OGH 7Ob513/96

OGH7Ob513/9620.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Versicherung-AG, Graz, ***** vertreten durch Dr.Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, wider die beklagte Partei Ing.Otto K*****, vertreten durch Dr.Walter Korschelt, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 3,650.841,- samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 27.September 1995, GZ 2 R 45/95-40, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. Oktober 1994, GZ 5 Cg 380/93-25, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Berufungsentscheidung wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur allfälligen Ergänzung des Berufungsverfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen gingen von folgendem Sachverhalt aus:

Im Jahr 1989 stand die Liegenschaft EZ *****, Grundbuch ***** B***** im Eigentum des Gastwirtes Karl B*****, welcher darauf den Gasthof "Goldgrube" betrieb. Im Herbst 1989 wandte sich Karl B***** an den Beklagten in seiner Eigenschaft als gerichtlich beeideten Sachverständigen mit dem Ersuchen um Erstattung eines Gutachtens über den Verkehrswert seiner (hypothekarisch belasteten) Liegenschaft zum Zweck einer Umschuldung. Karl B***** benötigte das Gutachten auch für eine Rentabilitätsberechnung. Karl B***** erwähnte dem Beklagten gegenüber ausdrücklich, daß das Gutachten für eine Geldbeschaffung verwendet werden solle, als geplanter Kreditgeber wurde die S*****bank und ein Bürge genannt. Das Schätzungsgutachten des Beklagten wurde gegen Honorar, datiert mit 24.10.1988, erstellt und wies als Zweck der Schätzung im Gutachten selbst "Feststellung des derzeitigen Verkehrswertes zur Vorlage bei der Bank mit Stichtag 10.10.1988" aus. Das Gutachten des Beklagten weist den Verkehrswert der genannten Liegenschaft mit S 10,787.900,- aus. Es ist hinsichtlich der Liegenschaftsbeschreibung im wesentlichen inhaltlich richtig, inhaltlich unrichtig aber hinsichtlich der Bauzeitwertermittlung, der Pauschalierung von Bewertungsgegenständen und des Inventars sowie der Pachtgrundstücksbewertung, und enthält vor allem keine Ermittlung des Ertragswertes. Das Gutachten stellt sich inhaltlich nur als Ermittlung eines Sachwertes dar. Der Beklagte berücksichtigte nicht, daß der Verkehrswert aus Sachwert und Ertragswert zu ermitteln ist. Bei Miteinbeziehung des Ertragswertes gelangt man zu einem wesentlich niedrigeren Verkehrswert als S 10,000.000,-. Im Rahmen seiner Umschuldungsversuche wandte sich Karl B***** unter anderem auch mit einem Darlehensantrag an die Klägerin, welchem das Gutachten des Beklagten als Nachweis über den Verkehrswert der zu besichernden Liegenschaft beigegeben war. Die Sachbearbeiterin der Klägerin verließ sich auf den im Gutachten angegebenen Verkehrswert und legte ihn ohne weitere inhaltliche Überprüfung ihren Dispositionen zugrunde. Auf der Grundlage des Gutachtens wurde Karl B***** nach Abzug eines Abschlages von 30 %, welcher bei der Klägerin üblich war, eine Darlehenssumme von S 7,000.000,- ausgezahlt. Vereinbarungsgemäß wurde der Klägerin die hypothekarische Sicherheit im ersten Rang auf der Liegenschaft eingeräumt. Karl B***** stellte bereits nach einem Monat seine Zahlungen ein, es kam zur Zwangsversteigerung, bei welcher die Liegenschaft samt Gasthof und Inventar um ein Meistbot von S 2,650.000,- versteigert wurde. Aus dem Meistbot (und dessen Fruktifikationszinsen) erhielt die Klägerin S 2,726.769,58 ausbezahlt. Einschließlich Zinsen sowie verschiedener Kosten und Gebühren ergibt sich ein Gesamtschaden der Klägerin von mehr als S 10,000.000,-. Hätte die Klägerin dem Karl B***** einen Kreditbetrag von wesentlich weniger als S 7,000.000,- angeboten, wäre es zum Kreditvertrag nicht gekommen, da die beabsichtigte Umschuldung mit einem kleineren Betrag nicht möglich gewesen wäre. Das Gutachten des Dipl.Ing.Josef S*****, ein Privatgutachten für die klagende Partei, weist den Verkehrswert der Liegenschaft mit Stichtag 25.Juli 1990 mit S 2,780.000,- aus. Der Sachverständige im Zwangsversteigerungsverfahren, Ing.L*****, ermittelte einen Verkehrswert von S 4,099.407,-. Der im gegenständlichen Verfahren beigezogene Sachverständige Dr.K***** ermittelte zum Stichtag 10.10.1988 einen Verkehrswert von S 6,365.000,-.

Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage zuletzt S 3,650.841,- und brachte dazu vor, der Beklagte hafte ihr für diesen Schaden, weil er ein objektiv unrichtiges Gutachten über den Wert der gegenständlichen Liegenschaft erstellt habe, welches für die Darlehensgewährung ausschlaggebend gewesen sei. Durch die Darlehensauszahlung in Höhe von S 7,000.000,- und daraus resultierende weitere Kosten sei insgesamt ein Schaden von S 7,594.557,58 entstanden; nach Abrechnung des ausbezahlten Meistbotes ergebe sich ein Schaden von S 4,867.788,-. Die klagende Partei gestehe sich ein Viertel Mitverschulden zu, somit ergebe sich der Klagsbetrag.

Der Beklagte bestritt und brachte vor, daß sein Gutachten im wesentlichen richtig sei, der Verkehrswert sei nach objektiven Kriterien ermittelt worden. Dem Gutachter sei bei Vertragsabschluß nicht erkennbar gewesen, daß mit der Gutachtenserstellung auch die Interessen Dritter betroffen werden. Überdies treffe die klagende Partei das alleinige Verschulden an dem ihr entstandenen Schaden, da sie den bei Darlehensgewährungen branchenüblichen Bankverpflichtungen nicht nachgekommen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt; es verpflichtete den Beklagten zur Bezahlung von S 1,333.590,21 samt Anhang und folgerte rechtlich:

