OGH 7Ob3/80

OGH7Ob3/8014.2.1980

SZ 53/27

Normen

KFG 1967 §62 Abs3
KFG 1967 §62 Abs4
VersVG §12 Abs1
KFG 1967 §62 Abs3
KFG 1967 §62 Abs4
VersVG §12 Abs1

 

Spruch:

Die Schadenbehandlungsversicherung ausländischer Kraftfahrzeuge ist Versicherung nach dem VersVG, aber nicht Haftpflichtversicherung. Regreßansprüche des Versicherers verjähren nach § 12 Abs. 1 VersVG OGH 14. Feber 1980, 7 Ob 3/80 (OLG Wien, 15 R 26/79; KG St. Pölten 1 Cg 33/78).

Text

Bei seiner Einreise nach Österreich mit seinem PKW schloß der Beklagte mit der Klägerin beim österreichischen Zollamt W eine Schadenbehandlungsversicherung nach dem Geschäftsplan der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 14. Dezember 1967, BGBl. 403, ab. Art. 1 dieser Verordnung hat folgenden Wortlaut:

"Die im § 62 Abs. 3 des Kraftfahrgesetzes 1967 vorgesehene Schadenbehandlungsversicherung ist zu folgenden Bedingungen abzuschließen: 1. Durch diese Versicherung verpflichtet sich der Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, im eigenen Namen für Rechnung des Versicherungsnehmers (Halters oder Lenkers) Entschädigungsansprüche, die gegen diesen aus einem Schadensereignis gestellt werden, das durch die Verwendung des Kraftfahrzeuges (und des Anhängers, auch wenn dieser nicht mit dem Zugfahrzeug verbunden ist) in Österreich verursacht wurde, im Rahmen der für Fahrzeuge mit inländischem Kennzeichen vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung zu befriedigen oder, soweit sie unberechtigt sind, abzuwehren. 2. Aus dieser Verpflichtung wird dem geschädigten Dritten ein unmittelbarer Anspruch gegen den Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs eingeräumt. 3. Der Versicherungsnehmer beauftragt den Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, bei der Regelung der Versicherungsfälle nach bestem Wissen und Gewissen vorzugehen, und verpflichtet sich, diesem Verband die gezahlten Entschädigungen und Kosten samt Zinsen zu ersetzen."

Noch am Tage seiner Einreise verschuldete der Beklagte einen Verkehrsunfall, bei dem Karl Heinz R schwer verletzt wurde. Mit Urteil des Erstgerichtes vom 10. März 1972, 1 Cg 981/70-17, wurde der an dem Verkehrsunfall allein schuldtragende Beklagte zur Zahlung von 70 000 S samt Anhang an Karl Heinz R verurteilt. Auf Grund der Schadenbehandlungsversicherung erbrachte die für die Klägerin turnusmäßig einschreitende W.-Versicherung bis 15. Mai 1975 an Karl Heinz R und sonstige geschädigte Dritte Leistungen im Betrage von 381 218 S. Weitere Leistungen im Betrage von 7275 S wurden von der Klägerin in der Zeit vom 15. Feber 1977 bis 27. Oktober 1978 erbracht.

Mit der am 30. Jänner 1978 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei, der Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, vom Beklagten nach Klagsausdehnung und Einschränkung des Klagebegehrens den Ersatz der von ihr auf Grund der Schadenbehandlungsversicherung erbrachten Leistungen von 388 493 S samt Anhang. Der Beklagte sei auf Grund dieser Versicherung zum Ersatz der von der klagenden Partei erbrachten Leistungen verpflichtet. Der Beklagte beantragt Klagsabweisung und wendet Verjährung des Klagsanspruches ein.

Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens. Nach seinen Feststellungen forderte die klagende Partei den Beklagten mit Schreiben vom 20. April 1977 auf, an sie 384 334 S zu zahlen. Nach Ansicht des Erstgerichtes sei der Beklagte auf Grund der mit der klagenden Partei abgeschlossenen Schadenbehandlungsversicherung zum Ersatz der von ihr erbrachten Leistungen verpflichtet. Diese Ersatzpflicht grunde sich auf ein bestehendes Auftragsverhältnis. Der Klagsanspruch unterliege daher der dreißigjährigen Verjährung des § 1479 ABGB.

