Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die am 20. 4. 1974 geschlossene Ehe der Streitteile, der drei bereits großjährige Kinder entstammen, wurde mit Urteil des Bezirksgerichts St. Veit an der Glan vom 15. 10. 2003 aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners rechtskräftig geschieden.
Die Antragstellerin, die bereits am 1. 8. 2000 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen war, beantragte am 15. 10. 2004, dem Antragsgegner im Rahmen einer nachehelichen Vermögensaufteilung gemäß §§ 81 f EheG sowie zur Abgeltung ihrer Mitwirkung im Erwerb gemäß § 98 ABGB eine (Ausgleichs-)Zahlung von insgesamt 300.000 EUR aufzuerlegen. Während der ehelichen Lebensgemeinschaft habe sie mit dem Antragsgegner eine Landwirtschaft „adaptiert" und einen Pflegeheimbetrieb mit bis zu 20 Pfleglingen geschaffen, was einen Wert von mindestens 600.000 EUR repräsentiere. Sie habe mit dem Antragsgegner für dessen Vater im Rahmen einer Übernahmsregelung ein Wohnhaus errichtet, das mindestens 250.000 EUR wert sei und nach dem Tod des Vaters dem Antragsgegner zufallen werde. Sie habe im Betrieb (Landwirtschaft und Pflegeheim) des Antragsgegners stets tatkräftig mitgewirkt, den Haushalt geführt und die Kinder erzogen. Es stehe ihr daher zumindest die Hälfte des Geschaffenen zu.
Der Antragsgegner beantragte die Abweisung dieses Antrags und begehrte seinerseits die Einverleibung der Löschung des für die Antragstellerin auf seiner Liegenschaft B***** einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbots. Der Ausbau des Pflegeheimbetriebs und der Privatwohnung seien ausschließlich fremdfinanziert worden; die von der Antragstellerin behaupteten Werte seien „illusorisch". Durch die notwendigen Erhaltungs- und Renovierungsarbeiten sei keine einer Aufteilung unterliegende Wertsteigerung eingetreten. Das Haus des Vaters unterliege - so wie die Betriebe - nicht der Aufteilung. Die Liegenschaft B***** sei überschuldet.
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Abgeltung der Mitwirkung der Antragstellerin im Erwerb gemäß § 98 ABGB zu einer „Ausgleichszahlung" von 12.700 EUR und ordnete die Löschung des für die Antragstellerin einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbots an. Seine Sachverhaltsfeststellungen lassen sich, soweit für den Aufteilungsanspruch wesentlich, wie folgt zusammenfassen:
Die Streitteile begründeten nach der Heirat ihren gemeinsamen Wohnsitz auf der Liegenschaft des Vaters des Antragsgegners B*****, wo damals ein Pensions- und Gasthofbetrieb geführt wurde. Sie bewohnten mit den Kindern diverse Gästezimmer, die gerade frei waren. Die Antragstellerin war zunächst im Betrieb des Schwiegervaters und nach Übergabe in jenem des Antragsgegners tätig. Sie bezog bis einschließlich März 1995 kein Entgelt und war auch nicht (steuerlich) angemeldet. Sie half sowohl in der Landwirtschaft als auch im Betrieb des Gasthauses und später im Pflegeheim tatkräftig mit. Die Lebenshaltungskosten der Familie wurden im Wesentlichen aus dem Betrieb gedeckt.
Mit Übergabsvertrag vom 31. 5. 1983 übertrug der Vater des Antragsgegners diesem die aus zwei Gebäuden, aus Äckern, Wiesen und Wald bestehende Liegenschaft B***** im Gesamtausmaß von 34,45 ha, wovon sich der Übergeber cirka 7 ha zurückbehielt. Der Antragsgegner verpflichtete sich, seinem Vater und dessen Ehefrau ein Ausgedinge zu leisten, wobei diverse Alimentations- und Betreuungsleistungen (in einem üblichen Ausmaß) vereinbart wurden. Weiters verpflichtete sich der Antragsgegner, dem Übergeber ein wertgesichertes monatliches „Handgeld" von 3.000 S zu überweisen. Er übernahm die Rückzahlung eines Wohnbauförderungsdarlehens in Höhe von 320.000 S und einer Kreditforderung der Kärntner Sparkasse von 75.000 S und verpflichtete sich, seinen Eltern 100.000 S und seiner Schwester einen „Erbsentfertigungsbetrag" von 300.000 S wertgesichert zu bezahlen. Sämtliche Verpflichtungen des Übergabsvertrags, insbesondere die Darlehensrückzahlungen, wurden aus Mitteln, die der Antragsgegner aus der Landwirtschaft bezog und mit dem 1989 eingerichteten Pflegeheim erzielte, erfüllt. Hinsichtlich der nicht übergebenen Liegenschaftsteile wurde zwischen dem Antragsgegner und seinem Vater ein Schenkungsvertrag auf den Todesfall geschlossen.
Der Antragsgegner und die Antragstellerin setzten in weiterer Folge den Betrieb der Landwirtschaft fort. Bis 1988 führten sie einen Gasthof und eine Pension. Danach begannen sie mit dem Betrieb des Pflegeheims, das als Außenstelle des Landeskrankenhauses Klagenfurt geführt wurde. Im Schnitt wurden zwischen 10 und 15 Pfleglinge betreut. Dazu wurde das Wohnhaus um- und ausgebaut. Der Einheitswert der Landwirtschaft betrug laut Einkommenssteuerbescheid vom 1. 1. 1996 53.000 S. Der Verkehrswert der 27,49 ha großen Landwirtschaft des Antragsgegners betrug im Oktober 2000 ohne lebendes und totes Inventar 6,4 Mio S.
In den Jahren 1997, 1998 und 1999 wurden Renovierungen des Wohnhauses vorgenommen, die durch Förderungen des Landes Kärnten, die unter der Bedingung des Pflegeheimbetriebs gewährt wurden, und aus Mitteln des Betriebs bestritten wurden.
Die Antragstellerin war ab 1. 4. 1995 bis Ende März 2000 als Angestellte im Betrieb des Antragsgegners beschäftigt und bezog als solche ein monatliches Bruttogehalt von 1.483,97 EUR.
Weitere eheliche Ersparnisse oder sonstige Vermögensgegenstände sind nicht vorhanden.
Der Antragsgegner bezahlt der Antragstellerin auf Grund eines prätorischen Vergleichs monatlichen Unterhalt von 950 EUR ab 1. 11. 2003. Die Antragstellerin wird durch den Antragsgegner auch weiter krankenversichert. Sie hat sonst kein Einkommen.
Auf die Aufteilung des ehelichen Hausrats- und der Einrichtungsgegenstände haben die Streitteile ausdrücklich verzichtet.
Im Widerspruch zur Feststellung, dass die Lebenshaltungskosten der Familie im Wesentlichen aus dem Betrieb der Streitteile gedeckt wurden, traf das Erstgericht noch folgende Feststellungen: „Die Ehegatten lebten von dem, was der Antragsgegner durch die Musik oder durch sonstige Beschäftigungen heimgebracht hat und die Antragstellerin erwirtschaftet hat. Im Wesentlichen haben die Streitteile bzw die gesamte Familie von der Kinderbeihilfe gelebt."
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Antragstellerin stehe aus dem Titel des § 98 ABGB ein Betrag von 12.700 EUR zu. Darüber hinaus habe die Antragstellerin keine (Aufteilungs-)Ansprüche. Die Liegenschaft B***** samt dem darauf befindlichen Haus habe der Antragsgegner von seinem Vater mittels Übergabevertrag erworben, sodass diesbezüglich eine Aufteilung nicht in Betracht komme. Die im Nebenerwerb betriebene Land- und Forstwirtschaft und der Haupterwerb, nämlich der Betrieb eines Pflegeheims, stellten Unternehmen dar, sodass sich diesbezüglich ebenfalls eine Aufteilung erübrige. Auch die Liegenschaft des Vaters des Antragsgegners sei nicht in die Aufteilung einzubeziehen. Ein Anspruch auf die Aufteilung der Ehewohnung und die Abgeltung wertsteigender Maßnahmen auf die Ehewohnung könne nicht zugesprochen werden, da die Ehewohnung (die gesamte Liegenschaft B*****) vom Antragsgegner in die Ehe eingebracht bzw von dritter Seite (wenn auch mit Gegenleistungen) zugewendet worden sei und die Antragstellerin offensichtlich kein dringendes Wohnbedürfnis an diesen Räumlichkeiten habe. Demnach seien eheliche Ersparnisse und Vermögenswerte nicht geschaffen worden. Die Löschung des zu Gunsten der Antragstellerin bestehenden Belastungs- und Veräußerungsverbots sei im Hinblick auf § 84 EheG anzuordnen gewesen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Anspruch der Antragstellerin gemäß § 98 ABGB für ihre Mitwirkung im Pflegebetrieb sei mit dem Zuspruch von 12.700 EUR abschließend erledigt worden. Nacheheliche Aufteilungsansprüche habe die Antragstellerin nicht. Eine mögliche Berücksichtigung ihrer Tätigkeit in der Landwirtschaft im Zeitraum von 1983 bis 1989 „auch als Naturalobligation" im Rahmen des § 83 Abs 2 EheG müsse schon daran scheitern, dass die Landwirtschaft als Unternehmen nicht der Aufteilung unterliege und daraus keine ehelichen Ersparnisse vorhanden seien. Da auch die Rechtsmittelausführungen der Antragstellerin zur Ehewohnung nicht zielführend seien, könne deren Rekurs kein Erfolg beschieden sein.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil sich erhebliche Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht gestellt hätten.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass ihr ein weiterer Betrag von 60.000 EUR zuerkannt werde, hilfsweise die Beschlüsse der Vorinstanzen im Umfang der Anfechtung aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufzutragen.
Der Antragsgegner beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel entweder zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Da den Vorinstanzen eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die der Oberste Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigieren hat, ist der Revisionsrekurs zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags (Zurückverweisung allerdings nicht an das Rekurs- sondern das Erstgericht) berechtigt.
Weil in der Revisionsrekursbeantwortung der Einwand der Verspätung des außerordentlichen Rechtsmittels erhoben wird, ist vorauszuschicken, dass der Antragstellerin mit Beschluss des Erstgerichts vom 4. 10. 2007 gemäß § 146 Abs 1 ZPO (iVm § 21 AußStrG) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung des Revisionsrekurses bewilligt wurde. Dieser Beschluss ist nach § 153 ZPO unanfechtbar. Dieser Rechtsmittelausschluss ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners verfassungsrechtlich unbedenklich, weil die Garantien des Art 6 MRK nicht für rein verfahrenstechnische Angelegenheiten, die keinen Einfluss auf die Rechtsdurchsetzung und die Sache selbst haben, gelten (stRsp; Gitschthaler in Rechberger ZPO3 § 153 ZPO Rz 1 mwN).
Zutreffend wendet die Revisionsrekurswerberin ein, dass das Rekursgericht, wie auch schon zuvor das Erstgericht, § 91 Abs 2 EheG außer Acht gelassen hat. Nach dieser mit dem EheRÄG 1999 geschaffenen gesetzlichen Regelung, die einer ohnehin auch schon nach altem Recht sachlich gebotenen Rechtsfortbildung entspricht (9 Ob 163/02i), ist im Fall, dass eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse in ein Unternehmen, an dem einem oder beiden Ehegatten ein Anteil zusteht, eingebracht oder für ein solches Unternehmen sonst verwendet wurden, der Wert des Eingebrachten oder Verwendeten in die Aufteilung einzubeziehen. Bei der Aufteilung ist jedoch zu berücksichtigen, inwieweit jedem Ehegatten durch die Einbringung oder Verwendung Vorteile entstanden sind und inwieweit die eingebrachten oder verwendeten ehelichen Ersparnisse aus den Gewinnen des Unternehmens stammten. Der Bestand des Unternehmens darf durch die Aufteilung nicht gefährdet werden.
Es ist daher auf all jene Aufwendungen Bedacht zu nehmen, die in Erfüllung der vom Antragsgegner im Zuge der Übergabe des land- und gastwirtschaftlichen Betriebs B***** übernommenen Pflichten sowie im Zuge der 1989 erfolgten Errichtung des Pflegeheimbetriebs von den Ehegatten gemacht wurden. Das Erstgericht hat ungeachtet des Umstands, dass es die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen nicht erkannte, diesbezüglich eine Reihe von Feststellungen getroffen. Daraus ergibt sich, dass der Übergabsvertrag, der zwar charakteristische erb- und familienrechtliche Aspekte aufweist, insoweit zumindest teilweise als entgeltlich anzusehen ist, als zahlreiche Gegenleistungen (Geld- und Sachleistungen) vereinbart wurden. Es sind dies neben typischen Alimentations- und Betreuungsleistungen für den Übergeber und dessen Ehefrau vor allem ein monatliches „Handgeld" von 3.000 S (= 218,02 EUR) an den Vater des Antragsgegners, die Berichtigung eines Wohnbauförderungsdarlehens von 320.000 S (= 23.255,30 EUR) sowie einer Kreditforderung der Kärntner Sparkasse von 75.000 S (= 5.450,46 EUR), ferner die Zahlung von je 50.000 S, zusammen 100.000 S (= 7.267,28 EUR) an die Eltern des Antragsgegners, die Zahlung eines „Erbsentfertigungsbetrags" von 300.000 S (= 21.801,85 EUR) an die Schwester des Antragsgegners und schließlich auch noch eine jährliche Zahlung von 16.000 S (= 1.162,76 EUR) für einen Bausparvertrag des Übergebers. Diese Gegenleistungen repräsentieren - wenn man sich vor Augen hält, dass etwa monatliches „Handgeld" bis zum Auszug der Antragstellerin bereits 17 Jahre lang bezahlt wurde - in Summe einen 100.000 EUR deutlich übersteigenden Betrag, der überwiegend nur dem Antragsgegner zugutegekommen ist. Dessen Liegenschaft B***** hatte im Oktober 2000 ohne lebendes und totes Inventar einen Verkehrswert von 6,4 Mio S (= 465.106,14 EUR).
Offen blieben die - zumindest zum Teil - aus betrieblichen Mitteln bestrittenen Kosten des für den Pflegeheimbetrieb vorgenommenen Um- und Ausbaus sowie der Renovierungen des Wohnhauses. Ungeklärt ist auch, ob und welche Leistungen von den Ehegatten im Rahmen der Übergabsregelung für die Errichtung des Wohnhauses des Vaters des Antragsgegners, das nach dem Vorbringen der Antragstellerin einen Wert von mindestens 250.000 EUR hat, aufgewendet wurden. Um den Wert des im Sinn des § 91 Abs 2 EheG in die Betriebe des Antragsgegners Eingebrachten oder dafür Verwendeten sowie die jedem Ehegatten dadurch entstandenen Vorteile bestimmen zu können, sind daher ergänzende Feststellungen erforderlich. Im Hinblick auf den im letzten Satz der genannten gesetzlichen Bestimmung festgeschriebenen Grundsatz des Wohlbestehenkönnens wird auch die Frage allfälliger, auf der Liegenschaft lastender Schulden zu erörtern und auch diesbezüglich die Sachverhaltsbasis zu verbreitern sein. Schließlich wird das Erstgericht auch noch den Widerspruch hinsichtlich der Feststellungen betreffend die Deckung der Lebenshaltungskosten der Familie der Streitteile aufzulösen haben. Es ist daher die Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen und die Rückverweisung der Aufteilungssache an das Erstgericht unumgänglich.
Der Kostenvorbehalt entspricht dem gemäß § 203 Abs 9 AußStrG noch anzuwendenden § 234 AußStrG (aF), weil sich die gebotenen Billigkeitserwägungen erst nach Abschluss des Verfahrens anstellen lassen (3 Ob 108/07i ua).
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