OGH 7Ob37/89

OGH7Ob37/8919.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*** O***, Landhaus, Linz, Klosterstraße 7, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B***

Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 2., Praterstraße 1, vertreten durch Dr. Horst Koch, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 294.638,21 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13. April 1989, GZ 6 R 17/89-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3. November 1988, GZ 5 Cg 422/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.125,80 (darin enthalten S 1.854,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen besteht ein Haftpflichtversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen für die Haftpflichtversicherung 1949 (AHB 1949) zugrundeliegen. § 1 Z 1 dieser Bedingungen lautet:

Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, daß er wegen eines eingetretenen Ereignisses, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge hatte, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird.

Zum Ausbau der Weilharter Landesstraße hatte die klagende Partei von Pauline Prinzessin von Schönburg-Waldenburg verschiedene Waldgrundstücke erworben. Im Zuge der Verbreiterungsarbeiten für die Straße war es unter anderem notwendig, diese Grundstücke zu roden, weshalb die klagende Partei bei der Forstbehörde um die Genehmigung dieser Rodung ansuchte. Mit Bescheid vom 8. Juni 1978 erteilte die Forstbehörde die Rodungsbewilligung und verwies die Waldeigentümerin Pauline Prinzessin von Schönburg-Waldenburg bezüglich der - im Zuge des vorangegangenen Verfahrens vom Amtssachverständigen als nicht mit Sicherheit ausschließbar bezeichneten - Folgeschäden der Rodungen auf den Zivilrechtsweg. In der Folge wurde der Bewilligung entsprechend gerodet und die Weilharter Landesstraße ausgebaut. Am 8. Juli 1980 traten orkanartige Stürme auf, die auch zu Schäden in Wäldern der Pauline Prinzessin von Schönburg-Waldenburg und des Karl Graf zu Castell-Castell führten. Die geschädigten Waldeigentümer begehrten von der klagenden Partei den Ersatz des erlittenen Schadens mit der wesentlichen Begründung, daß die Schäden nur wegen der Entfernung des Windmantels im Zuge der behördlich genehmigten Rodungen eingetreten seien.

In dem von Pauline Prinzessin von Schönburg-Waldenburg gegen die klagende Partei angestrengten Schadenersatzprozeß (10 Cg 298/82, fortgeführt unter 10 Cg 17/85 des Erstgerichtes) sprach der Oberste Gerichtshof im Aufhebungsbeschluß vom 14. November 1984, 3 Ob 553/84 (= SZ 57/179) aus, daß die im Zusammenhang mit der Errichtung einer Straße mit behördlicher Bewilligung vorgenommene Rodung und Beseitigung des bisher gegebenen Deckungsschutzes gegen Winde eine Immission im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB ist und, wenn sie in einer das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigenden Weise notwendigerweise zur Folge hat, daß die ortsübliche Benützung eines Nachbargrundstückes wesentlich beeinträchtigt wird, für den dadurch verursachten Schaden gemäß § 364a ABGB schadenersatzpflichtig macht. Daß die Windeinwirkung wegen des über eine normale Schlägerung weit hinausgehenden Umfanges der Schlägerungen der klagenden Partei das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten hat, stand zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits fest. Der Oberste Gerichtshof trug dem Landesgericht Linz jedoch noch eine Ergänzung des Verfahrens dahin auf, ob durch diese Beseitigung des Deckungsschutzes die ortsübliche Benützung der Waldgrundstücke der geschädigten Forsteigentümerin wirklich wesentlich beeinträchtigt wurde und ob durch die Entfernung des Deckungsschutzes überhaupt ein Schaden entstanden ist. Nach Erstattung eines Gutachtens durch einen Forstsachverständigen zahlte die klagende Partei den geschädigten Forsteigentümern den verglichenen Schadenersatzbetrag.

Die klagende Partei wendete auf Grund der Inanspruchnahme durch die geschädigten Forsteigentümer (einschließlich Zinsen und Prozeßkosten) den der Höhe nach außer Streit gestellten Betrag von S 294.638,21 auf.