Das Berufungsgericht sprach der klagenden Partei nur 6549 S samt Stufenzinsen zu und wies das Mehrbegehren von 381 944 S samt Anhang ab. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes habe die klagende Partei den Klagsanspruch auf die mit dem Beklagten abgeschlossene Schadenbehandlungsversicherung gestützt. Die klagende Partei mache daher einen Anspruch aus einem Versicherungsvertrag geltend, der in zwei Jahren ab Ende des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden könne, verjährt sei. Auch bei der Schadenbehandlungsversicherung handle es sich um eine Versicherung im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes. Die von der klagenden Partei bis 15. Mai 1975 erbrachten Leistungen im Betrage von 381 218 S seien daher im Zeitpunkte der Klagserhebung am 30. Jänner 1978 bereits verjährt gewesen. Hinsichtlich dieses Betrages sei daher das Ersturteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Nicht verjährt sei hingegen der Ersatzanspruch der klagenden Partei hinsichtlich der von ihr in der Zeit vom 15. Feber bis 22. November 1977 erbrachten Leistungen im Betrage von 6549 S. Die von der klagenden Partei am 27. Oktober 1978 geleistete Zahlung von 726 S sei nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites, weil sie in der Verhandlungstagsatzung am 19. Dezember 1978 ihr Klagebegehren nicht um diesen Betrag ausgedehnt habe. Auch hinsichtlich dieses Betrages sei daher das Klagebegehren abzuweisen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerber bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß es sich bei der Schadenbehandlungsversicherung um eine Versicherung im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes (Bundesgesetz vom 2. Dezember 1958, BGBl. 2/1959) handle. Die für eine Versicherung maßgebenden Merkmale seien bei der Schadenbehandlungsversicherung nicht vorhanden.

Dem Revisionswerber ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Schadenbehandlungsversicherung im § 62 Abs. 3 KFG ausdrücklich als Versicherung bezeichnet wird. Abs. 5 dieser Gesetzesstelle enthält außerdem eine Verordnungsermächtigung für die Erlassung eigener Versicherungsbedingungen und eines Geschäftsplanes für die Schadenbehandlungsversicherung. Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, daß die Schadenbehandlungsversicherung nach der Absicht des Gesetzgebers als Versicherung im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes zu betrachten ist. Auch aus der Ergänzung des Geschäftsplanes für die Schadenbehandlungsversicherung (die Versicherung umfaßt auch Schadensereignisse und ist ... ) ergibt sich eindeutig, daß eine Versicherung im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes vorliegt (Wahle - Grubmann, Das Versicherungsvertragsgesetz, 321 f.).

Entgegen den Revisionsausführungen weist die Schadenbehandlungsversicherung auch alle von der Lehre für eine Versicherung geforderten wesentlichen Merkmale auf: Gemeinschaft, Gefährdete, Gleichartigkeit (Homogenität), Bedarfsdeckung, Wechselseitigkeit (Entgeltlichkeit), Rechtsanspruch und Selbständigkeit (Bruck - Möller, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz[8] I, 96 ff.).

Das versicherte Risiko der Schadenbehandlungsversicherung besteht nach Art. 1 Z. 1 des Geschäftsplanes in der Verpflichtung des Versicherers, gegen den Versicherungsnehmer gestellte Entschädigungsansprüche aus einem von diesem in Österreich verursachten Verkehrsunfall im eigenen Namen für Rechnung des Versicherungsnehmers im Rahmen der für Fahrzeuge mit inländischem Kennzeichen vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung zu befriedigen oder, soweit sie unberechtigt sind, abzuwehren. Die sich aus Art. 1 Z. 3 des Geschäftsplanes ergebende Ersatzpflicht des Versicherten für die vom Versicherer gezahlte Entschädigung einschließlich Kosten samt Zinsen spricht nicht gegen das Vorliegen einer Versicherung. Wie der Rekurswerber selbst einräumen muß, kann auch bei anderen Versicherungen unter bestimmten Voraussetzungen der Versicherer vom Versicherten den Ersatz der von ihm erbrachten Leistungen begehren. Das Besondere der Schadenbehandlungsversicherung liegt darin, daß der Versicherte zum Ersatz der gesamten Leistungen des Versicherers verpflichtet ist. Das vom Versicherer übernommene Risiko besteht darin, zur Regulierung der vom Versicherungsnehmer mit seinem Kraftfahrzeug in Österreich verursachten Schäden in Vorlage treten zu müssen.