Der Beklagte hafte gemäß § 1299 ABGB für den auf Grund seines unrichtigen Gutachtens entstandenen Schaden. Der Beklagte habe in diesem Gutachten grob fahrlässig den Ertragswert der Liegenschaft überhaupt nicht berücksichtigt und sei daher zu einem völlig überhöhten Verkehrswert gelangt. In der Regel hafte ein Gutachter zwar nur gegenüber dem Auftraggeber. In Ausnahmefällen werde aber auch eine Haftung des Gutachters gegenüber Dritten für Schäden anerkannt, welche diese Dritten infolge des Vertrauens auf das ihnen vom Besteller zugänglich gemachte Gutachten erleiden. Der Zweck des Gutachtens, nämlich die Geldbeschaffung für eine Umschuldung bei einer Bank, sei dem Beklagten bekannt gewesen. Dabei sei unerheblich, wen Karl B***** dem Beklagten gegenüber als Geldgeber genannt habe. Das Gutachten habe bei dem bekannten Verwendungszweck für Dritte unter Richtigkeitsgarantie zu stehen. Bei der Ermittlung der Schadenshöhe sei zu beachten, daß ein Darlehensgeber für den Fall einer Zwangsversteigerung damit zu rechnen habe, daß die besicherte Liegenschaft mit nur 50 % des Verkehrswertes ausgerufen und zugeschlagen werden könne. Bei dem von der Klägerin vorgenommenen Abschlag von bloß 30 % handle es sich daher um ihr eigenes (falsch eingeschätztes) Risiko. Die Klägerin hätte im Vertrauen auf den vom Beklagten ermittelten Verkehrswert nur ein Darlehen über 50 % einräumen dürfen. Davon sei der Erlös aus dem Versteigerungsverfahren abzuziehen; auch müsse sich die klagende Partei ein 50 %iges Mitverschulden anrechnen lassen. Auf diese Weise ergebe sich der Klagszuspruch. Die Klägerin habe es unterlassen, weitere Bonitätsprüfungen vorzunehmen und das Gutachten einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen. Schon beim bloßen Durchlesen des Gutachtens wäre zu erkennen gewesen, daß es nur auf einer Sachwertschätzung aufbaue. Von einem Personenkreis, welcher mit Darlehensvergaben gewerbsmäßig befaßt sei, könne als Basiswissen vorausgesetzt werden, daß sich der Verkehrswert aus Sachwert und Ertragswert ergebe.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Ein vertraglich bestellter Sachverständiger hafte gegenüber Dritten für die Richtigkeit seines Gutachtens nur dann, wenn der Besteller des Gutachtens für den Gutachter erkennbar gerade (auch) die Interessen dieses Dritten mitverfolgt habe. Die Interessen eines kreditsuchenden Unternehmers und jene der kreditgewährenden Bank seien aber stets konträr ausgerichtet. Wer bei Bestellung eines Schätzgutachtens besonders betone, daß er es zur Erlangung eines Hypothekarkredites benötige, wolle damit nicht den Dritten, sondern nur sich selbst, möglichst zu Lasten des Dritten, schützen. Der Beklagte hafte daher der klagenden Partei nicht für das von Karl B***** bestellte Gutachten, weil nicht angenommen werden könne, daß dieser bei Bestellung des Gutachtens beim Beklagten auch gerade die Interessen seines Kreditgebers, der Klägerin, mitverfolgen hätte wollen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Zur Frage der Haftung des Sachverständigen für ein unrichtiges Gutachten gegenüber Dritten läßt sich der Meinungsstand in Lehre und Rechtsprechung wie folgt zusammenfassen (vgl Wilhelm, ecolex 1991, 87 mwN; Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten (1983), 81 ff mwN): Abgesehen von einer Haftung ex delictu besteht grundsätzlich eine Haftung des Gutachters nur gegenüber seinem Vertragspartner, dem Gutachtensbesteller. Anfänglich lehnte die Rechtsprechung die Haftung gegenüber Dritten, außer in Fällen dolosen oder sittenwidrigen Zusammenspiels der Vertragspartner gegen den Dritten, ab (vgl JBl 1965, 319). Auf Grund eines bestehenden Haftungsbedürfnisses wurde aber in Ausnahmefällen die Haftung im Sinne des Institutes des Vertrages zugunsten Dritter bzw mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter auf den Dritten ausgedehnt; als Haftungsvoraussetzung wurde verlangt, daß der Besteller bei der Einholung des Gutachtens, für den Sachverständigen erkennbar, gerade auch die Interessen des Dritten mitverfolge (vgl Bydlinski schon in JBl 1965, 321; SZ 43/236 = RdW 1985, 306; JBl 1981, 319; Welser aaO, 85; JBl 1993, 518; SZ 59/51; Harrer in Aicher/Funk, Der Sachverständige im Wirtschaftsleben (1990); SZ 60/2). Da vom Besteller meist nicht ausdrücklich offengelegt werde, ob das Gutachten dritten Personen dienen solle, richte sich die Frage, ob die Interessen des Dritten verfolgt werden, nach dem Zweck des Gutachtens. In der Mehrzahl der Fälle müsse die Haftung des Sachverständigen im Ergebnis verneint werden, da die Interessen des Vertragsbestellers und des Dritten zumeist divergieren. Wer zum Beispiel bei Bestellung eines Schätzgutachtens gegenüber dem Gutachter angebe, es zur Erlangung eines Hypothekarkredites zu benötigen, wolle damit nicht die Interessen des Kreditgebers (des Dritten) schützen, sondern bloß die eigenen (Wilhelm aaO). Die neuere Lehre und Rechtsprechung stützt eine Haftung gegenüber dem Dritten auch auf objektiv-rechtliche Sorgfaltspflichten zugunsten des Dritten. Der Dritte werde von Gesetzes wegen in den Schutzbereich einbezogen. Die Sorgfalt des Gutachters sei geboten, wenn die Äußerung bzw das Gutachten (auch) für den Dritten bestimmt sei und dieser darauf vertrauen soll (Welser aaO 86 f, Wilhelm aaO). Wer diese bestimmten dritten Personen seien, für die die Auskunft oder das Gutachten eine geeignete Vertrauensgrundlage darstellen soll, richte sich nach der Verkehrsübung. Dabei sei darauf zu achten, zu welchem Zweck das Gutachten erstattet wurde (Welser aaO, S 88 f; SZ 57/122; ÖBA 1989, 89). Nur soweit die Aufgabe des Sachverständigen reiche, könne er daher auch verantwortlich werden. Die Haftung bestehe nicht gegenüber beliebigen Personen, sondern nur gegenüber Dritten, bei welchen der Sachverständige konkret damit habe rechnen müssen, die von ihm erteilte Auskunft bzw das erstellte Gutachten werde ihnen zur Kenntnis gelangen und Grundlage für ihre weiteren wirtschaftlichen Dispositionen bilden (ÖBA 1989, 89).

Die in der Revision zitierte Entscheidung 7 Ob 544/92 (= ecolex 1992,

627) kann auf Grund des dort anders gelagerten Sachverhalts für die Lösung des vorliegenden Falles nicht herangezogen werden, weil die Ansprüche eines Erstehers im Zwangsversteigerungsverfahren gegen den dort beigezogenen Sachverständigen bei Unrichtigkeit des Schätzgutachtens einen mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Sonderfall darstellen. Es besteht daher auch kein Anlaß, zur Meinung Wilhelms in ecolex 1992, 626 aus Anlaß des hier vorliegenden Falls Stellung zu nehmen.

Der erkennende Senat schließt sich der vorzitierten neueren Rechtsprechung sowie der Auffassung Welser (aaO) und Wilhelms (in ecolex 1991, 87) an, daß den Sachverständigen eine objektivrechtliche Sorgfaltspflicht zu Gunsten eines Dritten trifft, wenn er damit rechnen muß, daß sein Gutachten die Grundlage für dessen Dispositionen bilden werde. Wird dem Gutachter vom Besteller offen gelegt, daß das Gutachten möglichen Kreditgebern oder Käufern vorgelegt werden wird, dann trifft den Gutachter bei Mißachtung der vorzitierten Sorgfaltspflicht eine Haftung gegenüber dem Dritten.

Voraussetzung für die Haftung des Sachverständigen ist also, daß das Gutachten bestimmten dritten Personen als geeignete Vertrauensgrundlage dienen soll. Das richtet sich nach der Verkehrsübung.

Im hier gegenständlichen Fall hat der beklagte Sachverständige für den Gutachtensbesteller ausdrücklich ein Gutachten über den Verkehrswert der gegenständlichen Liegenschaft "zur Vorlage bei der Bank" erstellt. Damit mußte dem Beklagten bei Gutachtenserstellung klar sein, daß ein kreditgewährendes Institut bei seiner Darlehensvergabe auf die Richtigkeit seines Gutachtens vertrauen wird. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige nicht nur darauf nicht hingewiesen, daß das Gutachten nicht den Verkehrswert der Liegenschaft enthalte (wie in 2 Ob 513/79), sondern er hat den ermittelten Sachwert sogar ausdrücklich fälschlich als Verkehrswert bezeichnet. Er hat daher mit seiner Vorgangsweise gegen das in der Rechtsordnung geschützte Vertrauen des Dritten verstoßen. Da die für eine Verkehrswertberechnung nötige Ertragswertfeststellung fehlt, ist das Gutachten objektiv unrichtig. Gemäß § 1299 ABGB haftet der Sachverständige nach dem Sorgfaltsmaßstab der typischen und demnach objektiv bestimmten Fähigkeiten eines Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises (EvBl 1981/159). Die Ermittlung des Ertragswertes einer Liegenschaft gehört zum typischen Anforderungskatalog für Sachverständige bei Liegenschaftsschätzungen. Die Unterlassung der Ertragswertberücksichtigung bei Ermittlung des Verkehrswertes einer Liegenschaft für eine Kreditvergabe ist als grob fahrlässig zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall ist der von der neueren Lehre und Rechtsprechung herausgearbeitete Ausnahmefall gegeben. Unerheblich ist, daß ein weiterer Zweck des Gutachtens auch eine Rentabilitätsberechnung für Karl B***** sein sollte. Da der Beklagte wußte, daß das von ihm erstattete Gutachten zur Vorlage bei einem Kreditinstitut zur Erlangung eines Hypothekarkredites bestimmt war und dieses Institut auf die Richtigkeit und Verläßlichkeit des Gutachtens vertrauen sollte, ist die Klägerin als Dritte von den objektiv-rechtlichen Schutzwirkungen erfaßt (vgl SZ 57/122, ÖBA 1989, 89). Soferne die im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht abschließend zu beurteilende Kausalität zwischen dem unrichtigen Gutachten und einem Schaden der Klägerin zu bejahen wäre, hätte der Beklagte der Klägerin auf Grund objektiv-rechtlicher Sorgfaltspflichten wegen der Erstellung eines unrichtigen Gutachtens für den aus diesem Grund erlittenen Schaden zu haften (Wilhelm aaO, Welser aaO).

Ob dieser Verstoß des Beklagten kausal für einen der Klägerin entstandenen Schaden war, kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden, weil es das Berufungsgericht auf Grund einer vom Revisionsgericht nicht geteilten Rechtsansicht unterlassen hat, die von beiden Streitteilen gegen die Feststellung des Erstgerichtes über den Verkehrswert der gegenständlichen Liegenschaft im Belehnungszeitpunkt erhobenen Mängel- und Beweisrügen (vgl AS 256 ff in ON 26 und AS 268 ff in ON 27) abzusprechen. Damit liegt aber dem Obersten Gerichtshof keine gesicherte Tatsachengrundlage für die Anwendung der vorzitierten Rechtsmeinung vor. Die Berufungsentscheidung war daher aufzuheben. Sollte das Berufungsgericht im fortgesetzten Berufungsverfahren die bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen übernehmen, so wird es folgende rechtserhebliche Umstände bei seiner Entscheidung zu beachten haben:

Aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergibt sich, daß es bei einem wesentlich geringeren Schätzungsbetrag (auf Grund des bei der Kreditvergabe durch die Klägerin üblicherweise vorgenommenen 30 %igen Abschlages) überhaupt nicht zu einer Darlehensauszahlung an Karl B***** gekommen wäre. Selbst bei Zugrundelegung des höchsten der in der Folge erstatteten Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr.K***** mit S 6,365.000,- (im gegenständlichen Verfahren) hätte unter Berücksichtigung des nach der Geschäftspraxis der Klägerin üblichen 30 %igen Abschlages ein möglicher Darlehensbetrag knapp S 5,000.000,- ausgemacht. Mit einem solchen Betrag wäre die von Karl B***** beabsichtigte Umschuldung nicht möglich gewesen, zu einer Darlehensauszahlung durch die Klägerin wäre es daher nicht gekommen.

Sollte die Kausalität zwischen der unrichtigen Gutachtenserstattung und dem von der Klägerin erlittenen Schaden bejaht werden, müßten auch die gesamten weiteren, den Betrag von S 7,000.000,-

übersteigenden Ansprüche der Klägerin als schadenskausal angesehen werden.

Nach Auffassung des erkennenden Senates müßte sich die Klägerin aber ein Mitverschulden von 50 % anrechnen lassen. Die Klägerin ist zwar eine Versicherung und keine Bank, sie hat sich aber auf die Vornahme von Bankgeschäften eingelassen, konkret auf die Vergabe eines hypothekarbesicherten Darlehens, dessen Ausführung spezielle Kenntnisse verlangt. Sie muß daher nach § 1299 ABGB auch für diese nicht gewöhnlichen Kenntnisse einstehen. Bei Zugrundelegung des Sorgfaltsmaßstabes eines durchschnittlichen Bankangestellten hätte die Sachbearbeiterin der Klägerin bei Studium des Gutachtens erkennen müssen, daß in diesem (nur) vier Seiten langen Gutachten bei der Ermittlung des "Verkehrswertes" der Ertragswert nicht berücksichtigt ist. Daß die angestellte Sachbearbeiterin offensichtlich wenig Erfahrungen mit Schätzungsgutachten von Liegenschaften hatte, ist der Klägerin als Organisationsverschulden anzulasten, ein Anbieter von Darlehen muß über die notwendigen Kenntnisse der Bewertungsgrundlagen am Markt verfügen, bzw in der zuständigen Abteilung sachkundige Mitarbeiter mit solchen Aufgaben betrauen. Einem sachkundigen Bankangestellten wäre schon bei oberflächlicher Betrachtung des Gutachtens klar gewesen, daß darin bloß der Sachwert ermittelt, dieser aber fälschlich als Verkehrswert bezeichnet wurde. Diese Sorgfaltswidrigkeit der Klägerin wäre jener des Beklagten etwa gleichwertig anzusehen; einerseits ist zwar das Gutachten wegen der fehlenden Ertragswertberechnung durch den Sachverständigen als falsch anzusehen ist, andererseits aber hätte die Klägerin diesen Mangel auch erkennen müssen.

Betreffend des Nachweises eines entgangenen Gewinnes, welcher bei grober Fahrlässigkeit grundsätzlich ersatzfähig wäre, wäre schon das Vorbringen der Klägerin als unzureichend anzusehen. Die Vorlage von statistischen Unterlagen über den inländischen Rentenmarkt, Beilage./R, reicht zur Dartuung einer konkreten Gewinnaussicht nicht aus, weil es sich dabei um Behauptungen eines Bruttoerlöses handelt, aber nach der Lebenserfahrung damit verbundene Kosten nicht berücksichtigt werden. Ob die Klägerin den ausbezahlten Darlehensbetrag tatsächlich zu diesen Konditionen angelegt hätte, bzw ob die Höhe des Zinssatzes tatsächlich mit 8 % erzielbar gewesen wäre, ist daraus nicht ersichtlich. Der erkennende Senat teilt nicht die Ansicht der Klägerin, daß der Nachweis, daß sie frei zur Verfügung stehende Gelder zu (hier:) 8 % Zinsen jährlich anlegen könne, bereits zur Stützung ihres über die gesetzlichen Zinsen hinausgehenden Zinsenbegehrens genügt. Sie übersieht dabei, daß die von ihr erwähnte Veranlagung der Gelder in Wertpapieren von einer kalkulatorischen und nicht von einer tatsächlichen Größe der anzulegenden Mittel abhängt. Es entspricht auch der Lebenserfährung, daß eine Versicherung nicht alle Gewinne sondern nur den kalkulatorischen Überschuß, der sich am Jahresende aus der Gegenüberstellung der Prämieneinnahmen zu den kalkulierten Ausgaben ergibt, zu den behaupteten Konditionen gewinnbringend anlegen kann. Auch ist üblich, daß ein bestimmter Rest jederzeit frei verfügbar sein muß. Es kann daher nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß die klagende Partei, hätte sie kein Darlehen ausbezahlt bzw keinen Schaden erlitten, den gesamten Betrag in bestverzinslichen Wertpapieren angelegt hätte. Dazu hat aber die klagende Partei keinerlei nachvollziebare Unterlagen vorgelegt.

Die in JBl 1995, 248; JBl 1993, 399 und ecolex 1996, 168 zitierten Entscheidungen sind daher im Ergebnis nicht anwendbar. Es erweist sich auch die im Rahmen der Rechtsrüge der Berufungsbeantwortung der klagenden Partei erhobene Behauptung als unzureichend, wird doch damit nicht auf einen bestimmten Vorgang Bezug genommen, sondern auf spekulative Überlegungen abgestellt. Da die Voraussetzung des beiderseitigen Handelsgeschäftes nicht vorliegen, wären somit nur der gesetzliche Zinssatz von 4 % ab Klagserhebung zuzusprechen.

Aus den zuvor genannten Gründen war die Berufungsentscheidung aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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