Mit der Behauptung, ihre Inanspruchnahme durch die geschädigten Forsteigentümer sei ein im Rahmen des zwischen den Streitteilen bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages zu deckendes Risiko begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von S 294.638,21 sA. Die Beklagte habe ursprünglich an der Deckungspflicht nur insoweit Bedenken geäußert, als die Klägerin möglicherweise eine vertragliche Haftung übernommen habe. Da die Beklagte ihre Deckungspflicht aber nach den im Verfahren 10 Cg 17/85 des Erstgerichtes ergangenen Aufhebungsbeschluß nicht in Abrede gestellt habe, müsse zumindest eine stillschweigende Gewährung des Versicherungsschutzes angenommen werden.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der Anspruch gemäß § 364a ABGB sei kein Schadenersatzanspruch, sondern ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, der nicht unter das durch einen Haftpflichtversicherungsvertrag versicherte Risiko falle. Wegen der zwischen Versicherer und Versichertem im Rahmen eines solchen Vertrages bestehenden typischen Interessenlage könne der Beklagten nicht zugemutet werden, für die gegen den Versicherten bestehenden Ausgleichsansprüche einzustehen, die ihrer Natur nach eine Entschädigung eines Dritten für eine besondere Inanspruchnahme seines Vermögens darstellten. Die Klägerin habe durch die Vornahme der bewilligten Schlägerung aber auch die Beschädigung angrenzender Wälder durch Sturm bewußt in Kauf genommen. Der geltend gemachte Anspruch sei daher von der Versicherung ausgeschlossen. Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Anspruch geschädigter Grundnachbarn gemäß § 364a ABGB sei zwar kein ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten eines Schädigers voraussetzender Schadenersatzanspruch. Diese Bestimmung normiere vielmehr eine der Gefährdungshaftung ähnliche Art der Eingriffshaftung. Auch wenn dieser Anspruch in gewisser Weise dem Anspruch auf Enteignungsentschädigung ähnlich sei, bestehe er doch nur in dem Fall, daß der Nachbar tatsächlich einen Schaden erlitten habe. Unter die im § 1 Z 1 AHB 1949 genannten Schadenersatzansprüche gehörten nicht nur die wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens des Versicherungsnehmers erhobenen Ansprüche, sondern auch Ansprüche aus einer Gefährdungshaftung. Der der Entschädigungspflicht des Grundstückseigentümers nach § 364a ABGB zugrunde liegende Gedanke, daß der Schädiger fremdes Rechtsgut zum eigenen Nutzen in Anspruch genommen habe und ihm die Schadenstragung eher zuzumuten ist als dem Geschädigten, sei dem der Gefährdungshaftung zugrundeliegenden Gedanken ähnlich. Die Beklagte habe daher auf Grund des bestehenden Versicherungsvertrages für die gegen die Klägerin gemäß § 364a ABGB erhobenen Ansprüche grundsätzlich Deckung zu leisten. Das Vorliegen eines in den vereinbarten Versicherungsbedingungen enthaltenen Ausschlußtatbestandes verneinte das Erstgericht.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht folgendes aus:

Der im § 1 Z 1 AHB 1949 enthaltene Begriff "Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts" sei auslegungsbedürftig. Da sich die Begriffe "Haftpflicht" und "Schadenersatzpflicht" grundsätzlich nicht voneinander unterschieden, fielen darunter nicht nur die auf ein Verschulden und die auf den Betrieb einer Gefahrenquelle gegründeten, sondern auch die aus der Inanspruchnahme fremden Gutes abgeleiteten Ansprüche. Daran ändere auch nichts der Umstand, daß der Anspruch gemäß § 364a ABGB von der Rechtsprechung als ein der Enteignungsentschädigung verwandter Anspruch bezeichnet werde. Grundsätzlich könne der geschädigte Grundnachbar nur den Ersatz für tatsächlich eingetretene Schäden fordern. Eine Entschädigung allein dafür, daß er den Betrieb der genehmigten Anlage hinnehmen müsse, stehe ihm nicht zu. Insoweit bestehe daher ein erheblicher Unterschied zum Anspruch auf Enteignungsentschädigung. Ansprüche gemäß § 364a ABGB verjährten überdies - wie Schadenersatzansprüche - gemäß § 1489 ABGB innerhalb der kurzen Verjährungsfrist von 3 Jahren. Da durch § 364a ABGB somit nicht ein - einmaliger - durch die Genehmigung einer Anlage bewirkter Wertverlust ausgeglichen, sondern ein durch die Beeinträchtigung verursachter konkreter Schaden ersetzt werde, sei dieser Tatbestand eine gesetzliche Haftungsbestimmung privatrechtlichen Inhalts im Sinne des § 1 Z 1 AHB 1949. Aber auch aus dem sonstigen Inhalt der genannten Versicherungsbedingungen ergebe sich die Deckungspflicht der Beklagten. Gemäß § 4 Abs 5 AHB 1949 seien Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche durch allmähliche Einwirkung der Temperatur, von Gasen, Dämpfen oder Feuchtigkeit, auf Niederschläge ua zurückzuführen seien, ausgeschlossen. Damit seien die für Immissionen typischen Schadensursachen ausgeschlossen worden. Wenn aber in Versicherungsbedingungen schädigende Ereignisse, die für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche typisch, seien, ausgeschlossen würden, sei anzunehmen, daß derartige Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer grundsätzlich schon unter den Versicherungsschutz fallen. Der Entschädigungsanspruch gemäß § 364a ABGB sei auch nicht eine Gegenleistung für den Verlust eines Unterlassungsanspruchs des geschädigten Grundinhabers. Daher sei für den Standpunkt der Beklagten auch unter dem Aspekt der bei Schadenersatzansprüchen im engeren Sinn und nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüchen bestehenden Interessenlagen nichts gewonnen. Im Gegenteil, das Fehlen einer exakten Risikoumschreibung in den Versicherungsbedingungen dürfe nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers gereichen. Im übrigen trat das Berufungsgericht auch der Auffassung des Erstgerichtes bei, daß die von der Beklagten behaupteten Ausschlußtatbestände nicht vorliegen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Abweisung der Klage abzuändern. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung - zulässig, weil zu der entscheidungswesentlichen Frage, ob der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 364a ABGB eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung privatrechtlichen Inhalts im Sinne des § 1 Z 1 AHB 1949 ist, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt. Aus der von der klagenden Partei zitierten Entscheidung 7 Ob 57/87, wonach Schadenersatzverpflichtungen nicht auf Verpflichtungen aus bloßer deliktischer Haftung eingeschränkt werden können und Art. 1 AHVB 1978 jede Risikohaftung bei schadensgeneigter Tätigkeit im fremden Interesse umfaßt, ergibt sich noch nicht die Lösung der streitentscheidenden Frage im vorliegenden Fall. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Die Beklagte führt in ihrer Revision im wesentlichen aus, daß sich aus den vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Literaturstellen (Reichert-Facilides und Vogelsberger, Umweltschutz im österreichischen Privat- und Privatversicherungsrecht, VersRdSch 1979, 431 ff; Fenyves, Zur Deckung von Dienstreisekaskoschäden des Arbeitnehmers durch die Betriebshaftpflichtversicherung des Arbeitgebers, ZAS 1986, 3 ff) keineswegs die vom Berufungsgericht gezogene Schlußfolgerung ergebe. Da der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 364a ABGB von der Rechtsprechung als ein der Enteignungsentschädigung verwandter Anspruch qualifiziert worden sei, sei er damit auch von den gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen im Sinne des § 1 Z 1 AHB 1949 abgegrenzt worden. In der Bundesrepublik Deutschland werde überwiegend die Meinung vertreten, daß der sich aus - dem § 364a ABGB vergleichbaren - § 906 Abs 2 BGB ergebende Anspruch nicht unter die in § 1 AHB genannten Schadenersatzansprüche subsumieren lasse. Wegen der Gleichartigkeit der Regelungen in Österreich könnten diese Lehrmeinungen ohne weiteres übernommen werden. Mit dem vom Berufungsgericht herangezogenen formalen Argument, daß alles "Schadenersatz" sei, was den Ausgleich von Schaden bezweckt, sei für die Auslegung des Begriffes "Schadenersatzverpflichtung" bzw. "Schadenersatzanspruch" nichts gewonnen. Auch aus der kurzen Verjährung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches dürften keine Schlüsse auf den Umfang einer Haftpflichtversicherung gezogen werden. Schließlich ergebe sich auch daraus, daß der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 364b ABGB erstmals in den AHVB 1978 in die Risikoumschreibung aufgenommen worden sei, daß derartige und gleichartige Ansprüche vorher nicht unter das Risiko einer Haftpflichtversicherung gefallen seien. Es sei aber auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes unrichtig, daß es dem Versicherer zugemutet werden könne, für Ansprüche einzutreten, die ihrer Natur nach eine Entschädigung des Dritten für eine besondere Inanspruchnahme seines Vermögens darstellen. Die Überwälzung des Risikos der Nutzungsverschaffung auf fremde Kosten vom Versicherungsnehmer auf den Versicherer könne nicht generell zum Inhalt eines Versicherungsvertrages gemacht werden. Im übrigen habe die klagende Partei das mit einer Rodung klar erkennbare Risiko bewußt in Kauf genommen, weshalb der für den Fall vorsätzlichen Handelns vereinbarte Ausschluß von der Versicherung wirksam sei.