Den Ausführungen des Revisionswerbers, die Schadenbehandlungsversicherung widerspreche den Bestimmungen der §§ 149 und 152 VersVG, ist entgegenzuhalten, daß es sich bei dieser Versicherung im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut des § 62 Abs. 3 KFG um keine Haftpflichtversicherung handelt. Daher ist es auch verständlich, daß § 62 Abs. 1 KFG im Gegensatz zu § 59 KFG für ausländische Kraftfahrzeuge den Abschluß einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (Pflichtversicherung) nicht vorschreibt. Die Bestimmungen der §§ 149 bis 158 h VersVG sind somit auf die Schadenbehandlungsversicherung nicht anzuwenden.

Auch das Merkmal der Wechselseitigkeit (Entgeltlichkeit) ist bei Schadenbehandlungsversicherung verwirklicht, weil der Versicherte bei Vertragsabschluß einen als Prämie zu betrachtenden Betrag von ursprünglich 40 S (derzeit 200 S auf Grund der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 12. April 1977, BGBl. 209/1977) zu entrichten hat. Die vom Bund für den Betrieb der Schadenbehandlungsversicherung übernommene Ausfallshaftung für höchstens 90% des Verlustes (§ 62 Abs. 4 KFG) ist mit dem Versicherungsbegriff vereinbar (Bruck - Möller, VVG[8], I, 99).

Nicht recht verständlich ist der Einwand des Revisionswerbers, daß bei der Schadenbehandlungsversicherung dem versicherten ausländischen Kraftfahrzeuglenker kein selbständiger Rechtsanspruch zustehe, weil er im Falle seiner Belangung durch den Schädiger nicht einwenden könne, daß nicht er, sondern der Versicherer leistungspflichtig sei. Der Revisionswerber übersieht nämlich, daß dem Versicherten ein klagbarer Deckungsanspruch nur gegenüber dem Versicherer zusteht, wobei letzterer allerdings in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und auch in der Schadenbehandlungsversicherung vom geschädigten Dritten direkt geklagt werden kann (§ 63 Abs. 1 KFG und Art. 1 Z. 3 des Geschäftsplanes für die Schadenbehandlungsversicherung). Dies ändert jedoch nichts an der Haftung des Versicherten gegenüber dem geschädigten Dritten, weshalb er diesem gegenüber nicht einwenden kann, daß den Schaden seine Versicherung zu decken habe.

Auch wenn man die vom Versicherer der Schadenbehandlungsversicherung zu erbringende Leistung als bloße Garantiezusage betrachten würde, wäre hiemit für den Revisionswerber nichts gewonnen. Auch solche von einem Versicherungsunternehmen gegebene Garantiezusagen sind nämlich als Versicherung zu betrachten, wenn die vorerwähnten, für eine solche erforderlichen Voraussetzungen vorliegen (s. Schmidt - Rimpler, Zum Begriff der Versicherung, VersR 1963, 504 ff.; BGH, VersR 1962, 974; vgl. auch Prölss - Martin, VersVG[21] 33) Richtig ist, daß im Hinblick auf die Regelung des § 3 Abs. 1 VAG nur eine Aktiengesellschaft und ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherungsverträge abschließen darf. Zum Abschluß der Schadenbehandlungsversicherung sind jedoch nach der Sonderregelung des § 62 Abs. 1 KFG nicht nur die in Österreich zugelassenen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, sondern auch der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs berechtigt.

Rechtsgrundlage für den vom Revisionswerber erhobenen Ersatzanspruch ist die mit dem Beklagten abgeschlossene Schadenbehandlungsversicherung. Bei der Klagsforderung handelt es sich somit um einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag, der nach § 12 Abs. 1 VersVG in zwei Jahren verjährt. Die Verjährung beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. Dies ist bei Rückforderungsansprüchen des Versicherers der Zeitpunkt, in dem ihm die seinen Ersatzanspruch begrundenden Umstände bekannt geworden sind (Prölss - Martin VVG[21], 120). Hier konnte der Revisionswerber schon unmittelbar nach Erbringung seiner Leistungen an die geschädigten Dritten vom Beklagten den Ersatz der von ihm bezahlten Entschädigungen und Kosten samt Zinsen begehren. Hinsichtlich des Teilbetrages von 381 944 S, der vom Revisionswerber bis 15. Mai 1975 gezahlt worden war, begann die Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VersVG mit Ablauf des Jahres 1975 zu laufen. Im Zeitpunkte der Klagserhebung am 30. Jänner 1978 war daher der Klagsanspruch hinsichtlich dieses Teilbetrages bereits verjährt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte