Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt die Zahlung von S 194.379,46 s.A. Er sei Eigentümer eines Hauses, in dem der Beklagte, der mit der Tochter des Klägers verheiratet gewesen sei, eine Wohnung gemietet habe. Der Beklagte benütze jedoch seit der Scheidung seiner Ehe am 5.5.1988 eine weitere Wohnung (Nr.12a) in diesem Haus titellos. Im Verfahren 4 C 1324/88a des Erstgerichtes sei der Beklagte verurteilt worden, diese Wohnung zu räumen. Im Hinblick auf die Größe und Ausstattung der Wohnung sei ein Benützungsentgelt von S 6.702,74 monatlich angemessen. Der Beklagte schulde einen derartigen Betrag seit 1.6.1988, sodaß sich bis zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage am 17.10.1990 der geltend gemachte Gesamtbetrag ergebe.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Ein Benützungsentgelt nach Beendigung eines Bestandvertrages sei nur in der Höhe des jeweiligen vorher bezahlten Mietzinses angemessen. Einen Betrag in dieser Höhe aber habe der Beklagte, da er vom Kläger nicht angenommen worden sei, bei Gericht hinterlegt. Er habe auch seine ausdrückliche Zustimmung zur Ausfolgung des erlegten Betrages an den Kläger erteilt.
Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Klagebegehren im Teilbetrag von S 188.610,-- s.A. ab und traf folgende Feststellungen:
Die Ehe des Beklagten mit der Tochter des Klägers wurde am 5.5.1988 geschieden.
Der Kläger und seine Frau erhoben als Miteigentümer am 8.8.1988 gegen den hier wie dort Beklagten Klage auf Räumung der Wohnung Nr.12a, weil der Beklagte diese titellos benütze. Mit Urteil vom 19.10.1989 gab das Erstgericht der Klage statt; dem Beklagten stünden keine Mietrechte an dem Bestandgegenstand zu. Die Kläger in jenem Verfahren beantragten zunächst die zwangsweise Räumung der Wohnung, nahmen hievon aber am 20.11.1990 Abstand, weil der Beklagte das Bestandobjekt bereits zurückgestellt habe.
Bis zur Scheidung ihrer Ehe wurde der Mietzins für das Bestandobjekt 12a in der Höhe von S 1.442,34 von dem Beklagten und seiner Frau auf ein Konto der Hausverwaltung eingezahlt. Die vom Beklagten für den Monat September 1988 eingezahlte Miete wurde von der Hausverwaltung über Auftrag des Klägers an den Beklagten zurücküberwiesen. Der Beklagte stellte daraufhin am 28.9.1988 den Antrag, den Betrag von S 1.442,34 als Miete für September 1988 bei Gericht gemäß § 1425 ABGB zu erlegen. Der Antrag wurde bewilligt. In der Folge erlegte der Beklagte monatlich laufend den selben Betrag bis einschließlich der Miete für September 1990. Erst am 19.2.1991 beantragten der Kläger und seine Frau die Ausfolgung der hinterlegten Beträge an sich. Der Antrag wurde mit Beschluß vom 8.3.1991 bewilligt.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Bestandnehmer habe nach Auflösung des Bestandvertrages bis zur Rückstellung der Bestandsache gemäß § 1041 ABGB ein Benützungsentgelt in der Höhe des Bestandzinses zu zahlen. Das Klagebegehren sei daher, soweit es über den bisher bezahlten Mietzins hinausgehe, unberechtigt. Hieraus ergebe sich eine Abweisung von S 5.260,40 mal 29 = S 152.551,60. Der Beklagte habe wegen der Annahmeverweigerung durch den Kläger die Mietzinse für September 1988 bis September 1990 bei Gericht hinterlegt. Zu einer Annahmeverweigerung aber wäre der Kläger nicht berechtigt gewesen; denn da er bereits am 8.9.1988 die Räumungsklage gegen den Beklagten eingebracht habe, wäre ein Schluß in der Richtung, aus einer Annahme der vom Beklagten angebotenen Zahlung könne auf den konkludenten Abschluß eines Mietvertrages zwischen den Streitteilen geschlossen werden, nicht gerechtfertigt gewesen. Der Kläger befinde sich daher hinsichtlich der vom Beklagten erlegten Beträge in Annahmeverzug. Es sei deshalb auch das Klagebegehren in der Höhe des vom Beklagten erlegten Betrages abzuweisen gewesen.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Das dem Kläger für die Benützung der Bestandsache infolge Verzögerung der Rückstellung zustehende Benützungsentgelt finde nicht zwangsläufig in der Höhe des bisher bezahlten Mietzinses seine Grenze. Wohl entspreche die Höhe des für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung zu bezahlenden angemessenen Benützungsentgelts im Regelfall dem bisher vereinbarten Mietzins, doch schließe dies die Berücksichtigung besonderer Verhältnisse des Einzelfalles, also etwa die Erzielbarkeit eines höheren Bestandzinses durch anderweitige Vermietung, nicht aus. Es seien deshalb Feststellungen über die Höhe des im gegenständlichen Zeitraum für das Bestandobjekt erzielbaren Bestandzinses zu treffen. Aufklärungsbedürftig sei