Diese Ausführungen geben Anlaß für folgende Überlegungen: Die Frage, ob ein Schadenersatzanspruch im Sinne der Haftpflichtversicherungsbedingungen vorliegt, wurde vom Obersten Gerichtshof bisher - ausdrücklich nur für den Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung - dahin beantwortet, daß darunter nicht nur jene des EKHG sondern auch die Schadenersatzvorschriften des ABGB zu verstehen sind (VersRdSch 1954, 264; ZVR 1985/43; 7 Ob 57/87). In einer weiteren Entscheidung (ZVR 1982/136) wurde zum Ausdruck gebracht, daß der Haftpflichtversicherer im Rahmen des Versicherungsschutzes für den Aufwand, den der Versicherte an Stelle eines Schädigers zur Beseitigung einer Gefahrenquelle gemacht hat, Deckung zu gewähren hat. In diesen Entscheidungen wurde somit bereits ausgesprochen, daß die Inanspruchnahme für Personen- oder Sachschäden auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen, wie der Gegenstand der Haftpflichtversicherungen in den einschlägigen Versicherungsbedingungen umschrieben wird, nicht voraussetzt, daß es sich um Schadenersatzansprüche gegen den Versicherten handeln muß, die wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens vom Gesetz eingeräumt werden.

Mit der konkreten Frage, ob der gegen den Versicherten bestehende nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß § 364a ABGB von der Haftpflichtversicherung zu decken ist, haben sich im österreichischen Schrifttum Reichert-Facilides und Vogelsberger sowie Fenyves befaßt. Reichert-Facilides und Vogelsberger weisen darauf hin, daß die zum Schadenersatz verpflichtende Eingriffshandlung im Sinne des § 364a ABGB weder rechtswidrig noch schuldhaft sein muß und § 364a ABGB somit keinen Schadenersatzanspruch sondern einen Ausgleichsanspruch begründet, der in manchem dem Anspruch auf Entschädigung wegen Enteignung ähnelt (aaO 424). Diese Autoren kommen im Rahmen ihrer Arbeit jedoch zu keinem abschließenden Ergebnis, weisen aber darauf hin, daß diese Frage auch unter dem Aspekt des vertraglichen Schutzzweckes zu sehen sei (aaO 431). Fenyves kommt zu dem im Rahmen seiner Aufgabenstellung liegenden Schluß, im Einklang mit der deutschen Lehre sei festzuhalten, daß die Verpflichtung des Arbeitgebers auf Grund der "Risikohaftung bei schadensgeneigter Tätigkeit in fremden Interesse" eine "Schadenersatzverpflichtung" im Sinne des Art. 1 AHVB 1978 sei (aaO 9). Für die hier entscheidende Frage kann daraus somit nichts Konkretes abgeleitet werden.

Die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland ist mit der in Österreich insoweit vergleichbar, weil sowohl die Allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen als auch die Allgemeinen Kraftfahrzeughaftpflichtbedingungen den Gegenstand der Versicherung dahin umschreiben, daß gegen den Versicherungsnehmer auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Die §§ 906 Abs 2, 912 BGB sehen verschuldensunabhängige Ausgleichsansprüche zugunsten jenes Nachbarn vor, der eine Immission bzw einen Überbau zu dulden hat, sind also funktionell mit der Eingriffshaftung gemäß § 364a ABGB und der "nachbarrechtlichen Gefährdungshaftung" gemäß § 364b ABGB vergleichbar (Fenyves aaO 5 f). § 906 Abs 2 BGB normiert allerdings einen Geldausgleich, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benützung des Nachbargrundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt, während im § 364a ABGB vom Ersatz des durch eine ortsunübliche Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage zugefügten Schadens die Rede ist. Wussow, AHB7, 176 ff tritt für die Deckungspflicht des Versicherers im Fall eines gegen den Versicherten bestehenden Anspruchs gemäß § 906 Abs 2 BGB ein. Auch diese Bestimmung bemesse den Ausgleichsanspruch nach dem materiellen Schaden. Eine ähnliche Position nimmt Syre ein (VersR 1973, 116 f). Bruck-Möller-Johannsen, VVG8, 320, gehen zwar ebenfalls davon aus, daß es nicht darauf ankommt, wie eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung, die dem Ausgleich eines Schadens dient, in Lehre und Rechtsprechung bezeichnet wird. Daher könne Versicherungsschutz durchaus auch für Ausgleichsansprüche, privatrechtliche Aufopferungsansprüche oder Entschädigungsansprüche bestehen. Nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche gemäß §§ 906 Abs 2, 912 BGB, die ihrer Natur nach eine Entschädigung des Dritten für eine besondere Inanspruchnahme seines Vermögens darstellen, seien von der Haftpflichtversicherung aber nicht zu decken (aaO 324). Gleichzeitig wird aber auch darauf hingewiesen, daß die abweichende Meinung Wussows in der Praxis nur geringe Bedeutung hätte, weil der Ausschluß von Ersatzansprüchen aus allmählicher Einwirkung von Gasen, Dämpfen, Rauch, Ruß, Staub und dgl. dafür sorge, daß der Hauptteil derartiger Ansprüche ohnedies ausgeschlossen werde. Prölss-Martin, VVG24, 936 f, unterscheiden bei Ansprüchen aus Immissionen, die der Dritte dulden muß: Gehe es lediglich darum, den Dritten für den erlittenen Schaden zu entschädigen, dann liege - außer bei Vorsatz - ein von der Haftpflichtversicherung zu deckender Schadenersatzanspruch vor. Ziehe aber der Versicherungsnehmer aus der Beeinträchtigung des Dritten einen dauernden Vorteil, so daß es sich (mindestens auch) um den Ausgleich einer Vermögensverschiebung handle, werde der Nutzwert des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, erhöht. So weit Ansprüche aus Schadloshaltung des Dritten aus diesem Umstand ausgelöst werden, handle es sich nicht um solche im Sinne des § 1 AHB.

§ 364a ABGB gewährt nach herrschender Auffassung (Koziol, Haftpflichtrecht II 316 f; Spielbüchler in Rummel, ABGB Rz 1 zu § 364a; SZ 48/45; SZ 48/61; SZ 51/114 uva) einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, weil der Schaden von behördlich genehmigten Anlagen ausgeht und der Immittent daher nicht rechtswidrig handelt, wenn er die typischerweise mit dem Betrieb verbundenen Einwirkungen verursacht. Der Anspruch aus § 364a ABGB wird dem Nachbarn als Ersatz für den Entzug des Unterlassungsanspruchs gewährt und ist daher mit dem Anspruch auf Entschädigung bei Enteignung verwandt. Diese Regelung ist daher mit § 906 Abs 2 BGB durchaus vergleichbar. Wendet man aber die in der Bundesrepublik Deutschland für die Deckung nachbarrechtlicher Ausgleichsansprüche durch eine Haftpflichtversicherung entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann kann die Deckungspflicht der Beklagten entgegen der von ihr in der Revision vertretenen Auffassung nicht schlechthin verneint werden. Für den vorliegenden Fall ist nämlich kennzeichnend, daß der den benachbarten Forsteigentümern zugefügte Schaden nicht durch irgendwelche von einer behördlich genehmigten Anlage der klagenden Partei ausgehende Immissionen verursacht wurde. Der von einem Naturereignis ausgelöste Schaden konnte nur deshalb entstehen, weil die klagende Partei - mit behördlicher Bewilligung - einen Wald gerodet hat, der die Funktion eines Windschutzes hatte. Daraus, daß die klagende Partei zum Zwecke der Verbreiterung einer Straße, also im öffentlichen Interesse, einen Wald gerodet hat, hat sie keinen dauernden Vorteil gezogen. Im vorliegenden Fall dient der den geschädigten Nachbarn zuerkannte Schadenersatz auch nicht als Ausgleich für eine Vermögensverschiebung.

Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob das Schadenereignis unter das versicherte Risiko fällt, ist jedoch die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebende Risikobeschreibung (7 Ob 27/80). Wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat (WBl 1989, 287), kommt es dabei darauf an, wie die dem Vertrag zugrunde gelegten Versicherungsbedingungen von einem durchschnittlich verständigen Versicherten aufgefaßt werden konnten. Unklarheiten gehen zu Lasten des Versicherers. An dieser Auffassung ist im Interesse des Vertrauensschutzes weiterhin festzuhalten.

§ 1 Abs 1 AHB 1949 schränkt den Gegenstand der Versicherung nicht ausdrücklich auf Schadenersatzansprüche bestimmter Art ein. Die Wortfolge "auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts" nimmt ebenfalls keine solche Einschränkung vor. Aus dem in § 4 Abs 1 Z 5 AHB 1949 enthaltene Ausschluß von der Versicherung für Haftpflichtansprüche aus Sachschäden welche (ua) durch allmähliche Einwirkung der Temperatur, von Gasen, Dämpfen oder Feuchtigkeit und von Niederschlägen (Rauch, Ruß, Staub und dgl.) entsteht, läßt sich aber durchaus entnehmen, daß die Haftung für Immissionsschäden grundsätzlich Gegenstand der Versicherung ist. Daraus, daß in die AHVB 1978 und 1986 ein Anspruch aus der nachbarrechtlichen Gefährdungshaftung (§ 364b ABGB) aufgenommen wurde, kann für den Umfang der Haftpflichtversicherungsverträge, denen die AHB 1949 zugrunde liegen, kein Schluß gezogen werden. Ob damit gegenüber diesen Bedingungen eine Ausdehnung oder eine Einschränkung des Versicherungsschutzes vorgenommen werden sollte, muß daher im vorliegenden Fall nicht beurteilt werden.

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Inanspruchnahme der klagenden Partei durch die geschädigten Grundstücknachbarn in das versicherte Risiko fällt, ist daher frei von Rechtsirrtum. Was den von der Revision noch aufrecht erhaltenen Ausschluß von der Versicherung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens (§ 4 Abs 2 Z 1 AHB 1949) anlangt, ist der Beklagten entgegenzuhalten, daß eine vorsätzliche Schadenszufügung nicht festgestellt wurde. Daraus aber, daß der im Verfahren auf Erteilung einer Rodungsbewilligung gehörte Amtssachverständige auf die Störung des im Laufe der Jahre eingestellten, durch den gerodeten Wald bewirkten Deckungsschutzes (als sog. Windmantel) hingewiesen hat und Folgewirkungen durch Wind und Sonnenbrand nicht ausschließen konnte, ergibt sich auch nicht, daß sich die klagende Partei des schädlichen Erfolges einer Rodung bewußt war und sich mit diesem abgefunden hat (dolus eventualis).

Aus den dargelegten Gründen war der Revision daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte