nicht analog anwendbar (SZ 53/19 ua). Die Gültigkeit des Optionsvertrages hängt auch nicht davon ab, ob die Option eine zeitliche Begrenzung enthält (SZ 26/91; EvBl 1962/435; ZfRV 1971, 288). Da die Option im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit der Begründung des Bestandverhältnisses vereinbart wurde und durch die Verlängerung des Mietvertrages unberührt blieb, ist den Vertragsparteien zu unterstellen, daß die Option zumindest für die Dauer des aufrechten Mietverhältnisses - dessen Beendigung die Beklagten jährlich herbeiführen hätten können - aufrecht sein sollte. Da der Kläger im Zeitpunkt der Ausübung des Optionsrechtes noch Bestandnehmer war, ist davon auszugehen, daß er sie rechtzeitig im Sinn der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung ausgeübt hat. Von einer ungebührlich langen Bindung der Beklagten kann nach einem Zeitraum von dreieinhalb Jahren noch keine Rede sein.
Ein schlüssiger Verzicht des Klägers auf das Optionsrecht kann den Feststellungen der Untergerichte entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entnommen werden. Bloßes Schweigen hat grundsätzlich keinen Erklärungswert. Bei der Annahme des stillschweigenden Verzichtes ist besondere Vorsicht geboten (vgl hiezu Rummel in Rummel2 I, Rz 14 ff zu § 863 ABGB mit zahlreichen Judikaturbeispielen). Die Unterstellung, daß der Kläger trotz seiner unmittelbar vorangehenden Ankündigung, er werde die Liegenschaft eben kaufen, durch sein Stillschweigen auf die Antwort der Zweitbeklagten, ihr Sohn werde das Haus bekommen, auf sein Optionsrecht verzichtet habe, ist durch nichts zu rechtfertigen.
Es war daher in Abänderung der Entscheidung zweiter Instanz das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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