OGH 7Ob34/95

OGH7Ob34/9529.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****Allgemeine V*****-AG, ***** vertreten durch Dr.Ekkehard Beer und Dr.Kurt Bayr, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Manfred P*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Rainer Strickner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 150.697 sA und Feststellung, infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 28.April 1995, GZ 4 R 69/95-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilzwischenurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28.Dezember 1994, GZ 40 Cg 119/94-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

Beschluß

gefaßt:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen;

und 2.) zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision der klagenden Partei und der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war am 2.7.1993 mit seinem bei der klagenden Partei haftpflichtversicherten PKW an einem Verkehrsunfall beteiligt.

Die klagende Partei begehrte S 150.697 sA mit der Behauptung, daß sie diesen Betrag an den geschädigten Dritten geleistet habe, sowie die Feststellung, daß der Beklagte für sämtlichen weiteren Aufwand hafte, den die klagende Partei dem geschädigten Dritten in Zukunft zu erbringen habe. Der Beklagte habe vor dem Unfall die Folgeprämie nicht bezahlt, obwohl ihm die klagende Partei am 10.6.1993 eine qualifizierte Nachfrist gesetzt habe. Die klagende Partei sei daher gegenüber dem Beklagten gemäß § 39 Abs 2 VersVG leistungsfrei und zum Regreß berechtigt.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, wobei er insbesondere auch einwendete, die qualifizierte Mahnung nicht erhalten zu haben. Es fehle überdies am Feststellungsinteresse, weil der Unfallsgegner nur leichte Verletzungen ohne Dauerfolgen erlitten habe.

Das Erstgericht sprach aus, daß das Klagebegehren des Inhaltes, der Beklagte sei schuldig, der klagenden Partei S 150.697 sA zu zahlen, dem Grunde nach zu Recht bestehe und behielt die Entscheidung über die Höhe des Leistungsanspruches, über das Feststellungsbegehren und über die Kostenentscheidung der Endentscheidung vor.

Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte, der die Prämien vierteljährlich mittels Erlagschein zu begleichen hatte, bezahlte die im Mai 1993 fällige Folgeprämie nicht. Die klagende Partei übersendete daraufhin dem Beklagten eine qualifizierte Mahnung mit Nachfristsetzung, die sie eingeschrieben aufgab. Die Postsendung wurde beim Postamt hinterlegt, weil der Beklagte nicht anzutreffen war. Mangels Behebung wurde die Postsendung am 7.7.1993 an die klagende Partei zurückgesendet, wo sie am 9.7.1993 einlangte. Es ist davon auszugehen, daß im Briefkasten des Beklagten zumindest eine Verständigung (wenn nicht zwei Verständigungen) über die Hinterlegung zurückgelassen wurde.

Der Beklagte war vom 9.6.1993 bis 12.7.1993 auf Urlaub, den er zunächst in Österreich verbrachte. Am 2.7.1993 kehrte er von seinem Ferienaufenthalt innerhalb Österreichs nach Innsbruck zurück. Noch bevor er seine Wohnung aufsuchte, kam es um 23,50 Uhr in Innsbruck zu einem Verkehrsunfall. Der Beklagte fuhr anschließend nach Hause, um seinen PKW gegen sein Motorrad auszuwechseln, mit dem er am nächsten Tag nach Italien auf Urlaub fuhr. Die Post hatte er während seines Aufenthaltes in seiner Wohnung nicht durchgesehen. Einen Nachsendeauftrag hatte er für die Zeit seiner urlaubsbedingten Abwesenheit nicht erteilt. Er hatte auch sonst keine Vorkehrungen getroffen, um regelmäßig in den Besitz der an ihn gerichteten Post zu gelangen. Zum Zeitpunkt des Unfalles hatte der Beklagte die Folgeprämie mangels Kenntnis der Mahnung nicht eingezahlt. Die klagende Partei hat die dem Unfallsgegner entstandenen Schäden beglichen.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, daß der Beklagte auf Grund seines Zahlungsverzuges mit der Mahnung rechnen habe müssen und daher verpflichtet gewesen wäre, während seines Urlaubes einen Nachsendeauftrag zu erteilen. Vorerst sei eine Entscheidung nur über den Grund des Anspruches möglich gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Teil-Zwischenurteil über das Leistungsbegehren dahin ab, daß es das Leistungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Gericht zweiter Instanz führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß erwiesen sei, daß der Beklagte die Mahnung nicht erhalten habe. Es gebe keine Vorschrift, die an die Nichtbehebung eines eingeschriebenen Briefes die Sanktion der Zustellung knüpfe. Der Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, bei seinem nur kurzen Aufenthalt in der Wohnung während der Unterbrechung seines Urlaubes seine Post auf allfällige Benachrichtigungen über hinterlegte eingeschriebene Briefe zu überprüfen. Außerdem lasse die bloße Benachrichtigung des Empfängers durch das Postamt, daß für ihn eine Postsendung zur Abholung bereit gehalten werde, das Schriftstück noch nicht in seinen Machtbereich gelangen. Nur wenn der Benachrichtigungszettel einen Hinweis auf den Absender enthielte und den Empfänger darüber aufklärte, welche Angelegenheit die Einschreibsendung zum Gegenstand habe, wäre die Benachrichtigung geeignet, den Zugang des Einschreibebriefes zu ersetzen. Derartige Hinweise auf der Benachrichtigung seien hier jedoch nicht erwiesen. Es liege auch kein Hinweis darauf vor, daß der Beklagte mit einer eingeschriebenen Mahnung durch die beklagte Partei hätte rechnen müssen. Die beklagte Partei habe nicht erwiesen, daß sich der Beklagte der Zustellung der Mahnung trotz deren Kenntnis absichtlich entzogen habe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Wirkung der Benachrichtigung von der Hinterlegung qualifizierter Mahnungen im Sinn des § 39 VersVG vorliege.