auch der vom Erstgericht nur unzureichend festgestellte Vorgang der Mietzinsüberweisung durch den Beklagten, der Rücküberweisung durch die vom Kläger hiezu beauftragte Hausverwaltung und die anschließende Hinterlegung bei Gericht. Es sei nämlich unklar, ob der Kläger bereits vor der erstmaligen Annahmeverweigerung den nunmehr geltend gemachten Betrag von S 6.702,74 monatlich als Benützungsentgelt gefordert habe, in welchem Fall er zur Zurückweisung der nur als Teilleistung zu qualifizierenden Zahlung von S 1,432,34 gemäß § 1415 ABGB berechtigt gewesen und dem Erlag schuldbefreiende Wirkung nicht zugekommen wäre, sollte die angebotene Zahlung als Mietzinszahlung gewidmet gewesen sein, so wäre die Annahmeverweigerung als gerechtfertigt anzusehen, weil dann von einer ordnungsgemäß angebotenen Leistung nicht gesprochen werden könne. Wenngleich die Ablehnung der Annahme eines Betrages als Bestandzins durch den Bestandgeber, der der Meinung sei, er habe infolge Auflösung des Bestandvertrages nur mehr Benützungsentgelt in der selben Höhe zu bekommen, für den Bestandnehmer einen wichtigen Grund im Sinne des § 1425 ABGB darstelle, müßte einem derartigen Erlag im Fall einer tatsächlichen titellosen Benützung durch den Kläger doch die schuldbefreiende Wirkung abgesprochen werden. Biete der titellose Benützer Mietzins an, versuche er, aus einem nicht geschuldeten Rechtsgrund zu leisten. Rechtsgrund des Benützungsentgelts sei nämlich nicht der bereits erloschene Mietvertrag, sondern die entgangene Nutzungschance des Vermieters. Zahlungen, die aus einem bestimmten Rechtsgrund geleistet werden, müßten vom Gläubiger nicht als Zahlung auf eine Schuld aus einem anderen Rechtsgrund angenommen werden. Ob die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Erlag mit schuldbefreiender Wirkung vorgelegen seien, lasse sich nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen.
Der Rekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Im Gegensatz zum Berufungsgericht ist das Erstgericht davon ausgegangen, daß der Bestandgeber nicht berechtigt sei, die Annahme eines von einem titellosen Benützer als Mietzins geleisteten Entgelts zu verweigern, wenn er bereits ein Räumungsverfahren gegen den titellosen Benützer eingeleitet habe, weil unter diesen Umständen eine schlüssige, auf Abschluß eines Bestandvertrages gerichtete Willenserklärung nicht angenommen werden könne. In der Entscheidung MietSlg.33.137, auf die sich das Erstgericht hiezu beruft, wird - wie in ständiger Rechtsprechung - die Meinung vertreten, die jahrelange, widerspruchslose Entgegennahme oder Vorschreibung eines regelmäßigen Entgelts für die Benützung einer Wohnung bewirke in der Regel den stillschweigenden Abschluß eines Mietvertrages betreffend diese Wohnung. Dies sei jedoch dann nicht der Fall, wenn aus den Umständen des Einzelfalls für den Benützer der Wohnung klar erkennbar sei, daß ein diesbezüglicher Vertragswille der Gegenseite nicht vorliege. In der Entscheidung 1 Ob 719/85, teilweise veröffentlicht in MietSlg.37.208, hat der Oberste Gerichtshof dem gegenüber in einem Erlagsausfolgungsverfahren im Anschluß an einen Kündigungsstreit nach § 19 Abs.2 Z.11 MG ausgeführt, der Schuldner sei zur Hinterlegung insbesondere dann berechtigt, wenn der Gläubiger in Annahmeverzug sei, das heiße, wenn er die ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht annehme. Der in jenem Verfahren Beklagte habe die Mietzinszahlungen nicht als Vertreter des Nachlasses oder als Erbe, sondern mit der Behauptung geleistet, ihm persönlich stehe das Recht zum Eintritt in das Mietverhältnis zu. Eine derartige Widmung habe der Kläger jenes Verfahrens, der ein Eintrittsrecht des Beklagten - wie der Ausgang des Verfahrens erwiesen habe, zu Recht - nicht anerkannt habe, nicht akzeptieren müssen. Durch Annahme eines derart gewidmeten Mietzinses hätte sich der Kläger jenes Verfahrens dem Einwand aussetzen können, durch unbeanstandete Entgegennahme der Zahlungen schlüssig ein Bestandverhältnis mit dem in jenem Verfahren Beklagten als dem behaupteten Eintrittsberechtigten begründet zu haben. Durch die Ablehnung der angebotenen Mietzinszahlungen sei der Kläger jenes Verfahrens nicht in Annahmeverzug geraten, sodaß der Erlag nicht rechtmäßig gewesen sei. Den selben Standpunkt wie die zitierte Entscheidung vertritt offensichtlich auch Reischauer in Rummel, Rz 3 zu § 1425 ABGB, zweiter Absatz (die Diktion "eine unzulässige Ablehnung" ist nach dem Zusammenhang und den am Ende des Absatzes angeführten Entscheidungen JBl.1959, 186, und MietSlg.15.126 offensichtlich auf ein Versehen zurückzuführen).
