Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die am 6. 5. 1994 in Hawaii außerehelich geborene mj Malika Grace ist österreichische Staatsbürgerin. Sie wohnte zunächst mit ihrer Mutter in San Francisco. Nach deren Tod am 21. 10. 2002 lebte sie bei Harold Haggai H*****, der laut (amerikanischer) Geburtsurkunde vom 26. 5. 1994 ihr Vater ist, vorerst in den USA und dann in Bangkok, Thailand. Dort wurde sie zu Weihnachten 2003 von Rosa S*****, ihrer mütterlichen Großmutter, besucht, die sie mit nach Österreich nahm, wo sie seitdem lebt. Nachdem der Vater mit schriftlicher Erklärung vom 11. 6. 2004 ausdrücklich seine Zustimmung dazu erklärt hatte, betraute das Erstgericht die mütterliche Großmutter mit der Obsorge für die Minderjährige. Der betreffende Beschluss vom 5. 11. 2004 musste, da der Vater nun unbekannten Aufenthaltes ist, dem diesem bestellten Abwesenheitskurator zugestellt werden.
Als Unterhaltssachwalter der Minderjährigen beantragte der Jugendwohlfahrtsträger am 2. 3. 2005, den Vater ab 1. 12. 2004 zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von EUR 302,-- für die Minderjährige zu verpflichten. Am 4. 3. 2005 stellte der Jugendwohlfahrtsträger den weiteren Antrag, der Minderjährigen (Richtsatz-)Vorschüsse nach § 4 Z 2, § 6 Abs 2 UVG zu gewähren. Der Vater sei an seiner Adresse in Thailand nicht mehr wohnhaft und alle Ausforschungsversuche seien erfolglos geblieben.
Über Aufforderung des Erstgerichtes, ein Vaterschaftsanerkenntnis vorzulegen, teilte der Jugendwohlfahrtsträger mit, ein solches sei nicht vorhanden.
Das Erstgericht wies daraufhin den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ab. Wenn auch im UVG nirgends explizit ausgesprochen sei, dass ein Unterhaltsvorschuss lediglich dann zu gewähren sei, wenn die Vaterschaft zum antragstellenden Kind wirksam anerkannt sei, könne doch im Hinblick darauf, dass grundsätzlich nur der gesetzliche Unterhaltsanspruch eines Kindes bevorschusst werden sollte, abgeleitet werden, dass die Vaterschaft des Unterhaltsschuldners rechtswirksam feststehen müsse. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Das vom Jugendwohlfahrtsträger angerufene Rekursgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es der Minderjährigen gemäß § 4 Z 2 UVG von 1. 3. 2005 bis 29. 2. 2008 einen monatlichen Unterhaltsvorschuss in der jeweiligen Höhe nach § 6 Abs 2 UVG von EUR 220,-- gewährte; der Vorschuss sei vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz an die mütterliche Großmutter auszuzahlen. Unter einem wurde der Unterhaltsschuldner Herold Haggai H*****, derzeit unbekannten Aufenthaltes, verpflichtet, die ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse der Republik Österreich zurückzuzahlen.
