European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00040.840.1213.000
Spruch:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 129.200 S binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Im Ausspruch über die Nebengebühren und im Kostenpunkt wird der Aufhebungsbeschluss bestätigt.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt die Deckung aus einer mit der beklagten Partei für seinen KW Mercedes 230 CE abgeschlossenen Kaskoversicherung. Die beklagte Partei beruft sich auf Leistungsfreiheit nach § 38 Abs 2 VersVG.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen hatte der Kläger mit der beklagten Partei am 24. 9. 1980 eine Haftpflicht‑ und Kaskoversicherung für seinen PKW Mercedes abgeschlossen. Die Haftpflichtversicherung erstreckte sich auch auf einen unter einem Wechselkennzeichen betriebenen VW 26. Am 27. 5. 1981 stellte der Kläger den Antrag auf Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung für den Mercedes und einen Peugeot 504 unter dem Wechselkennzeichen. Die unter einem beantragte Kaskoversicherung für den Mercedes hatte den gleichen Inhalt wie die am 24. 9. 1980 abgeschlossene, wofür eine Zusatzprämie von 18.460 S jährlich vereinbart wurde. Das Ende der Kaskoversicherung wurde mit 1. 5. 1983 festgesetzt. Der Fragebogen für die Kaskoversicherung wurde vom Kläger nicht ausgefüllt, sondern mit dem Hinweis versehen: „Siehe Akt vom 24. 9. 1980“. In der aufgrund dieses Antrags ausgestellten Versicherungspolizze ist ein Betrag von 5.038,10 S als Erstprämie bis 1. 8. 1981 ausgewiesen. Die Folgeprämien betragen vierteljährlich 6.954,30 S. Am 16. 10. 1981 stellte der Kläger einen neuerlichen Antrag auf Kraftfahrversicherung, da der Peugeot abgemeldet worden war und nunmehr für den Mercedes ein Einzelkennzeichen vorlag. Entsprechend diesem Antrag wurde eine Polizze mit Geltung ab 16. 10. 1981 und mit einer Folgeprämie von 6.954,30 S ab 1. 2. 1982 ausgestellt. Der Kläger hat alle Versicherungspolizzen erhalten, die dort ersichtlichen Prämien jedoch nicht bezahlt. Er hatte einmal seinen Versicherungsvertreter gefragt, welche Prämie er zu bezahlen habe. Der Versicherungsvertreter verwies ihn an die Landesdirektion der beklagten Partei. Die beklagte Partei mahnte den Kläger am 20. 7. 1981, am 2. 9. 1981 und im Jänner 1982, nunmehr unter Androhung des Kennzeichenentzugs zur Zahlung der Prämie. Am 31. 1. 1982 erlitt der Kläger mit seinem Mercedes einen Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug beschädigt wurde. Die Reparaturkosten wurden im Einvernehmen mit der beklagten Partei mit 136.258 S ermittelt. Die aushaftenden Prämien bezahlte der Kläger am Tage nach dem Unfall, am 1. 2. 1982.
Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, dass es sich bei der Prämie aufgrund der Versicherungspolizze vom 27. 5. 1981 (Beilage II) um eine Erstprämie gehandelt habe, sodass die Voraussetzungen der Leistungsfreiheit der beklagten Partei nach § 38 Abs 2 VersVG gegeben seien. Ein Verschulden der beklagten Partei an der verspäteten Prämienzahlung sei nicht gegeben, auch wenn der Polizze ein Erlagschein nicht angeschlossen gewesen sein sollte. Der Kläger hätte leicht aus der Polizze die Höhe der Prämie und die Zahlstelle feststellen können. Infolge der ausdrücklichen Erklärung der Prämie als Erstprämie, könne auch von einer stillschweigenden Vereinbarung dahingehend nicht gesprochen werden, dass eine an sich als Erstprämie zu behandelnde Prämie als Folgeprämie anzusehen sei.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Nach seiner Rechtsmeinung liege keine Erstprämie vor. Der Versicherungsvertrag laut Polizze Beilage II habe hinsichtlich der Kaskoversicherung den gleichen Inhalt wie der frühere Vertrag; auch das Ende der Versicherungsdauer sei gleich geblieben. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass anstelle eines VW nunmehr ein Peugeot mit dem Wechselkennzeichen mitversichert sein sollte. Hinsichtlich der Kaskoversicherung für den Mercedes liege daher kein neuer Vertrag vor. Im Übrigen könne der Vertrag nach dem erkennbaren Parteiwillen nur so verstanden werden, dass die Haftung der beklagten Partei aufgrund der alten Polizze nicht früher enden sollte, als eine Haftung aufgrund der neuen Polizze eingetreten sei. Die Sache sei jedoch noch nicht entscheidungsreif, weil die beklagte Partei auch eingewendet habe, dass der Kläger auch mit den Folgeprämien trotz mehrmaliger Mahnung in Verzug geraten sei. Dieser Einwand könne nur als Geltendmachung der Leistungsfreiheit nach § 39 Abs 2 VersVG verstanden werden. Das Vorbringen der beklagten Partei lasse allerdings nicht erkennen, inwieweit bei diesen Mahnungen die Erfordernisse des § 39 Abs 1 VersVG eingehalten worden seien. In dieser Richtung sei die Sache noch mit den Parteien zu erörtern. Die beklagte Partei habe ferner Leistungsfreiheit aufgrund einer Obliegenheitsverletzung des Klägers durch verspätete Schadensmeldung in Anspruch genommen. Auch in dieser Hinsicht sei das Verfahren ergänzungsbedürftig.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene Rekurs der beklagten Partei ist teilweise berechtigt.
