Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit S 34.236,-- bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 5.706,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit Notariatsakt vom 3.10.1996, errichtet vom öffentlichen Notar Dr.Friedrich M*****, Kufstein, haben die Beklagten den Klägern ihre Geschäftsanteile an der im Firmenbuch des LG Innsbruck registrierten F***** GmbH, welche in I***** eine Diskothek betreibt, um den Gesamtbetrag von S 250.000 abgetreten. Die Kläger sind seither je zur Hälfte Gesellschafter dieser GmbH mit einem Stammkapital von S 500.000. Nach Punkt 3 des Notariatsaktes sind sich die Vertragsparteien über die Berichtigung des Abtretungsentgeltes einig; diese soll laut einer gesonderten Vereinbarung erfolgen.
Außerhalb des Notariatsaktes vereinbarten die Vertragsparteien in einem undatierten schriftlichen Vertrag, der nicht in der Form eines Notariatsaktes errichtet wurde, ein Abtretungsentgelt von DM 500.000, wovon DM 450.000 am 28.10.1996 fällig sein sollten. In dieser Vertragsurkunde vereinbarten die Streitteile als Gerichtsstand München. Die Kläger haben den Betrag von DM 450.000 gezahlt. Daß die Zahlung in Österreich erfolgte, ist nicht erwiesen. In der undatierten Vertragsurkunde ist dazu festgehalten:
"Die Zahlung erfolgt in Teilbeträgen mit bankverbürgten Schecks, die teilweise auf die Verkäufer ausgestellt sind, teilweise zur Ablöse vorhandener Verbindlichkeiten der F***** GmbH gegenüber der F***** Gesellschaft bürgerlichen Rechts K*****, und der bisherigen Gesellschafter Rainer H***** und Oliver K***** dienen.
Die restlichen DM 50.000 sind am 31.10.1997 fällig und werden von den Käufern gegenüber den Verkäufern mit Wechsel abgesichert...."
Sämtliche Beklagte haben ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Kläger begehren die Rückzahlung des bereits geleisteten Kaufpreisteiles von DM 450.000 Zug um Zug gegen Vorlage eines Notariatsaktes über die Übertragung der gesamten Geschäftsanteile der Kläger an die Beklagten. Die Beklagten hätten sie zum Abschluß des undatierten Kaufvertrages arglistig in Irrtum geführt. Sie hätten den Klägern die unbeschränkte und rechtsgültige Genehmigung der Diskothek in allen nur erdenklichen Belangen zugesagt. Aufgrund einer Intervention des Stadtmagistrates Innsbruck Ende November/Anfang Dezember 1996 habe sich demgegenüber ergeben, daß die Diskothek nicht der Betriebsanlagengenehmigung vom 15.1.1991 entsprochen habe, weil Auflagen nicht eingehalten worden seien. Auch seien Umbauten erfolgt, die eine völlig neue Betriebsanlagengenehmigung erforderten. Das LG Innsbruck sei gemäß Art 5 Z 1 und 3 LGVÜ zuständig. Die im undatierten Kaufvertrag, aber nicht im Notariatsakt enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung (München) sei unwirksam.
Die Beklagten wendeten die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts mit der Begründung ein, daß im Kaufvertrag München als Gerichtsstand vereinbart worden sei. Für eine derartige Gerichtsstandsvereinbarung sei auch in Verbindung mit der Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH kein Notariatsakt erforderlich.
Das Erstgericht wies die Klage zurück. Der Gerichtsstand gemäß Art 5 Z 1 LGVÜ sei nicht gegeben, weil der Erfüllungsort für die Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises - Geldschulden seien nach österreichischem Recht Schickschulden - in der Bundesrepublik Deutschland liege. Auf Art 5 Z 3 LGVÜ könnten sich die Kläger nicht berufen, weil Vertragsanfechtungen wegen Willensmängel nicht unter den Gerichtsstand der unerlaubten Handlungen fielen.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichts und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Gegenstand des Rechtsstreites seien Rückabwicklungsansprüche, die nicht aus dem Notariatsakt sondern aus der undatierten Vertragsurkunde abgeleitet würden. Da diese Vertragsurkunde eine Gerichtsstandsklausel enthalte, sei dem Schriftlichkeitsgebot des Art 17 Abs 1 LGVÜ genüge getan. Diese (wahre) Vereinbarung über die Entrichtung des Abtretungsentgelts sei gültig; die nicht gewollte Vereinbarung über das Abtretungsentgelt im Notariatsakt dagegen nicht. Für die Übertragung von Geschäftsanteilen einer GmbH bedürfe es einerseits eines gültigen Rechtsgeschäfts als Rechtsgrund und andererseits gemäß § 76 Abs 2 GmbHG eines Notariatsaktes als sachenrechtlichem Übertragungsakt. In den Notariatsakt müßte nicht einmal der Rechtsgrund der Übertragung aufgenommen werden, weil Zweck der Formvorschrift nur die Immobilisierung der Geschäftsanteile sei, die nicht zu einem Gegenstand des Handels werden sollten. Die Erreichung dieses Zwecks werde durch die Angabe eines im Vergleich zur tatsächlich vereinbarten Gegenleistung niedrigeren Kaufpreises im Notariatsakt nicht gefährdet, sodaß formlose Nebenabreden oder Zusatzabkommen über die Erhöhung des im Notariatsakt vereinbarten Kaufpreises im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts als gültig und wirksam angesehen werden müßten.
