OGH 7Ob34/04g

OGH7Ob34/04g30.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Versicherungs AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Hubert R*****, vertreten durch Dr. Georg Muhri, Rechtsanwalt in Graz, wegen (restl) EUR 18.107 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 17. November 2003, GZ 3 R 187/03z-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 25. September 2003, GZ 20 Cg 131/02b-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.000,98 (darin enthalten EUR 166,83 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hatte bei der klagenden Versicherung einen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag für seinen PKW abgeschlossen. Als der Beklagte die Folgeprämie nicht zahlte, bestimmte die Klägerin mit Schreiben vom 23. 11. 2000 schriftlich eine 14-tägige Zahlungsfrist. Gleichzeitig belehrte sie ihn über die Rechtsfolgen, die gemäß § 39 Abs 2 VersVG mit dem Ablauf der Zahlungsfrist verbunden sind. Obwohl dem Beklagten dieses Schreiben zuging, bezahlte er (zunächst) weder die eingemahnten noch die weiteren fälligen Prämien. Zur Frage, ob die Klägerin ihre Leistungsfreiheit infolge Prämienzahlungsverzuges gemäß § 61 Abs 3 KFG bei der Zulassungsbehörde angezeigt hat, konnten keine (genauen) Feststellungen getroffen werden (Seite 8 des Ersturteils bzw Seite 7 der Berufungsentscheidung).

Am 19. 1. 2001 - nach Ablauf der 14-tägigen Zahlungsnachfrist - stieß der Beklagte (mit seinem PKW) in G***** im Kreuzungsbereich der B 65 mit der Autobahnabfahrt der A 2 mit dem von Daniela S***** gelenkten und gehaltenen PKW zusammen, weil er ihren Vorrang auf der Bundesstraße gegenüber der von ihm benützten, mit dem Verkehrszeichen "Halt" beschilderten Autobahnabfahrt (durch Überfahren der Haltelinie um etwa 2 m) missachtete.

Aus diesem Grund wurde der Beklagte gemäß § 88 Abs 1 StGB wegen fahrlässiger Körperverletzung seiner Beifahrerin Christine U***** verurteilt. Beim Unfall erlitten Daniela S*****, Genoveva S***** und Christine U***** Verletzungen. Die Klägerin leistete den geschädigten Unfallopfern Ersatz in Höhe von EUR 18.107,62.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin den Rückersatz von EUR 18.157 sA infolge Leistungsfreiheit wegen (Folge-)Prämienverzuges nach qualifizierter Mahnung.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er wendete - soweit im Revisionsverfahrens noch von Bedeutung - ein, die Klägerin treffe ein "überwiegendes Mitverschulden" (bzw sogar das "Alleinverschulden") daran, dass die gegenständlichen Zahlungen von ihr geleistet werden mussten, weil sie durch eine den zwingenden Gesetzesbestimmungen entsprechende Mitteilung an die zuständigen Behörden dafür hätte sorgen müssen, dass der Beklagte nicht trotz fehlenden Versicherungsschutzes nach wie vor über die Kennzeichen[-tafeln] seines Fahrzeuges verfügte und dieses ordnungsgemäß in Betrieb nehmen konnte. Die in § 61 KFG normierte Anzeigepflicht diene "einzig und allein" (ON 17) dem Schutz des Versicherungsnehmers, indem die Zeitspanne für die Leistungsfreiheit möglichst kurz gehalten werde. Hätte die Klägerin den Gesetzesauftrag in leg cit erfüllt, wären dem Beklagten - angesichts der 43 vom Eintritt der Leistungsfreiheit bis zum Unfall verstrichenen Tage - noch vor dem 19. 1. 2001 die Kennzeichentafeln abgenommen worden, und es wäre "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" nicht zum Unfall gekommen; jedenfalls wären dem Beklagten die Tatsache der Leistungsfreiheit und die damit verbundenen Gefahren besser bewusst geworden.

Die Klägerin hielt dem entgegen, dass nach Ablauf der Zahlungsfrist am 7. 12. 2000 und der daran anschließenden Leistungsfreiheit bis zum Unfalltag (19. 1. 2001) eine zwangsweise Einziehung der Kennzeichentafeln selbst bei sofortiger Anzeige nicht hätte gelingen können; nach fruchtlosem Verstreichen der Nachfrist erfolge nämlich "üblicherweise" nach § 44 Abs 1 lit b KFG die Anzeige an die Zulassungsbehörde, welche innerhalb eines Monats das Verfahren auf Einleitung der Aufhebung der Zulassung vorzunehmen habe. Außerdem sei sich der Beklagte offenbar ohnehin der Leistungsfreiheit bewusst gewesen und habe dennoch sein Kfz gelenkt.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von EUR 18.107,62 sA und wies das Mehrbegehren von EUR 49,38 sA sowie ein Zinsenmehrbegehren - unangefochten und daher rechtskräftig - ab. Die Regresspflicht des Beklagten begründete es mit der Leistungsfreiheit der Klägerin wegen Prämienverzuges nach vorangegangener qualifizierter Mahnung. Hinsichtlich des Mitverschuldenseinwandes des Beklagten sei von § 61 Abs 4 KFG (im Ersturteil jeweils unrichtig: "KVG") auszugehen. Die dem Versicherer nach leg cit obliegende Verpflichtung, jene Behörde, die den Zulassungsschein für das Fahrzeug ausgestellt hat, von der Leistungsfreiheit zu verständigen, berühre das zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer bestehende Vertragsverhältnis nicht. Aus dem Unterbleiben einer derartigen Verständigung könne ein Verzicht auf die Geltendmachung der in § 39 Abs 2 VersVG geregelten Leistungsfreiheit ebensowenig geschlossen werden, wie aus dem Unterbleiben einer Kündigung des Versicherungsvertrages durch den Versicherer (vgl 7 Ob 39/73). Wenn der Versicherer eine Meldung an die Zulassungsbehörde gemäß § 61 Abs 3 KFG abgebe, könne die Behörde nach § 44 Abs 1 lit b KFG schon mit der Einleitung eines Verfahrens [zur Aufhebung der Zulassung] bis zu einem Monat zuwarten. Nur wenn der Versicherer auch die Beendigung des Versicherungsvertrages durch Rücktritt herbeiführe und dies der Zulassungsbehörde nach § 61 Abs 4 KFG anzeige, beginne die einmonatige Frist des § 158c Abs 2 VersVG zu laufen und sei daher Eile am Platz, weil in einem solchen Fall der Versicherer auch in Ansehung Dritter von der Verpflichtung zur Leistung frei werde. Daraus lasse sich ableiten, dass ein Rechtswidrigkeitszusammenhang der qualifizierten Mahnung und der gleichzeitig abzusendenden Mitteilung an die Zulassungsbehörde durch den Versicherer nicht bestehe. Auf den Mitverschuldenseinwand sei daher nicht mehr einzugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Feststellungen des Ersturteils enthielten zwar keine genauen Aussagen darüber, ob nun die Klägerin eine entsprechende Anzeige an die Behörde erstattet habe, oder nicht. Dennoch liege keine "Feststellungslücke" iSd § 496 Abs 1 Z 3 ZPO vor, weil die Berufung des Beklagten auch dann scheitere, wenn die Klägerin zur Zeit des Unfalls noch keine Anzeige an die Behörde erstattet haben sollte. § 61 Abs 4 KFG gebiete, jeden Umstand der zuständigen Behörde anzuzeigen, der das Nichtbestehen oder die Beendigung der vorgeschriebenen Kfz-Haftpflichtversicherung zur Folge habe. Wenn eine Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Dritten zu befürchten sei, habe die Behörde neben der Aufhebung der Zulassung auch den Zulassungsschein und die Kennzeichentafel unverzüglich abzunehmen (§ 61 Abs 5 KFG). Die "Amtshaftungsjudikatur" verlange dabei von der Behörde eine aktive Fahndung nach dem Fahrzeug. Eine Untätigkeit der Behörde könne Amtshaftungsansprüche des geschädigten Dritten auslösen. Solche würden aber solange verneint, als der Versicherer nach § 158c VersVG (bei Kfz-Haftpflichtversicherungsverträgen daher nun: § 24 KHVG 1994) ihm gegenüber noch hafte.

Judikatur und Lehre bejahten zwar auch einen Amtshaftungsanspruch des geschädigten Lenkers und Halters, wenn die Behörde nach erfolgter Anzeige eine zeitgerechte Abnahme von Zulassungsschein und Kennzeichentafeln versäume, weil der Halter im öffentlichen Interesse nicht in die Lage kommen solle, durch einen Unfall mit unangemessen hohen und existenzvernichtenden Schadenersatzforderungen belastet zu werden. Außerhalb dieser "Amtshaftungsjudikatur" werde die Bestimmung des § 61 Abs 4 KfG jedoch als Schutzvorschrift zugunsten des geschädigten Dritten (und wohl auch: zugunsten des Versicherungsunternehmens selbst) ausgelegt.

Obwohl es hier nicht um die Leistungsfreiheit des Versicherers, sondern um den "Mitverschuldenseinwand" gehe, passe auch die vom Erstgericht zitierte Entscheidung (ZVR 1974/109): Die Aussage, wonach die unterlassene Anzeige gegenüber dem Verkehrsamt das Rechtsverhältnis der Parteien aus dem Versicherungsvertrag keineswegs berühre und auch keinen Regressverzicht indiziere [vgl auch: RIS-Justiz RS0065648], korrespondiere nämlich gut mit dem Verständnis der Norm als Schutzvorschrift allein zugunsten des geschädigten Dritten. Diese Auslegung entspreche auch der Judikatur deutscher Gerichte zu § 29 dStVZO. Auch dort werde die Ansicht vertreten, die Norm solle die missbräuchliche Verwendung von nicht mehr ausreichend versicherten Fahrzeugen verhindern. Die Vorschrift diene dem Schutz des durch ein Fahrzeug Geschädigten, nicht aber dem Schutz des Halters und Fahrers. Entgegen der - vom Berufungsgericht nicht gebilligten - "weitgehenden" Deutung des Beklagten (wonach § 61 KFG "einzig und allein" dem Schutz des Versicherungsnehmers bzw der Prävention von Regressansprüchen des Versicherers und/oder von Schadenersatzansprüchen Dritter diene), sei zu bedenken, dass ihm eine Belehrung über die Konsequenzen des Prämienverzuges nach Ablauf der Mahnfrist zugegangen sei. Die Mahnung nach § 39 VersVG habe ausdrücklich auf den fehlenden Versicherungsschutz hingewiesen. Wenn ein Versicherungsnehmer meine, bei eingegangenen Mahnungen bräuchte ihn nur die Höhe der ausstehenden Beträge, nicht aber der weitere Text zu interessieren (Parteiaussage des Beklagten Seite 5 in ON 20), könnte er sich später nicht mehr darauf berufen, sein Vertragspartner müsse ihn durch entsprechende Anzeige bei der Behörde vor einer Selbstschädigung behüten. Das im Amtshaftungsrecht angenommene öffentliche Interesse, den Halter eines unversicherten Fahrzeuges nicht mit (mitunter) unangemessen hohen und existenzvernichtenden Schadenersatzforderungen zu konfrontieren, sei nicht zwingend auch auf Treuepflichten [des Versicherers] gegenüber dem säumigen Vertragspartner zu übertragen.

§ 61 Abs 4 KfG schütze daher im Verhältnis zwischen den am Versicherungsvertrag Beteiligten tatsächlich nur den geschädigten Dritten, nicht aber den Versicherungsnehmer, den die Behörde bei Gefahr im Verzug durch Abnahme von Zulassungsschein und Kennzeichentafeln an der Inbetriebsetzung seines Fahrzeuges hätte hindern können. Die in der Berufung geforderten Zusatzfeststellungen seien daher entbehrlich. Ebenso erübrige sich ein Eingehen auf das von der Klägerin schon vor dem Erstgericht herangezogene und in der Berufungsbeantwortung wiederholte Argument, selbst eine prompte Anzeige gegenüber der Behörde hätte unter Bedachtnahme auf den übrigen Aktenlauf keinesfalls Gewähr für eine erfolgreiche Abnahme der Kennzeichentafeln noch vor dem Unglückstag geboten. Das Erstgericht habe daher zutreffend den Regressanspruch der Klägerin wegen Leistungsfreiheit "des Versicherungsnehmers" (richtig: des Versicherers) bejaht.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision lägen deshalb vor, weil die in der "Amtshaftungsjudikatur" gemachte Aussage, die Anzeige gegenüber der Behörde gemäß §§ 44, 61 KFG solle auch den Halter vor der Konfrontation mit (möglicherweise) unangemessen hohen und (oft) existenzvernichtenden Ersatzansprüchen "behüten", auch auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien des Versicherungsvertrages übertragen werden könnte, wobei es dann erforderlich wäre, sowohl die in der Berufung als auch in der Berufungsbeantwortung geforderten Zusatzfeststellungen zu behandeln.

Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im zur Gänze (allenfalls - unter Berücksichtigung eines allfälligen Mitverschuldens der Klägerin - in einem dem Mitverschulden entsprechenden Teil) klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Frage, ob die zu 7 Ob 39/73 (RIS-Justiz RS0065648 = ZVR 1974/109 = VersR 1993, 977) dargelegten Grundsätze auch auf einen (ebenfalls aus der unterlassenen Anzeige nach § 61 Abs 3 KFG abgeleiteten) "Mitverschuldenseinwand" des Versicherungsnehmers gegen den Rückersatzanspruch des Versicherers anzuwenden sind, zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Vorweg ist klarzustellen, dass sich der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung (auf die sich die Vorinstanzen berufen) mit einer dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt gleichartigen Fallgestaltung zu beschäftigen hatte; nämlich einer Klage des Kfz-Haftpflichtversicherers gegen den Versicherungsnehmer auf Rückersatz erbrachter Leistungen (aus einem von diesem verschuldeten Verkehrsunfall) infolge Leistungsfreiheit gemäß § 39 Abs 2 VersVG (Folgeprämienverzug nach qualifizierter Mahnung). Auch dort war das Versicherungsverhältnis nicht gekündigt worden und die Verständigung der Zulassungsbehörde von der Leistungsfreiheit unterblieben. Den daraus abgeleiteten Einwand des dort Beklagten, der klagende Versicherer habe durch das Unterbleiben der Verständigung des Verkehrsamtes (von der "vermeintlich eingetretenen Leistungsfreiheit") und das Unterlassen der Kündigung des Versicherungsvertrages konkludent zum Ausdruck gebracht, dass keine Leistungsfreiheit gegeben sei, beurteilte der erkennende Senat wie folgt:

"Die Verpflichtung (des Versicherers), die Behörde, welche den Zulassungsschein für das Fahrzeug ausgestellt hat, von der Leistungsfreiheit zu verständigen, berührt das zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer bestehende Vertragsverhältnis nicht. Aus dem Unterbleiben einer derartigen Verständigung kann ein Verzicht auf die Geltendmachung der zufolge ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers im § 39 Abs 2 VersVG geregelten Leistungsfreiheit ebenso wenig erschlossen werden wie aus dem Unterbleiben einer Kündigung des Versicherungsvertrages durch den Versicherer" (RIS-Justiz RS0065648).

Hier wie dort geht es somit um den Regressanspruch des Versicherers infolge Leistungsfreiheit, der (nur noch) mit dem Hinweis auf die Unterlassung der Verständigung nach § 61 KFG bestritten wird. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung muss daher vorliegend nur überprüft werden, ob die dargestellte Beurteilung in Anbetracht der - vom Beklagten neu ins Treffen geführten - "Amtshaftungsjudikatur", also der Rechtsprechung, wonach (auch) dem Halter und/oder Lenker allenfalls Ansprüche nach dem AHG zustehen können, wenn die Zulassung eines Fahrzeuges nicht aufgehoben wird (bzw die Kennzeichentafeln nicht eingezogen werden), obwohl keine (Haftpflicht-)Versicherung mehr besteht (vgl Gruber, Kfz-Zulassung - Amtshaftung bei Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers, ZVR 1991, 33 FN 1; Schragel AHG³ JÜ Rz 331 mwN), aufrecht erhalten werden kann. Sollte auch nach dieser Prüfung iSd bisherigen Rsp weiterhin davon auszugehen sein, dass die genannte Anzeigepflicht des Versicherers das zwischen diesem und dem Versicherungsnehmer bestehende Vertragsverhältnis "nicht berührt", wäre nämlich nicht einzusehen, weshalb der hier zugrundeliegende Fall anders zu beurteilen sein sollte, als jener, der zu 7 Ob 39/73 entschieden wurde; kann es doch keinen Unterschied machen, ob der (infolge Leistungsfreiheit wegen Folgeprämienverzuges auf Rückersatz der erbrachten Versicherungsleistungen in Anspruch genommene) Versicherungsnehmer seine aus dem gleichen Verstoß (gegen die oa Anzeigepflicht) abgeleitete Einwendung unter dem Titel "überwiegendes Mitverschulden" bzw "Alleinverschulden" des Versicherers geltend macht, oder (wie zu 7 Ob 39/73) unter Berufung darauf erhebt, der Versicherer habe damit "zum Ausdruck gebracht", dass keine Leistungsfreiheit gegeben sei.

Zunächst ist auf die normativen Grundlagen dieser Anzeigepflicht einzugehen:

Die hier allein in Frage kommende Verpflichtung des Versicherers, der Behörde (in deren örtlichem Wirkungsbereich das Fahrzeug zugelassen ist) den qualifizierten Folgeprämienverzug des Versicherungsnehmers nach Ablauf der in § 39 Abs 1 VersVG bestimmten Zahlungsfrist unter Angabe des Kennzeichens anzuzeigen, ist unter der Überschrift "Anzeige der Leistungsfreiheit" in § 61 Abs 3 KFG normiert. Abs 4 leg cit legt unter dem Titel "Anzeige der Vertragsbeendigung" eine gleichartige Anzeigepflicht des Versicherers betreffend "jeden Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung der für ein Fahrzeug vorgeschriebenen Kfz-Haftpflichtversicherung zur Folge hat", fest.

Davon, dass die Klägerin (auch) die letztgenannte Anzeigepflicht (nach § 61 Abs 4 KFG) verletzt hätte, ist jedoch nicht auszugehen; im vorliegenden Fall wurde nämlich nicht behauptet und auch nicht festgestellt, dass die Klägerin eine Kündigung des Versicherungsverhältnisses gemäß § 39 Abs 3 VersVG bereits mit der Bestimmung der Zahlungsfrist derart verbunden hätte, dass sie mit Fristablauf wirksam werde (vgl auch das vorgelegte Muster einer "ersten Folgemahnung gemäß § 39 VersVG", das keine derartige Kündigung enthält [Beilage ./Q]). Auf die diesbezüglichen Revisionsausführungen (Seite 13 f der Revision), die sich von der Tatsachengrundlage der angefochtenen Entscheidung entfernen, ist daher nicht weiter einzugehen.

Was nun die vom Beklagten angesprochene Frage einer allfälligen Amtshaftung für die Unterlassung der durch die Behörde gemäß § 44 Abs 1 lit b bzw c KFG obligatorisch vorzunehmende Aufhebung der Zulassung (bzw die weiteren - damit in Zusammenhang stehenden - Fragen der Ablieferungspflicht betreffend Zulassungsschein und Kennzeichentafeln nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Bescheides über die Aufhebung der Zulassung [§ 44 Abs 4 KFG] sowie der Verpflichtung der Behörde, bei Gefahr im Verzug, unbeschadet der Bestimmungen des § 44 Abs 1 lit c leg cit über die Aufhebung der Zulassung, den Zulassungsschein und die Kennzeichentafel unverzüglich abzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass der Versicherer in Ansehung des Dritten nach § 24 Abs 2 KHVG 1994 leistungsfrei wird [§ 61 Abs 5 KFG; vgl dazu: Grubmann KFG 1967 [2000] 314 ff Anm 1 ff zu § 44 KFG]) betrifft, ist dem Revisionswerber zuzugestehen, dass damit - unstrittig - die Verhinderung von durch nicht versicherte Kraftfahrzeuge verursachten Verkehrsunfällen, also der Schutz dritter Verkehrsteilnehmer vor derartigen Schäden iSd öffentlichen Verkehrssicherheit bezweckt wird (Grubmann aaO 314 Anm 1 zu § 44 KFG; Gruber aaO 41 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur österr und deutschen Rsp in FN 71; Schragel aaO Rz 331 Abs 1 mwN).

Auch im Rahmen der Amtshaftung ist jedoch nach der jeweiligen Anzeige des Versicherers zu prüfen, ob ein Fall des § 44 Abs 1 lit b oder lit c leg cit vorliegt (Gruber aaO 39 f); nur eine Anzeige über die Beendigung des Versicherungsverhältnisses (§ 61 Abs 4 KFG) hat nämlich nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 158c Abs 2 VersVG (hier: iVm § 24 Abs 2 KHVG 1994) auch in Ansehung eines Dritten die Beendigung einer Haftung des Versicherers (nach Ablauf von 3 Monaten nach Einlangen der Anzeige) zur Folge. Bei der bloßen Übermittlung einer Anzeige nach § 61 Abs 3 KFG haftet die Versicherungsunternehmung in Ansehung eines Dritten hingegen unbeschränkt weiter (§ 158c Abs 1 VersVG bzw § 24 Abs 1 KHVG 1994; Grubmann aaO 433 Anm 7 Abs 3 zu § 61 KFG mwN; Gruber aaO 39), wobei in diesem Fall nach stRsp auch dann kein Amtshaftungsanspruch besteht, wenn die Kennzeichentafeln trotz Anzeige des Versicherers nicht abgenommen werden, weil dieser dem geschädigten Dritten weiterhin haftet (zust Gruber aaO 39 mit zahlreichen Nachweisen in FN 54).

Wegen der unterschiedlichen Dringlichkeit des behördlichen Einschreitens (Grubmann aaO, 315 Anm 3 Abs 3 zu § 44 KFG; 1 Ob 195/74, ZVR 1975/270) ist daher zwischen den vom Versicherer zu erstattenden Anzeigen nach § 61 Abs 3 KFG einerseits und nach § 61 Abs 4 KFG andererseits zu unterscheiden: Nur eine Anzeige nach § 61 Abs 4 KFG (Fall des § 44 Abs 1 lit c) ist von der Behörde mit größter Beschleunigung und allem Nachdruck zwecks sofortiger Aufhebung des Zulassung und Abnahme der Kennzeichentafeln (nach 61 Abs 5 KFG) zu behandeln (Gruber aaO 39 mwN zu FN 53; Grubmann aaO Anm 3 Abs 4 mwN). Bei einer Anzeige des Versicherers nach § 61 Abs 3 (Fall des § 44 Abs 1 lit b KFG) ist der Behörde hingegen keine derartige Verpflichtung auferlegt. Vielmehr ist innerhalb eines Monats das Verfahren zur Aufhebung der Zulassung einzuleiten. Die Einleitung des Verfahrens bedeutet aber nicht die Bescheiderlassung, der die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts voranzugehen hat (Grubmann aaO 317 Anm 3 Abs 8 zu § 44 KFG mwN; Gruber aaO 34 FN 9).

Davon ausgehend ist aber - auch wenn man mit dem Beklagten von einem Zeitraum von 43 Tagen ab dem Eintritt der Leistungsfreiheit bis zum Unfall ausgeht - schon die Replik der Klägerin begründet, dass eine zwangsweise Einziehung der Kennzeichentafeln selbst bei sofortiger Anzeige nicht hätte gelingen können. Bereits das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Behörde, wenn der Versicherer eine Meldung gemäß § 61 Abs 3 KFG abgibt, nach § 44 Abs 1 lit b KFG schon mit der Einleitung eines Verfahrens bis zu einem Monat zuwarten kann, und dass nur dann, wenn der Versicherer auch die Beendigung des Versicherungsvertrages durch Rücktritt herbeiführt und dies der Zulassungsbehörde nach § 61 Abs 4 KFG anzeigt, die "einmonatige" Frist des § 158c Abs 2 VersVG [hier: drei Monate nach § 24 Abs 2 KHVG] zu laufen beginnt und daher "Eile am Platz" wäre, weil in einem solchen Fall der Versicherer auch in Ansehung Dritter von der Verpflichtung zur Leistung frei werde (SZ 47/151; Gruber aaO mwN in FN 57]). Der letztgenannte Fall liegt hier aber - wie bereits ausgeführt - nicht vor, weil nach den getroffenen Feststellungen lediglich die Unterlassung einer Anzeige der Klägerin nach § 61 Abs 3 KFG (Fall des § 44 Abs 1 lit b [Leistungsfreiheit wegen Folgeprämienverzuges]) in Betracht kommt, und die Klägerin vom Versicherungsvertrag nicht zurückgetreten ist, sodass sie dem Geschädigten jedenfalls weiter haftete (Grubmann aaO, 317 Anm 3 Abs 10 mwN).

Entgegen der Auffassung der Revision (der insoweit auch die Grundlage diesbezüglicher Feststellungen der Tatsacheninstanzen fehlt) kann somit weder davon ausgegangen werden, dass der Unfall bzw die Regressforderung bei rechtzeitiger Meldung der Klägerin [nach § 61 Abs 3 KFG] verhindert worden wären, noch davon, dass jedenfalls ("mit Sicherheit") vor dem Unfall der Zulassungsschein und die Kennzeichen abgenommen worden wären. Aus dem Argument, dass grundsätzlich (auch) Amtshaftungsansprüche des Halters und Lenkers denkbar sind, ist daher für den Standpunkt des Beklagten nichts zu gewinnen. Die allenfalls unterlassene bzw verspätete Anzeige des Versicherers nach § 61 Abs 3 KFG bedeutete nur, dass sich die Nachhaftung des Versicherers verlängerte.

Der erkennende Senat sieht daher im vorliegenden Fall auch keinen Anlass, von den Grundsätzen seiner bisherigen Rsp, wonach die dem Versicherer obliegende Verpflichtung, die Behörde, welche den Zulassungsschein für das Fahrzeug ausgestellt hat, von der Leistungsfreiheit zu verständigen, das zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer bestehende Vertragsverhältnis nicht berührt (RIS-Justiz RS0065648 = ZVR 1974/109, 175; Grubmann aaO 433, Anm 2 Abs 2 zu § 61 KFG), abzugehen. Das (allfällige) Unterbleiben einer derartigen Verständigung kann an der nach der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers in § 39 Abs 2 VersVG geregelten Leistungsfreiheit ebenso wenig ändern wie das Unterbleiben einer Kündigung des Versicherungsvertrages durch den Versicherer.

Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

Der Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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