Zu unterscheiden ist die Änderung der für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Grundsätze unter Wahrung der Identität des Versicherungsverhältnisses und die Aufhebung des Versicherungsverhältnisses unter Begründung eines neuen. Bei einer bloßen Änderung des Versicherungsvertrags würde es sich bei der nach Zusendung der Polizze Beilage II fällig gewordenen Prämie um eine Folgeprämie handeln; läge ein neuer Vertrag vor, wäre eine Erstprämie geschuldet worden. Für die Neubegründung eines Versicherungsverhältnisses spricht es, wenn die für den Versicherungsvertrag wesentlichen Punkte, wie das versicherte Objekt, die Gesamtversicherungssumme, die Prämienzahlung und die Versicherungsdauer völlig neu vereinbart werden ( Bruck‑Möller VVG 8 I 137; 7 Ob 65/83 ua). Dagegen ist die bloße Aushändigung eines neuen Versicherungsscheines kein entscheidungswesentliches Kriterium für die Begründung eines selbständigen neuen Vertrags, selbst wenn der alte Vertrag als erloschen bezeichnet wird. Es kommt daher auf den Einzelfall an ( Bruck‑Möller aaO 141; 7 Ob 65/83). Der Ausstellung einer neuen Polizze kommt ebenso wie der Bezeichnung der Prämie als Erstprämie nach den dargelegten Grundsätzen keine Bedeutung zu. Als wesentliche Änderung kommt im vorliegenden Fall nur die Einbeziehung eines anderen, unter dem Wechselkennzeichen betriebenen Fahrzeugs in die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung in Betracht. Dies könnte allenfalls die Annahme eines neuen Vertrags im Haftpflichtbereich rechtfertigen. Von entscheidender Bedeutung ist nämlich, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Versicherungsverhältnis mit einer Mehrheit von unterschiedlichen Risken für mehr als eine Sache handelt und dass der Versicherungsvertrag über die Fahrzeugversicherung des PKW Mercedes nach dem neuen Antrag des Klägers inhaltlich völlig unverändert bleiben sollte. Daraus ergibt sich die für den Versicherer erkennbare Absicht des Versicherungsnehmers, dass der Versicherungsschutz aus der Kaskoversicherung keine Unterbrechung erfahren und unabhängig vom Wirksamkeitsbeginn der vereinbarten Änderung im Haftpflichtbereich fortbestehen soll (vgl SZ 30/67; 7 Ob 65/83). Daran ändert nichts der Umstand, dass ein neuer Antrag gestellt und eine neue Polizze ausgestellt wurde, weil diese Vorgänge zwar versicherungstechnisch geboten, versicherungsrechtlich jedoch ohne Bedeutung sind (vgl VersR 1982, 865). Für die Kaskoversicherung stellt sich daher die Prämie nach der neuen Polizze, in der die auf die einzelnen Risken entfallenden Teilprämien auch getrennt ausgewiesen sind, als Folgeprämie dar. Dann kann sich aber die beklagte Partei nicht auf Leistungsfreiheit nach § 38 Abs 2 VersVG berufen. Die Leistungsfreiheit wegen Nichtbezahlung einer Folgeprämie ergibt sich zwar gleichfalls aus dem Gesetz, die beklagte Partei hat jedoch das Vorliegen der für den Eintritt dieser Rechtsfolge in § 39 Abs 1 und 2 VersVG normierten Voraussetzungen nicht konkret behauptet und sich nur auf Leistungsfreiheit nach § 38 Abs 2 VersVG berufen (AS 7). Insoweit aber die Leistungsfreiheit aufgrund einer Vereinbarung eintreten soll (Verletzung einer Obliegenheit), hätte sich die beklagte Partei auf diese besondere Vereinbarung berufen und sie nachweisen müssen ( Petrasch , Obliegenheitsverletzung und Leistungsfreiheit in den Kfz‑Versicherungen in Der Sachverständige 1984, 4). Im vorliegenden Fall fehlt sowohl die Berufung auf eine Vereinbarung als auch überhaupt ein Beweisanbot zu dieser Frage. Mangels eines entsprechenden Sachvorbringens und auch eines Beweisanbots kommt daher, entgegen der Meinung des Berufungsgerichts, eine Aufhebung des Ersturteils zwecks Verfahrensergänzung nicht in Betracht.
Da der Anspruch des Klägers der Höhe nach nicht strittig ist, konnte der Oberste Gerichtshof insoweit durch Teilurteil in der Sache selbst auch zum Nachteil der Rekurswerberin – erkennen (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO; Fasching , Zivilprozessrecht Rdz 1983). In Ansehung des Zinsenbegehrens hat es allerdings bei der Aufhebung des Ersturteils mangels Vorliegens jeglicher Feststellungen zur Beurteilung der Fälligkeit und Höhe des Zinsenbegehrens zu verbleiben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.
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