Das Rekursgericht führte dazu im Wesentlichen aus, sei die Vaterschaft (anders als hier) bestritten oder ungewiss, sei eine Bevorschussung nur im Rahmen des § 4 Z 4 UVG möglich. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes sei aber für die Qualifizierung des Unterhaltsanspruches eines außerehelich geborenen Kindes gegenüber seinem Vater als gesetzlicher Unterhalt nicht Voraussetzung, dass die Vaterschaft durch Urteil oder Anerkenntnis feststehe. Auf Grund der Namhaftmachung des Vaters in der Geburtsurkunde der Minderjährigen, dessen Zustimmungserklärung zur Obsorgeübertragung an die Großmutter und auf Grund des aktenkundigen Umstandes, dass die Minderjährige nach dem Tod ihrer Mutter bei Herold Haggai H***** gelebt habe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass dessen Vaterschaft ungewiss wäre. Vielmehr habe die Kindesvertretung iSd § 11 UVG die Voraussetzungen der Vorschussgewährung bescheinigt, sodass keine begründeten Bedenken am Vorhandensein der Bewilligungsvoraussetzungen vorlägen. Die Kindesvertretung habe durch Vorlage der vorhandenen Dokumente und Niederschriften (also) die Voraussetzungen für eine Vorschussgewährung glaubhaft gemacht. Da von einer gesetzlichen Unterhaltspflicht des Harold Haggai H***** ausgegangen werden könne und auch die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 4 Z 2 UVG für eine Vorschussgewährung vorlägen, sei der Beschluss des Erstgerichtes spruchgemäß abzuändern gewesen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig sei, da Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Erfordernisses einer Vaterschaftsfeststellung zur Prüfung der Frage des gesetzlichen Unterhaltes iSd § 1 UVG nicht vorliege.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den erstinstanzlichen Beschluss wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist mangels oberstgerichtlicher Judikatur zur iSd § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Frage, ob eine Vorschussgewährung nach § 4 Z 2 UVG eine rechtskräftige Vaterschaftsfeststellung voraussetzt, zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Zur betreffenden, den einzigen Gegenstand des Revisionsrekurses bildenden, erheblichen Rechtsfrage existiert aus der Zeit vor Einführung des Vorschussgrundes nach § 4 Z 4 UVG durch die UVG-Novelle BGBl 1980/278 divergierende Rechtsprechung von Gerichten zweiter Instanz. Während in den Entscheidungen des LGZ Wien, ÖA 1978, 116, des LG St. Pölten, ÖA 1978, 121 (zust Gamerith) = EFSlg XV/10 und des KG Wiener Neustadt, ÖA 1979, 146, die Ansicht vertreten wurde, die Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG setze eine rechtskräftige Vaterschaftsfeststellung voraus, kamen die Entscheidungen des KG Korneuburg, ÖA 1978, 147 (abl Schüch) und des BGZ Graz, ÖA 1978, 148 sowie die (schon nach der UVG-Novelle 1980 gefällte) Entscheidung des LGZ Wien, EFSlg 38.934 zum gegenteiligen Ergebnis: Die Qualifizierung des Unterhaltsanspruches eines außerehelichen Kindes gegen seinen Vater als (iSd § 1 UVG) gesetzlichen habe nicht zur Voraussetzung, dass dieser seine Vaterschaft rechtswirksam anerkannt habe oder als Vater durch Gerichtsurteil festgestellt worden sei. Zu betonen ist, dass den gegenteiligen, die Voraussetzung einer rechtswirksamen Vaterschaftsfeststellung bejahenden Entscheidungen (mit Ausnahme der Entscheidung ÖA 1978, 116) jeweils ein Sachverhalt zugrundelag, der sich vom gegenständlichen dadurch unterschied, als dort die Vaterschaft jeweils bestritten war.
Zuletzt wurde die Frage, ob eine Unterhaltsbevorschussung nach § 4 Z 2 UVG eine rechtswirksame Vaterschaftsfeststellung iSd §§ 163 ff ABGB (etwa durch Erklärung vor Gericht [vgl § 114 JN], dem Jugendwohlfahrtsträger [§ 41 JWG 1989 idgF], dem Standesbeamten [§ 53 Abs 1 Z 1 PStG], österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland [§ 53 Abs 2 PStG] oder einem öffentlichen Notar §§ 52 ff NO] - vgl 6 Ob 2152/96f) zwingend voraussetzt, in der Entscheidung 6 Ob 175/99z aufgeworfen, musste dort aber letztlich nicht beantwortet werden, weil ein vor dem Jugendwohlfahrtsträger geschlossener und somit mit den Wirkungen eines gerichtlichen Vergleiches ausgestatteter (§ 214 Abs 2 ABGB) Unterhaltsvergleich vorlag, in dem sich der Betreffende selbst als Vater bezeichnete und dann auch noch seine Vaterschaft vor dem Jugendwohlfahrtsträger anerkannt hat. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung allerdings auch die Bestimmung des § 4 Z 4 UVG in seine Erwägungen mit einbezogen und ist zum Ergebnis gelangt, dass aus dieser Bestimmung für das angeschnittene Problem nichts zu gewinnen sei.
Zur Ansicht, aus dem Umstand, dass § 4 Z 4 UVG die Feststellung der Abstammung voraussetzt, sei nicht zu folgern, dass auch eine Bevorschussung nach § 4 Z 2 UVG eine solche Vaterschaftsfeststellung zur Voraussetzung habe, kommt auch schon Knoll, Komm UVG (1987) § 1 Rz 10: Sei die Vaterschaft bestritten oder ungewiss, so werde eine Bevorschussung wohl nur im Rahmen des § 4 Z 4 UVG möglich sein. Darüber hinaus bleibe aber die Frage, ob eine Unterhaltsbevorschussung eine rechtswirksame Vaterschaftsfeststellung iSd § 163b (aF) ABGB (Urteil oder Anerkenntnis) zwingend voraussetze, aktuell und sei insbesondere für den Fall nicht beantwortet, in welchem der Unterhaltsschuldner seine Vaterschaft nicht bestreite. Knoll stellt die - rhetorische - Frage, ob denn ein Kind, das in einem Staat, der es bei der sogenannten „Zahlvaterschaft" bewenden lasse, einen rechtskräftigen und vollstreckbaren Unterhaltstitel erlangt habe, der im Inland vollstreckbar sei und das danach österreichischer Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland werde, zur Führung des Vaterschaftsprozesses gezwungen werden müsse. Auch im Bereich des inländischen Rechtes sei durchwegs denkbar, dass sich ein Vater in einem vollstreckbaren Titel verpflichte, als Vater Unterhalt zu zahlen, eine Vaterschaftsfeststellung aber selbst nicht stattfinde, etwa, weil eine Weigerung der Mutter iSd § 163a ABGB gegeben sei. Dem Gesetz sei auch nicht zu entnehmen, dass eine Unterhaltsfestsetzung oder der Begriff gesetzlicher Unterhalt zwingend eine Vaterschaftsfeststellung nach § 163b (aF) ABGB voraussetze. Bestreite der in Anspruch Genommene nur die Höhe der von ihm verlangten Unterhaltsbeiträge, so werde kein Anlass bestehen, das Verfahren darüber hinaus auszudehnen. Auch besage § 18 Z 3 JWG (1954) nicht, dass ein Unterhaltsvergleich ein Vaterschaftsanerkenntnis erfordere. Dem allgemeinen gegenteiligen Verständnis liege in der Regel die Annahme zugrunde, dass niemand zur Zahlung bereit sei, wenn er nicht iSd § 163b (aF) ABGB als Vater festgestellt worden sei. Demnach sei die Aussage, dass ein gesetzlicher Unterhalt im Sinne des § 1 UVG keine Vaterschaftsfeststellung iSd § 163b (aF) ABGB voraussetze, sicher vertretbar. Missbräuchen vorzubeugen sei Aufgabe der Prüfung nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG. Damit in Übereinstimmung stehe, dass für die Klage nach § 1042 ABGB eine Vaterschaftsfeststellung nach § 163b (aF) ABGB jedenfalls nicht vorausgesetzt werde (OGH in EFSlg 1.648). Aus der Besonderheit der Statusbestimmung, dem Wortlaut des § 163b (aF) ABGB und § 4 Z 4 UVG folge aber wohl, dass - soweit nicht ein vollstreckbarer Unterhaltstitel vorliege - bei gegebener Bestreitung oder Ungewissheit von einer Vaterschaft nur dann ausgegangen werden könne, wenn sie nach § 163b (aF) ABGB festgestellt worden sei.
Der erkennende Senat hält diese Überlegungen (ungeachtet der inzwischen eingetretenen, insoweit aber nicht wesentlichen Änderungen des ABGB, des JWG und des AußStrG) für zutreffend und schließt sich daher der betreffenden Rechtsmeinung an. Es trifft zu, dass das Unterhaltsvorschussgesetz eine rechtswirksame Vaterschaftsfeststellung (die durch das FamErbRÄG 2004 und das neue AußStrG mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2005 neu gestaltet wurde; s §§ 163 und 163b ABGB; §§ 82 bis 85 AußStrG - vgl Hopf in KBB, § 163 Rz 1) als Voraussetzung für eine Bevorschussung an keiner Stelle fordert und die in § 4 Z 4 UVG vorausgesetzte Feststellung der Abstammung eines Kindes in erster Instanz in den Fällen des § 4 Z 2 UVG nicht anwendbar ist, sondern in diesen Fällen die Unterhaltsverpflichtung iSd § 1 UVG grundsätzlich lediglich den Tatbestand der Vaterschaft voraussetzt, der nach § 11 Abs 2 UVG auch aus den Pflegschaftsakten, durch Urkunden etc nachgewiesen werden kann. Hätte der Gesetzgeber, wie der Revisionsrekurswerber meint, in den Fällen des § 4 Z 2 UVG eine rechtswirksame Vaterschaftsfeststellung iSd §§ 163 ff ABGB zur Voraussetzung machen wollen, hätte er dies wohl eindeutig zum Ausdruck gebracht. Nur im Falle der Bestreitung oder der Ungewissheit der Vaterschaft ist aus den von Knoll, aaO, genannten Gründen eine Feststellung nach §§ 163 ff ABGB zu verlangen.
Im vorliegenden Fall kann nicht nur der Name des Vaters der Geburtsurkunde des Kindes entnommen werden, sondern spricht auch der Umstand, dass die Minderjährige von dem in der Urkunde als Vater Genannten nach dem Tod ihrer Mutter mehr als ein Jahr lang gepflegt und versorgt wurde, für dessen Vaterschaft. Schließlich hat der Genannte die Minderjährige in seiner Zustimmungserklärung vom 11. 6. 2004 ausdrücklich auch als seine Tochter bezeichnet („my own daughter Malika Grace S*****"). Damit wurde die Vaterschaft des Genannten von der Antragstellerin iSd § 11 Abs 2 UVG nachgewiesen und steht daher die Person, die der - selbst einkommenslosen - Minderjährigen gesetzlichen Unterhalt schuldet, fest. Dass dieser Unterhaltsschuldner jedoch unbekannten Aufenthaltes ist und trotz entsprechender Bemühungen der Antragstellerin nicht ausgeforscht werden konnte, weshalb die Festsetzung seines Unterhaltsbeitrages iSd § 4 Z 2 UVG „überhaupt" nicht gelingen kann, wird auch im Revisionsrekurs gar nicht bestritten oder auch nur in Frage gestellt.
Damit sind die Voraussetzungen des § 4 Z 2 UVG erfüllt: Sehen doch etwa schon die Materialien (RV 276 BlgNr 15. GP 9) Vorschüsse nach dieser Gesetzesstelle dann vor, „wenn der Unterhaltsschuldner unbekannten Aufenthaltes ist oder Ungewissheit über seine Lebensverhältnisse herrscht". Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (5 Ob 566/90, SZ 63/80; 4 Ob 119/97x; 7 Ob 378/97g; 1 Ob 94/98z ua), hindern der unbekannte Aufenthalt und ungeklärte Lebensverhältnisse des Vaters die Bevorschussung nicht, weil Vorschüsse nach dem Willen des Gesetzgebers gerade dann gewährt werden sollen, wenn ein Antrag auf Unterhaltsfestsetzung erfolglos blieb oder aus Gründen in der Person des Unterhaltsschuldners von vornherein mangels realistischer Erfolgsaussicht nicht gestellt wurde.
Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.
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