Art 17 LGVÜ sehe die Möglichkeit von Parteienvereinbarungen sowohl über die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts als auch über die internationale Zuständigkeit jeweils eines Vertragsstaates vor. Wegen des Vorrangs des Übereinkommens vor dem autonomen staatlichen Recht verdränge Art 17 LGVÜ im Rahmen seines Anwendungsbereichs die weiterhin geltenden nationalen Zuständigkeitsvorschriften. Dem Art 17 LGVÜ seien Mindestanforderungen an derartige Vereinbarungen zu entnehmen, weil die Bestimmung vor allem gewährleisten wolle, daß Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt eines Vertrages würden. Jede Seite müsse sich nach dem Inhalt des Vertrags mit einer Gerichtsstandsklausel tatsächlich einverstanden erklärt haben. An der Gültigkeit der vorliegenden Gerichtsstandsvereinbarung könne kein Zweifel bestehen, weil sie klar und deutlich aus dem Vertrag hervorgehe. Eine derartige Zuständigkeitsvereinbarung habe - im Unterschied zu § 104 JN - die ausschließliche Zuständigkeit des prorogierten Gerichts (Vertragsstaates) zur Folge. Zwar könnten auch in diesem Bereich nach dem auch hier geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit Gerichtsstände vereinbart werden, die nur konkurrierend neben die normative Zuständigkeitsordnung treten sollten, doch müßte ein entsprechender Wille der Parteien in der Abrede eindeutig zum Ausdruck gebracht werden. Da aber auch derartiges hier zweifellos nicht vorliege, verdränge die getroffene Gerichtsstandsvereinbarung den Gerichtsstand für Vertragsklagen nach Art 5 Z 1 LGVÜ. Art 5 Z 3 LGVÜ wäre allerdings nicht anwendbar, weil sich dieser Gerichtsstand nur auf Klagen beziehe, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht werde. Somit fehle es hier an der inländischen Gerichtsbarkeit.
Der dagegen von den Klägern erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Kläger halten im Revisisonsrekurs ihre Auffassung aufrecht, daß die Bestimmungen in Art 5 Z 1 und 3 LGVÜ auf die vorliegende Klage anzuwenden seien; die Derogationswirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art 17 Abs 1 LGVÜ komme nicht zum Tragen, weil im Klagebegehren (indirekt) auch ein Feststellungsbegehren enthalten sei. Ein Feststellungsbegehren aber, mit welchem die Nichtigkeit eines gesamten Vertrags geltend gemacht werde, werde von der Derogationswirkung einer Vereinbarung gemäß Art 17 Abs 1 LGVÜ nicht erfaßt. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:
Die Kläger haben ihren Wohnsitz in Österreich, die Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland. Die gerichtliche Zuständigkeit für Klagen in einem Vertragsstaat gegen Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats haben, ist seit 1.9.1996 nach dem am 16.9.1988 in Lugano abgeschlossenen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LGVÜ) zu beurteilen. Österreich hat dieses Abkommen am 1.9.1996 ratifiziert, die BRD bereits am 4.9.1994. Die internationale Zuständigkeit für die vorliegende, am 17.3.1997 eingebrachte Klage ist daher nach dem genannten Übereinkommen zu beurteilen, weil dieses dem nationalen Recht vorgeht (siehe zum Parallelübereinkommen EuGVÜ Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht5 Einl Rz 13; 4 Ob 313/97a). Gemäß Art 2 Abs 1 LGVÜ sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Der Wohnsitzgerichtsstand bildet demnach in diesen Fällen die Regel, sofern die Art 5 bis 18 des Übereinkommens nichts anderes festlegen (RV 34 BlgNR 20.GP 29; 4 Ob 233/97m). Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, können vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß den Vorschriften des 2. bis 6.Abschnitts des Übereinkommens verklagt werden (Art 2 Abs 1 LGVÜ). Daher ist im vorliegenden Fall primär zu prüfen, ob die Beklagten, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, also einem Vertragsstaat, haben, nach dem Übereinkommen in Österreich geklagt werden können.
Gemäß Art 5 Z 1 LGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus dem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. In dieser Bestimmung kommt das Bestreben zum Ausdruck, wegen der engen Bindung, die ein Vertrag zwischen den Vertragsparteien schafft, sämtliche Streitigkeiten, die bei der Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung auftreten können, vor ein und dasselbe Gericht, nämlich das Gericht des Erfüllungsortes, zu bringen (Kropholler aaO Rz 5 zu Art 5). Diese Bestimmung erfaßt sowohl den nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht bestimmten Erfüllungsort als auch den vereinbarten Erfüllungsort (4 Ob 313/97a). Zu den Verpflichtungen aus einem Vertrag gehören nicht nur die unmittelbaren vertraglichen Pflichten, etwa Leistungs-, Zahlungs- oder Unterlassungspflichten, sondern auch die Verpflichtungen, die an die Stelle einer nicht erfüllten vertraglichen Verbindlichkeit treten, also vor allem Schadenersatz- oder Rückerstattungsansprüche, und zwar auch dann, wenn sie (erst) aus dem Gesetz folgen (Kropholler aaO Rz 9 zu Art 5 und die dort angeführte Judikatur des EuGH zum EUGVÜ).
Unter der erfüllten oder zu erfüllenden "Verpflichtung" versteht Art 5 Z 1 LGVÜ grundsätzlich diejenige Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet (Kropholler aaO Rz 12 zu Art 5 mit Judikaturhinweisen). Beansprucht der Kläger Schadenersatz oder die Auflösung des Vertrags aus Verschulden des Gegners, so ist diejenige vertragliche Verpflichtung heranzuziehen, deren Nichterfüllung zur Begründung dieser Anträge behauptet wird (Kropholler am zuletzt angeführten Ort). Für Feststellungs- und Gestaltungsklagen, die den Bestand des gesamten Vertragsverhältnisses betreffen, ist zu differenzieren: Kommt es für das Klagebegehren in der Sache auf die Nicht- oder Schlechterfüllung einer bestimmten vertraglichen Verpflichtung des Beklagten an, so ist auf den Erfüllungsort dieser Verpflichtung abzustellen; ist der Vertragsschluß selbst im Streit, so mag am Erfüllungsort einer jeden vertraglichen Hauptpflicht ein kompetentes Gericht zur Verfügung stehen (Kropholler aaO Rz 15 zu Art 5).
Im vorliegenden Fall erhebt der Kläger einen auf die Anfechtung des Vertrags wegen eines Willensmangels erhobenen Rückforderungsanspruch, für dessen Berechtigung das Zustandekommen des Vertrags nur als Vorfrage zu prüfen ist. Der Rückabwicklungsanspruch tritt nicht an die Stelle einer der beiden vertraglichen Hauptpflichten. Maßgebend für den Erfüllungsort ist nach dem Wortlaut des Art 5 Z 1 LGVÜ demnach der den Gegenstand des Verfahrens bildende Rückforderungsanspruch, der ebenfalls zu den vertraglichen Ansprüchen im Sinne dieser Bestimmung des Übereinkommens gehört.
Der Erfüllungsort für die geltend gemachte "Verpflichtung" bestimmt sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts maßgebend ist (Kropholler aaO Rz 16 zu Art 5 mwN). Geldschulden sind sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht Schickschulden (Koziol/Welser10 I 228; Palandt, BGB54 Rz 5 zu § 270), die mangels besonderer Vereinbarung am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen sind. Die geltend gemachte Zahlungsverpflichtung ist demnach weder nach österreichischem noch nach deutschem Recht in Österreich zu erfüllen, wenn auch die Kläger ihren Wohnsitz in Österreich haben und sich das Geschäft, aus dem der Rückforderungsanspruch abgeleitet wird, auf Geschäftsanteile einer in Österreich registrierten GmbH betrifft. Ein vom Gesetz abweichender Erfüllungsort wurde nicht vereinbart. Nach Art 5 Z 1 LGVÜ ist daher ein österreichisches Gericht für den gegen die Beklagten erhobenen Anspruch nicht international zuständig.
Gemäß Art 5 Z 3 LGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Unter den Begriff der unerlaubten Handlungen, der ebenso wie der in Art 5 Z 1 festgelegte Begriff des Vertrages autonom bestimmt werden muß (Kropholler aaO Rz 49 zu Art 5) fallen unterschiedliche Deliktstypen wie Straßenverkehrsunfälle, Umweltbeeinträchtigungen, Schädigung durch fehlerhafte Produkte, Kartellverstöße, unlauterer Wettbewerb, Verletzung von Immaterialgüterrechten udgl. Einer unerlaubten Handlung sind etwa Ansprüche aus der Gefährdungshaftung gleichgestellt, nicht dagegen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Kropholler aaO Rz 50 zu Art 5). Die Kläger machen somit keinen Schadenersatzanspruch im dargestellten Sinn, sondern einen Rückabwicklungsanspruch aus einem Vertrag geltend, sodaß der Ort des "Schadenseintritts" hier nicht maßgebend sein kann.
Die Beklagten, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland haben, können daher nach den dargestellten Bestimmungen nicht vor einem österreichischen Gericht verklagt werden. Ob die in der Zusatzvereinbarung festgehaltene Gerichtsstandsvereinbarung die behandelten Gerichtsstände ausschließen würde, muß daher nicht geprüft werden.
Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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