OGH 7Ob247/05g

OGH7Ob247/05g26.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Sandro W*****, geboren am 30. Dezember 1997, in Obsorge der Mutter Anette W*****, vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen Unterhaltserhöhung, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 10. Juni 2005, GZ 1 R 143/05w-51, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz vom 13. April 2005, GZ 5 P 86/03h-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater ist aufgrund der am 21. 3. 2003 zu 2 C 43/03b vor dem Bezirksgericht Feldkirch getroffenen und pflegschaftsgerichtlich genehmigten Scheidungsfolgenvereinbarung verpflichtet, für seinen ehelichen Sohn Sandro Unterhaltsbeiträge von EUR 340 monatlich ab 1. 4. 2003 bis zu dessen Selbsterhaltungsfähigkeit zu bezahlen. Bei dieser Unterhaltsbemessung wurde ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters von EUR 2.861 inkl Sachbezügen (PKW und Handy) zugrundegelegt und ausgeführt, dass die neue Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vom 19. 6. 2002; GZ G 7/02 ua (zur Berücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Unterhaltsbeitragsfestsetzung) derzeit nicht berücksichtigt sei.

Außerdem wurde Folgendes festgehalten: „Sollte es allerdings hinkünftig zu Unterhaltserhöhungen kommen, so ist die Relation zwischen dem heutigen Einkommen und dem heutigen Unterhaltsbetrag nicht präjudiziell und der Kindesvater ist berechtigt, diese neue Rechtsprechung als Unterhaltsermäßigungsgrund geltend zu machen."

Mit Beschluss vom 13. 4. 2005 hat das Erstgericht sowohl den Unterhaltserhöhungsantrag des Minderjährigen (auf monatlich EUR 510 ab 1. 1. 2004 [ON 17 und 41]) als auch den Herabsetzungsantrag des Vaters (auf monatlich EUR 291 ab 1. 1. 2003 [ON 22]) mangels wesentlicher Änderung der Verhältnisse abgewiesen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Minderjährigen, der sich nur insoweit gegen die Ablehnung der Unterhaltserhöhung wendete, als der Vater nicht zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von EUR 472,50 ab 1. 1. 2004 verpflichtet wurde, nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diesen Ausspruch erhob der Minderjährige Zulassungsvorstellung verbunden mit einem Revisionsrekurs und begehrte Abänderung dahin, dass dem Unterhaltsbegehren von monatlich EUR 510 ab 1. 1. 2004 stattgegeben werde.

Daraufhin sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs [doch] zugelassen werde. Zu den einzelnen Punkten der Zulassungsvorstellung führte es zusammengefasst aus:

a) Die vom Rekursgericht bejahte Frage, ob die vom Vater vorgelegten Urkunden zur Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage ausreichend seien, stelle eine Frage der Beweiswürdigung dar, die nicht revisibel sei.

b) Das Rekursgericht habe in der Unterlassung der Einvernahme von Martina S***** keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt. Auch mit den Ausführungen, dies sei „bloße Spekulation und eine klassische vorgreifende Beweiswürdigung", werde eine nicht revisible Frage der Beweiswürdigung als Grundlage für den Abänderungsantrag herangezogen.

c) Die Frage, ob eine erhebliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, sei im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG 2005 revisibel, weil das Rekursgericht insofern von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei, als es den Übertritt des Kindes in die Alterskategorie von sechs- bis zehnjährigen Kindern unberücksichtigt gelassen habe. Zumindest im Volksschuleintritt des Kindes sei eine solche Änderung zu erblicken.

d) Es sei bei der Unterhaltsbemessung nicht zu überprüfen, ob ein Unterhaltspflichtiger günstig eingekauft, Preisvorteile erhalten oder gar etwas geschenkt bekommen habe. Zusammenfassend ergebe sich, dass die Zulassungsvorstellung aus den unter c) dargestellten Erwägungen berechtigt sei. In Abänderung des Zulässigkeitsausspruches gemäß § 63 Abs 3 AußStrG 2005 sei daher auszusprechen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG 2005 zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist jedoch entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig:

Das Rechtsmittel ist, was den Teilbetrag von EUR 37,5 der nach dem Rechtmittelantrag (anders als auf Seite 14 der Rechtsmittelausführungen) nunmehr begehrten Unterhaltserhöhung auf EUR 510 ab 1. 1. 2004 betrifft, schon deshalb unzulässig, weil das EUR 472,50 übersteigende Unterhaltserhöhungsbegehren mit der insoweit unbekämpften Entscheidung des Erstgerichtes rechtskräftig abgewiesen wurde und diese Teilabweisung daher unanfechtbar geworden ist. Eine Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG muss dabei nicht beantwortet werden.

Gemäß § 62 Abs 1 AußStrG ist gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Eine solche erhebliche Rechtsfrage wird im vorliegenden Rechtsmittel nicht aufgezeigt.

Dass sich im Zusammenhang mit jenen Punkten der Zulassungsvorstellung, die nach der oben wiedergegebenen Begründung des Beschlusses des Rekursgerichts (gemäß § 63 Abs 3 AußStrG) nicht zu einer Abänderung des Zulässigkeitsausspruches führten, jeweils keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG stellen, wurde dort bereits zutreffend dargelegt; der Rechtsmittelwerber kann daher auf diese Ausführungen (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG) und die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass behauptete Mängel des Verfahrens erster Instanz, die bereits vom Rekursgericht verneint wurden, vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden können (RIS-Justiz RS0030748), verwiesen werden. Eine derartige Rechtsfrage ist aber auch im Zusammenhang mit dem vom Rekursgericht genannten Zulassungsgrund nicht zu erblicken:

Eine Rechtsprechung (von der das Rekursgericht abgewichen sein soll), wonach der Oberste Gerichtshof ganz allgemein ausgesprochen hätte, es wäre jeweils davon auszugehen, dass „eine altersbedingte Bedürfnissteigerung auf Seiten des Kindes eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt und jedenfalls mit dem Volksschuleintritt des Kindes Umstände gegeben sind, die eine solche Bedürfnissteigerung begründen", besteht nämlich nicht.

Richtig ist, dass bereits ausgesprochen wurde, der Volksschuleintritt bedeute wegen der damit verbundenen Bedürfnissteigerung auf Seiten des Kindes - grundsätzlich - eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, und dass bei einem nächsten Schulwechsel zu prüfen sei, ob damit konkrete weitere Aufwendungen verbunden sind (RIS-Justiz RS0047306 = 3 Ob 579/91 = ÖA 1992/155; 1 Ob 2360/96g). Im Zusammenhang mit diesen Ausführungen hat der Oberste Gerichtshof jedoch bereits in den zitierten Entscheidungen und auch in der Folge wiederholt klargestellt, dass der Wechsel der Altersgruppe für sich allein keine wesentliche Änderung der Verhältnisse bildet (RIS-Justiz RS0106742), dass Schuleintritt und Schulwechsel wegen der damit verbundenen Bedürfnissteigerung eine solche wesentliche Änderung bilden können, dass eine Änderung der Unterhaltsverpflichtung des Vaters immer nur bei einer wesentlichen Änderung der [konkreten] Unterhaltsbedürfnisse des Kindes gerechtfertigt ist (4 Ob 333/97t mwN; RIS-Justiz RS0047486 [T3]), und dass sich eine allgemein gültige Regel, ab wann von einer solchen Änderung der Verhältnisse auszugehen ist, nicht aufstellen lässt (RIS-Justiz RS0047332), weil hier die Umstände des Einzelfalls von wesentlicher Bedeutung sind (Neuhauser in Schwimann³ I § 140 ABGB Rz 81).

Eine derartige wesentliche Änderung haben die Vorinstanzen im vorliegenden Fall mit der Begründung verneint, dass der Minderjährige zwar am 20. 12. 2003 in die Altersgruppe der Sechs- bis Zehnjährigen eingetreten sei, sodass sich sein Anspruch um 2 % erhöhen würde. Rein durch diesen Eintritt in die nächsthöhere Altersgruppe sei ein gestiegener Bedarf aber nicht von vornherein anzunehmen und „für den konkreten Fall auch bisher nicht begründet worden"; der im Hinblick auf das Lebensalter als allgemein bekannt zugrunde zu legende Eintritt des Kindes in die Volksschule sei zum Zeitpunkt der Scheidungsfolgenvereinbarung (in der sich der Vater zu einem deutlich über dem Durchschnittsbedarf eines Kindes im Alter zwischen drei und sechs Jahren [EUR 200] liegenden Unterhaltsbeitrag [EUR 340] verpflichtet habe) nämlich bereits absehbar gewesen, und eine konkrete wesentliche Steigerung der Bedürfnisse des Kindes - abgesehen vom Wechsel der Altersgruppe - sei im Unterhaltserhöhungsverfahren auch nicht behauptet worden (Seite 3 des Beschlusses des Erst- bzw Seite 8 f des Beschlusses des Rekursgerichtes).

Diese Beurteilung liegt - wie bereits die Revisionsrekursbeantwortung zutreffend aufzeigt - im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung und ist daher nicht zu beanstanden: Zum einen fehlen Beweisergebnisse für eine konkrete („individuelle") Bedürfnissteigerung (vgl zur Beweislast im außerstreitigen Unterhaltsverfahren: Neuhauser aaO § 140 ABGB Rz 83); zum anderen würde eine nur mit dem Wechsel der Altersgruppe begründete, nicht einmal 3 % erreichende Unterhaltserhöhung gar keine wesentliche Umstandsänderung bedeuten (Neuhauser aaO) und überdies dadurch wettgemacht, dass sich der Vater auf die neue Rechtsprechung zum FLAG berufen hat (ON 18 und 22). Der Revisionsrekurs des Minderjährigen ist daher (auch) mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

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