OGH 7Ob47/89

OGH7Ob47/8922.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** R*** AG, Traiskirchen, Wienersdorfer Straße 20-24, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer und Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei N*** S*** A***

V***, Direktion für Österreich, Wien 2,

Praterstraße 78/3/3, vertreten durch Dr. Walter Strigl und Dr. Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,000.000,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. September 1989, GZ 4 R 138/89-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. März 1989, GZ 11 Cg 118/88-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.667,80 (darin S 3.111,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unbestritten blieb, daß Adolf E*** aufgrund des Frachtbriefes vom 3.10.1986 25 Gewebeballen der klagenden Partei zu deren Tochterfirma S*** I*** Ltd in Irland zu transportieren gehabt hätte. Adolf E*** hat dieses Transportgut bei der beklagten Partei versichert. Aufgrund eines vom Frachtführer am 15.10.1986 verschuldeten (zu vertretenden) Unfalles wurde der größte Teil der Ladung beschädigt. Dabei trat ein Schaden von mindestens Ir. Pfund 50.122,51 ein. Die Firma S*** I*** Ltd. hat ihre Schadenersatzansprüche der klagenden Partei abgetreten. Die klagende Partei hat erstmals mit Schreiben vom 15.2.1988 (Beilage ./6) den Schaden gegenüber Adolf E*** geltend gemacht. Dieser hat am 11.7.1988 seine Ansprüche gegenüber der beklagten Partei aus dem Unfall vom 15.10.1986 der klagenden Partei abgetreten und gleichzeitig dieser gegenüber auf die Einrede der Verjährung bis 31.12.1988 verzichtet. Die beklagte Partei hat mit Erklärung vom 23.6.1988 ausdrücklich auf die Einrede der Unzulässigkeit der Abtretung (des Deckungsanspruches) an die klagende Partei verzichtet. Unstrittig ist, daß auf den dem Transportvertrag zugrundeliegenden Beförderungsvertrag die CMR anzuwenden ist und daß der 23.10.1986 fristauslösender Ablieferungstag war. Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Zahlung von 1 Mill. S. Sie stützt ihren Anspruch auf den Verzicht E*** auf die Einrede der Verjährung bis 31.12.1988.

Die beklagte Partei beantragt die Klagsabweisung und wendet die Verjährung der geltend gemachten Forderung gemäß Art. 32 Z 1 CMR ein, weil die schriftliche Reklamation der klagenden Partei erst nach Ablauf der am 23.10.1986 in Lauf gesetzten einjährigen Verjährungsfrist erfolgt sei. Im übrigen sei es E*** laut Punkt

9.2.1.6 der Versicherungsbedingungen untersagt gewesen, ohne Einwilligung der beklagten Partei Ansprüche des Schädigers anzuerkennen. Die beklagte Partei sei aufgrund einer Obliegenheitsverletzung ihres Versicherungsnehmers leistungsfrei, weil der Verjährungsverzicht E*** ohne Wissen und Willen der beklagten Partei und daher unwirksam abgegeben worden sei. E*** sei die Verjährung der Ansprüche der klagenden Partei bekannt gewesen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren aufgrund des unstrittigen Sachverhaltes ab. Es folgerte rechtlich, daß die erstmalige Reklamation der klagenden Partei nach Ablauf der mit 23.10.1986 in Lauf gesetzten einjährigen Verjährungsfrist erfolgt sei. Die ohne Wissen und Willen der beklagten Partei abgegebene Zusage E*** gegenüber der klagenden Partei, bis 31.12.1988 auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, habe daher einen bereits verjährten Anspruch betroffen und stelle eine Obliegenheitsverletzung dar, die zur Leistungsfreiheit der beklagten Partei führe.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der klagenden Partei dieses Urteil. Es erwog rechtlich, daß E*** bei Abgabe der Erklärung, auf die Verjährungseinrede bis 31.12.1988 zu verzichten, zufolge Verjährung nicht mehr schadenersatzpflichtig gewesen sei. Im übrigen bejahte es die vom Erstgericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Leistungsfreiheit der beklagten Partei zufolge Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß Art.2 CMR gilt dieses Abkommen, auch wenn das mit dem Gut beladene Fahrzeug auf einem Teil der Strecke zur See befördert wird (abgesehen von den Fällen des Art.14) für die gesamte Beförderung. Gemäß Art.32 Z 1 CMR verjähren Ansprüche aus einer diesem Übereinkommen unterliegenden Beförderung in einem Jahr. Die Verjährungsfrist beginnt nach lit a leg.cit. bei Beschädigung des Gutes mit dem Tag der Ablieferung. Die Verkürzung der Verjährungsfristen betrifft alle Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung, also auch solche, die nicht aus den Bestimmungen der CMR selbst abgeleitet werden. Die CMR gilt daher auch für Ansprüche, die auf eine deliktische Haftung des Frachtführers gegründet werden (vgl. Schütz in Straube Rz 1 zu Art.32 CMR und zuletzt SZ 58/146 = EvBl 1986/93). Der Normzweck einer kurzen Verjährungsfrist ist, die Austragung von Streitigkeiten zeitlich nicht hinauszuschieben, in denen die Wahrscheinlichkeit typischerweise erheblich gesteigert ist, Sachverhalte erheben zu müssen, die sich in verschiedenen Staaten ereigneten. Art 32 Z 1 CMR ist daher nicht durch teleologische Auslegung einzuschränken (vgl. 6 Ob 767/81). Der von der irländischen Schwesterfirma der klagenden Partei abgetretene Schadenersatzanspruch gegenüber E*** verjährte daher mangels einer Reklamation bis zum 23.10.1987. Der Anspruch der klagenden Partei gegenüber E*** bestand daher gemäß § 1432 ABGB nur mehr in Form einer Naturalobligation (vgl. Mayerhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht, 11). Nach ständiger Rechtsprechung kann aber auch nach eingetretener Verjährung auf die Erhebung dieses Einwandes verzichtet werden (vgl. SZ 24/153, SZ 39/211, SZ 47/28, SZ 47/104, SZ 48/79 und SZ 50/110), außer wenn dem Verzichtenden der Ablauf der Verjährungsfrist unbekannt war (vgl. GlU 3148). Ein Verzicht beinhaltet ein Verfügungsgeschäft (vgl. Klang2 VI, 527). Daraus folgt, daß er nur aufgrund eines gültigen Titels möglich ist. Titel kann auch eine Streitbereinigung sein (vgl. Rummel in Rummel zu § 1444 ABGB Rz 1). Durch einen Verzicht dürfen Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden, die Gültigkeit des Verzichts hängt von ihrer Zustimmung ab (vgl. Rummel aaO Rz 9). Der Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung nach bereits eingetretener Verjährung beinhaltet daher gegenüber dem Fordernden ein Zugeständnis, gleich dem Anerkenntnis, ohne aber dabei eine Zahlungsverpflichtung zu übernehmen. Ist aber klar, daß der Verzicht im Falle einer Klagsführung zu einer Zahlungsverpflichtung führen muß, kommt diesem Zugeständnis daher die Wirkung eines Anerkenntnisses zu. Unbestritten blieb, daß E*** auf die Einrede der Verjährung bis Ende 1988 gegenüber der klagenden Partei nur gegen gleichzeitige Zusage, daß er von ihr aus der Verantwortung entlassen werde, verzichtet hat (vgl. Beilage F). Gleichzeitig hat E*** seinen Deckungsanspruch gegenüber der beklagten Partei, dies allerdings mit deren Zustimmung, der klagenden Partei abgetreten. Die Frage, ob sich die beklagte Partei darauf berufen kann, daß sie von ihrer Deckungsverpflichtung gegenüber E*** infolge Verjährung nach Art.32 Z 1 CMR befreit worden ist, weil zufolge ungenützten Verstreichens der Reklamationsfrist E*** zu gar keiner Schadensregulierung mehr verpflichtet war und weil das Bestehen einer nicht klagbaren Verbindlichkeit außerhalb des bei der beklagten Partei versicherten Risikos lag, kann, wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben, nur durch Beurteilung der E*** anzulastenden Obliegenheitsverletzung beantwortet werden. Nach Punkt 9.2.1.6 der Allgemeinen Bedingungen der beklagten Partei für die Versicherung von Transporten im Güterfernverkehr mit Lastkraftwagen der beklagten Partei darf der Versicherungsnehmer keinen Anspruch ohne Einwilligung der beklagten Partei anerkennen, befriedigen oder abtreten. Nach Punkt 9.3. der zitierten Bedingungen ist die beklagte Partei im Falle der Verletzung dieser Bestimmung leistungsfrei. Hier hat das beklagte Versicherungsunternehmen den objektiven Tatbestand der vorgenannten Obliegenheitsverletzung nachgewiesen. Die die Rechte des Versicherungsnehmers geltend machende klagende Partei ist demgegenüber ihrer Beweispflicht, daß diese Obliegenheitsverletzung weder grob fahrlässig noch vorsätzlich begangen worden ist, nicht nachgekommen. Da der klagenden Partei die direkte Inanspruchnahme der beklagten Partei aus dem Versicherungsvertrag nicht möglich war, führte nämlich E*** Verjährungsverzichtserklärung nur zu einer wieder möglichen Klagbarkeit der Schadenersatzforderung gegenüber ihm selbst, nicht aber gegenüber der beklagten Partei, weil er ja damit ein Zugeständnis machte, das eine gegenüber der beklagten Partei begangene Obliegenheitsverletzung darstellt. Wie bereits dargelegt, kommt einem solchen Zugeständnis, das im Falle der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung auch zu deren Befriedigung führt, die gleiche Wirkung wie einem Anerkenntnis zu. Soweit der Revisionswerber sich darauf beruft, daß mangels Zurückweisung der Reklamation durch den Frachtführer die Verjährung gehemmt sei, ist ihm zu erwidern, daß eine Hemmung einer bereits abgelaufenen Verjährungsfrist nicht denkbar ist (vgl. dazu den gleichgelagerten Fall der Unterbrechung einer bereits abgelaufenen Verjährungsfrist in SZ 47/28).

Der Revision war der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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