OGH 6Ob2152/96f

OGH6Ob2152/96f21.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Eva Lara H*****, in Obsorge der Mutter, Ilse Maria H*****, hier vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 16.Wiener Gemeindebezirk als Sachwalter für die Festsetzung der Unterhaltsansprüche, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 20. März 1996, GZ 45 R 994/95 (neu: 45 R 1135/95k)-13, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 29.September 1995, GZ 1 P 256/87-8, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung

Das am 19.7.1986 in Portugal geborene uneheliche Kind ist wie seine Mutter österreichische Staatsangehörige. In der deutschen Übersetzung der portugiesischen Geburtsurkunde des Standesamtes von Guimaraes ist Antonio Henrique F***** als Vater des Kindes angeführt. Am 18.7.1995 stellte das Kind den Antrag, den Vater zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 2.000 S ab 1.7.1995 zu verpflichten. Er sei portugiesischer Staatsbürger und von Beruf Rohrschweißer. Er arbeite derzeit in Holland und habe immer nur Arbeitsverträge für zwei bis drei Monate. Dazwischen sei er immer wieder arbeitslos. Er könne ein monatliches Einkommen von 12.000 S erzielen, wenn er regelmäßig arbeite (zu ON 3). Die Mutter und das Kind leben jetzt in Wien. Das Erstgericht ersuchte zunächst den Unterhaltssachwalter um Übermittlung der Anerkennung der Vaterschaft nach österreichischem Recht. Dieser teilte mit, daß er nur eine Kopie der Übersetzung der Geburtsurkunde aus dem Portugiesischen habe, in der F***** als Vater des Kindes eingetragen sei. Die Mutter erklärte, sie könne keine Vaterschaftsfeststellung nach österreichischem Recht vorlegen, sie werde sich aber bemühen, diese über die Botschaft zu erreichen.

Das Erstgericht wies den Unterhaltsantrag ab. Auch in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten außerstreitigen Verfahren seien die allgemeinen Beweislastregeln von Bedeutung. Im Unterhaltsverfahren habe der Unterhaltsberechtigte die Abstammung, das Wissen des Unterhaltspflichtigen von seiner Unterhaltsverpflichtung und den Unterhaltsbedarf zu beweisen. Trotz der gepflogenen Erhebungen (Vernehmung der Mutter; Aufforderung an den Sachwalter, die Anerkennung der Vaterschaft vorzulegen) habe die Abstammung der Minderjährigen nicht festgestellt werden können. Es sei Sache des Sachwalters gewesen, entsprechende Beweise vorzulegen.

Das Rekursgericht gab dem auf Aufhebung gerichteten Rekurs des Kindes nicht Folge. Die Voraussetzungen der Feststellung der Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind seien nach dessen Personalstatut im Zeitpunkt der Geburt zu beurteilen. Wegen der österreichischen Staatsbürgerschaft des Kindes sei österreichisches Recht heranzuziehen. Gemäß § 163c Abs 1 ABGB werde die Vaterschaft durch persönliche Erklärung in inländischer öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde anerkannt. Gemäß § 8 IPRG sei die Form einer Rechtshandlung nach demselben Recht zu beurteilen wie die Rechtshandlung selbst, es genüge jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Staates, in dem die Rechtshandlung vorgenommen werde. Für die Einhaltung der im § 163c Abs 1 ABGB vorgeschriebenen Form könnten aber auch die Bestimmungen des portugiesischen Rechtes herangezogen werden, wenn die Anerkennung der Vaterschaft in Portugal vorgenommen worden sei. Die Anführung des Namens des Vaters in der Geburtsurkunde des Kindes ersetze aber das nach österreichischem Recht erforderliche Anerkenntnis der Vaterschaft nicht. Ungeachtet der Amtswegigkeit des Pflegschaftsverfahrens habe das Kind jene Umstände, auf die sich sein Unterhaltsanspruch gründe, zu behaupten und zu beweisen. Die Vorlage einer "urkundlichen Vaterschaftsfeststellung" sei trotz gerichtlicher Aufforderung nicht erfolgt.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage der Abgrenzung der Formerfordernisse der Vaterschaftsfeststellung von materiellrechtlichen Anerkennungserfordernissen sei eine ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht bekannt.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt das Kind die Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichtes dahin, daß dem Rekurs Folge gegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Mangels jeglichen Anhaltspunktes, der für die Ehelichkeit des Kindes spräche, ist von dessen Unehelichkeit auszugehen (SZ 62/74). Für den Unterhaltsanspruch ist die Vaterschaft des in Anspruch genommenen Unterhaltsschuldners präjudiziell. Wegen des Auslandsbezuges sind sowohl die Voraussetzungen der Anerkennung der Vaterschaft zu dem unehelichen Kind als auch die Wirkungen der Unehelichkeit des Kindes (hier also der Unterhaltsanspruch) nach dem Personalstatut des Kindes im Zeitpunkt der Geburt zu beurteilen (§ 25 Abs 1 und 2 IPRG). Das Personalstatut einer natürlichen Person ist das Recht des Staates, dem die Person angehört (§ 9 Abs 1 IPRG). Wegen der österreichischen Staatsangehörigkeit des Kindes ist daher auf den vorliegenden Fall das materielle österreichische Recht anzuwenden. Dieses Ergebnis ergibt sich überdies und sogar vorrangig auch aus den Bestimmungen des Unterhaltsstatutabkommens (BGBl 1961/293 samt Ausführungsgesetz BGBl 1961/265), dem Portugal und Österreich beigetreten sind. Nach Art 1 des Abkommens ist auf Unterhaltsansprüche von Kindern das Sachrecht des Staates anzuwenden, in dem die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dieses Sachrecht ist für alle Unterhaltsvoraussetzungen, also auch für die Abstammungsvorfrage maßgeblich (Schwimann, IPR 87; ders in Rummel, ABGB2 II Rz 7 zu § 25

IPRG).

Die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind wird im Inland nach der derzeit gültigen Rechtslage durch persönliche Erklärung in inländischer öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde anerkannt (§ 163c Abs 1 ABGB). Die Erklärung kann vor Gericht (vgl § 114 JN), dem Jugendwohlfahrtsträger (§ 41 JWG), dem Standesbeamten (§ 53 Abs 1 Z 1 PStG), österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland (§ 53 Abs 2 PStG) oder dem öffentlichen Notar (§§ 52 ff NO) abgegeben werden. Ein allfälliges Anerkenntnis des portugiesischen Vaters erfolgte nach der Aktenlage vor dem 1.7.1989. Bis dahin konnte die Vaterschaft nach österreichischem Recht durch persönliche und mündliche Erklärung vor Gericht, der Bezirksverwaltungsbehörde, dem Standesbeamten, vor dem die Eltern die Ehe schlossen, vor der österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland oder vor einem öffentlichen Notar anerkannt werden. Über das Anerkenntnis war jeweils eine Niederschrift aufzunehmen (§ 163c Abs 1 ABGB idF BGBl 1983/566). Aus der Formvorschrift, daß das Vaterschaftsanerkenntnis durch Erklärung vor Gericht, Verwaltungsbehörden oder Notar abgegeben und darüber eine Niederschrift zu errichten ist, ist noch nicht abzuleiten, daß ein im Ausland vor einer ausländischen Behörde abgegebenes Vaterschaftsanerkenntnis in Österreich keine Rechtswirkungen entfalten könnte. Wohl ist für die Voraussetzungen und die Wirkungen der Vaterschaftsanerkennung das österreichische Recht als lex causae maßgebend. Dies gilt grundsätzlich auch für die einzuhaltende Form. Es war aber auch schon vor dem Inkrafttreten des IPRG herrschende Auffassung, daß dem Formerfordernis Genüge getan wird, wenn die entsprechende Ortsform (lex loci actus) eingehalten wurde und das ausländische Recht ein dem österreichischen Vaterschaftsanerkenntnis vergleichbares Rechtsinstitut kannte (Edlbacher in ÖJZ 1972, 589). Nunmehr kann gemäß § 8 IPRG die Form einer Rechtshandlung nicht nur nach demselben Recht beurteilt werden, wie die Rechtshandlung selbst, das Gesetz normiert vielmehr den schon erwähnten Grundsatz, daß auch die Einhaltung der Formvorschrift des Staates genügt, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wurde. Zur Form gehört alles, was die äußere Erscheinung und den äußeren Ablauf des rechtsgeschäftlichen Aktes bestimmt, wie beispielsweise die besonderen Beurkundungserfordernisse (Schwimann in Rummel ABGB2 Rz 3 zu § 8 IPRG). Die Formverweisungen des § 8 IPRG stehen alternativ zur Verfügung, es genügt, wenn die Form einer der berufenen Rechtsordnungen entspricht. Die lex loci actus und die lex causae stehen gleichberechtigt nebeneinander (SZ 59/27; Schwind, IPR Rz 303). Daß für die Form des Vaterschaftsanerkenntnisses das Formstatut des § 8 IPRG maßgebend ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits einmal ausgesprochen (ÖA 1987, 45).

Die Vorinstanzen haben die lex loci actus, also die portugiesische Rechtslage zum Vaterschaftsanerkenntnis bei unehelichen Kindern und die ebenfalls zum materiellen Recht gehörigen portugiesischen Formvorschriften entgegen der amtswegigen Ermittlungspflicht nach § 4 IPRG nicht geprüft und sind diesbezüglich von einer nicht erfüllten Behauptungs- und Beweislast des Kindes ausgegangen. Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Es wurden ausreichende Parteibehauptungen über ein in Portugal erfolgtes, nach dem Ortsrecht gültiges Vaterschaftsanerkenntnis aufgestellt. Das ausländische Recht über die Form des Vaterschaftsanerkenntnisses wäre von Amts wegen zu ermitteln gewesen. Ein Verstoß gegen die Ermittlungspflicht ist nach herrschender Rechtsprechung ein Verfahrensmangel eigener Art, der entweder durch Ermittlung des ausländischen Rechtes durch das Rechtsmittelgericht oder durch Zurückverweisung an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung behoben werden kann (Schwimann aaO Rz 3 zu § 4 IPRG mwN). Die Vorinstanzen waren jedoch nicht nur verhalten, das anzuwendende portugiesische Recht zu ermitteln, sondern auch - sofern dieses Recht das Institut eines dem österreichischen Recht vergleichbaren Vaterschaftsanerkenntnis kennt - aufgrund des gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG normierten Untersuchungsgrundsatzes den Sachverhalt zu erheben, ob der von der Mutter angegebene Vater unter Einhaltung der allfälligen portugiesischen Formvorschriften die Vaterschaft anerkannt hat. Das portugiesische Zivilrecht kennt das Institut des freiwilligen Anerkenntnisses der Vaterschaft von außerhalb der Ehe geborenen oder empfangenen Kindern (Art 1847 ff des portugiesischen Zivilgesetzbuches, ZGB, abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht3 69.Lfg 70). Art 1853 lit a leg cit normiert, daß das freiwillige Anerkenntnis durch eine gegenüber dem Standesbeamten abgegebene Erklärung vorgenommen werden kann. Schon aufgrund dieser Gesetzesbestimmungen steht fest, daß ein formgültiges Vaterschaftsanerkenntnis des von der Mutter angegebenen Vaters möglicherweise erfolgt ist, die Aufnahme in die Geburtsurkunde (deren Echtheit vorausgesetzt) wäre ein Indiz hiefür. Die Vorfrage der Vaterschaft kann nur nach ergänzender Erhebung des Sachverhalts beurteilt werden. Da der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist, erweist sich eine Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen als unumgänglich. Das Erstgericht wird im zweiten Rechtsgang zunächst die Formvorschriften des portugiesischen Rechts zu ermitteln haben. Danach wird durch geeignete Beweisaufnahmen (also vor allem durch Vernehmung der Mutter zum Thema der Abgabe des Anerkenntnisses durch den Vater vor dem Standesbeamten in Portugal) der maßgebliche Sachverhalt festzustellen sein. Sollte danach die Vaterschaft des angegebenen Mannes festgestellt sein, wird das Erstgericht die weiteren Voraussetzungen für den nach österreichischem Recht zu beurteilenden Unterhaltsanspruch des Kindes zu prüfen haben.

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