Zur Revision der beklagten Partei, die sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht nicht auch das Feststellungsbegehren abgewiesen hat:

Rechtliche Beurteilung

Da sich das Erstgericht die Entscheidung über das Feststellungsbegehren vorbehalten hat und mit Teil-Zwischenurteil nur über das Zahlungsbegehren dem Grunde nach entschieden hat, konnte das Berufungsgericht infolge funktioneller Unzuständigkeit nicht über das Feststellungsbegehren absprechen, auch wenn es die Ansicht vertrat, daß das Klagebegehren insgesamt dem Grunde nach nicht zu Recht besteht. Die Revision vermag keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, sodaß sie gemäß § 508 a Abs 2 ZPO zurückzuweisen war.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

Zur Revision der klagenden Partei:

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Frage, ob die Tatsache, daß der Beklagte während der Zeit, in der er sich vom 2. auf den 3.Juli 1993 in seiner Wohnung aufhielt, nicht nach seiner Post gesehen hat, den wirksamen Zugang der Mahnung zur Folge hatte, ist hier entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz und der klagenden Partei in ihrer Revision nicht entscheidungswesentlich. Denn die Leistungsfreiheit des Versicherers ist bei nicht rechtzeitiger Zahlung einer Folgeprämie nicht nur daran geknüpft, daß dem Versicherungsnehmer eine der Bestimmung des § 39 Abs 1 VersVG entsprechende Mahnung zugegangen ist, sondern gemäß § 39 Abs 2 VersVG auch daran, daß die vom Versicherer bestimmte Zahlungsfrist bei Eintritt des Versicherungsfalles bereits abgelaufen ist (und, wenn der Verzug nach dem 1.1.1995 eingetreten ist - vgl § 191 b Abs 2 Z 8 VersVG -, daß den Versicherungsnehmer an der nicht rechtzeitigen Zahlung ein Verschulden trifft). Die Leistungsfreiheit gemäß § 39 VersVG wirkt nur für die Zukunft. Sie hat keinen Einfluß auf die Gefahrentragungspflicht für bereits eingetretene Versicherungsfälle. Es kommt darauf an, ob der Versicherungsnehmer zu den maßgebenden Zeitpunkten (Versicherungsfall, Fristablauf) in Verzug ist; ob vor der Fristsetzung oder während der in der Erklärung gesetzten Frist Verzug bestanden hat oder nicht, ist ohne Belang (SZ 45/111; Schauer, Versicherungsrecht3, 229 f; Prölß-Martin, VVG25, 304).

Selbst wenn der Beklagte bei seiner Heimkehr in der Nacht vom 2. auf den 3.7.1995 seine Post durchgesehen, von der Hinterlegung des Mahnschreibens Kenntnis erhalten und das Mahnschreiben ehestmöglich vom Postamt abgeholt hätte, wäre die Nachfrist zum Unfallszeitpunkt keinesfalls abgelaufen gewesen, sondern hätte überhaupt erst nachher begonnen.

Da der Beklagte zum Zeitpunkt der Hinterlegung der qualifizierten Mahnung (behaupteter Absendungszeitpunkt: 10.6.1993) bis unmittelbar nach dem Unfall am 2.7.1993 ortsabwesend war, kann die betreffende Postsendung zumindest bis dahin nicht als an ihn zugegangen angesehen werden. Der Beklagte hatte ja bis dahin keine Möglichkeit, die Mahnung und Nachfristsetzung zur Kenntnis zu nehmen (vgl JBl 1971, 485; SZ 53/28 mwN). Auf die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Beklagte einen Nachsendeauftrag erteilen hätte müssen, um seiner Obliegenheitspflicht zur Vorsorge, daß ihm rechtlich erhebliche Erklärungen zugehen können, zu entsprechen, kommt die Revision zu Recht nicht zurück. Während eines auf einige Wochen beschränkten Urlaubes, der noch dazu an verschiedenen Aufenthaltsorten verbracht wird, erscheint ein Nachsendeauftrag weder notwendig noch sinnvoll, weil damit durch unvorhersehbare Postwege oder Ereignisse, die etwa eine vorzeitige Heimkehr bewirken könnten, erst recht der möglichst rasche und sichere Erhalt von Poststücken gefährdet werden könnte.

Da es somit am Erfordernis des Ablaufes der Nachfrist im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles fehlt, hat das Gericht zweiter Instanz das Teil-Zwischenurteil des Erstgerichtes jedenfalls im Ergebnis zu Recht im Sinn einer Abweisung des Teilbegehrens (Zahlungsbegehrens), über das das Erstgericht entschieden hat, abgeändert.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 2 (§ 392 Abs 2) ZPO.

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