Der erkennende Senat pflichtet aus den in der Entscheidung 1 Ob 719/85 genannten Gründen den Ausführungen des Berufungsgerichtes bei, daß der Gläubiger nicht verpflichtet ist, das ihm vom Schuldner Angebotene anzunehmen, wenn er es anders als der Schuldner qualifiziert, und zwar auch dann nicht, wenn über die Höhe des Betrages ein Streit nicht bestehen sollte. Den Erwägungen des Erstgerichtes ist entgegenzuhalten, daß derjenige, zu dessen Gunsten hinterlegt wird, auch nicht die geringste Möglichkeit einer Verschlechterung seiner Position in Kauf nehmen muß. Möge im vorliegenden Fall auch die Gefahr des Erfolges der Behauptung des stillschweigenden Abschlusses eines Mietvertrages durch Annahme des hinterlegten Betrages nur sehr gering gewesen sein, so wäre sie doch nicht unter allen Umständen ausgeschlossen gewesen. Der Gläubiger kann sich dagegen wehren, daß ihm die Zahlung aus einem von ihm abgelehnten Titel aufgedrängt wird.
Feststellungen darüber, ob die vom Beklagten im September 1988 angebotene Zahlung als "Mietzins" gewidmet war und aus welchen Gründen der Kläger die Zahlung zurückgewiesen hat, insbesondere, ob er sie nicht als "Mietzins" annehmen wollte, fehlen. Es fehlen aber auch, wie vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt wurde, Feststsellungen darüber, ob die Zurückweisung der vom Beklagten angebotenen Leistung deshalb erfolgte, weil es sich nur um eine Teilleistung handle (§ 1415 ABGB).
Nach Lehre und Rechtsprechung hat der Bestandnehmer, der die Rückstellung der Bestandsache verzögert, für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung ein "Benützungsentgelt" in der Höhe des bisherigen oder eines sonst angemessenen Bestandzinses weiter zu bezahlen. Diese Verpflichtung als Folge des Zuwiderhandelns gegen die Rückstellungspflicht beruht auf § 1041 ABGB; es handelt sich hiebei um keinen Schadenersatzanspruch, weshalb er weder ein Verschulden des früheren Bestandnehmers noch einen Schaden des Eigentümers voraussetzt. In der neuesten Rechtsprechung wird die Höhe des Benützungsentgelts mit der des vorher zu bezahlenden Mietzinses keinesfalls gleichgesetzt. Der titellose Benützer einer fremden Sache hat vielmehr ein angemessenes Benützungsentgelt zu leisten, für dessen Höhe der früher zu entrichtende Bestandzins (nur) Anhaltspunkte liefert (SZ 59/203, ImmZ. 1989, 450; Rummel in Rummel2 Rz 15 zu § 1041 ABGB; Würth in Rummel2 Rz 9 zu den §§ 1109, 1110 ABGB; ein Fall des Räumungsaufschubes - § 34 Abs.2 MRG - liegt nicht vor).
Mit Recht hat es deshalb das Berufungsgericht auch als aufklärungsbedürftig angesehen, ob der Kläger schon vor der erstmaligen Annahmeverweigerung einen höheren Betrag als den zuvor geleisteten Bestandzins als Benützungsentgelt gefordert hat.
Das Erstgericht wird deshalb im Sinne der zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung einerseits die Höhe des für die Wohnung Nr.12 angemessenen Benützungsentgelts festzustellen, andererseits aber zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des vom Beklagten durchgeführten Erlages zu klären haben, unter welchen Voraussetzungen die Hinterlegung erfolgt ist.
Der Kostsenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.
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