Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang (Zuspruch von S 799.226,82 samt 4 % Zinsen seit 17.2.1994) aufgehoben.
Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die erstbeklagte Partei war Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten im Haus der Kläger mit den Adressen S*****, R***** und L*****. Der Zweitbeklagte ist Komplementärgesellschafter der erstbeklagten Partei. Die Kläger kündigten im Verfahren 3 C 1866/89 des Erstgerichtes das Mietverhältnis zum 30.9.1989 auf. Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtsunwirksam. Mit Urteil des Gerichtes zweiter Instanz vom 19.1.1993, das der erstbeklagten Partei am 25.2.1993 zugestellt wurde, wurde die Rechtswirksamkeit der Kündigung hinsichtlich jener Räume, in denen das Geschäftslokal mit der Adresse L***** geführt wurde, festgestellt und die Aufhebung der Kündigung hinsichtlich des Bestandobjektes mit der Adresse R***** bestätigt. Die außerordentlichen Revisionen der Parteien wurden mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 20.4.1993, 1 Ob 1553/93, der am 18.5.1993 den Parteien zugestellt wurde, zurückgewiesen. Am 30.6.1993 wurde das Bestandobjekt L***** geräumt und an die Kläger zurückgestellt.
Die erstbeklagte Partei hatte vereinbarungsgemäß stets für sämtliche gemietete Räume einen einheitlichen Zins bezahlt. Ein Aufteilungsschlüssel war nicht vereinbart worden. Der von der beklagten Partei beglichene Gesamtmietzins betrug im Zeitraum vom 1.10.1989 bis 30.6.1993 netto (ohne Umsatzsteuer) S 20.445,21.
Sowohl das Geschäftslokal L***** als auch das Geschäftslokal R***** liegen im Ortszentrum von S***** im Kern der Fußgängerzone. Beide Objekte sind voneinander getrennt begehbar und benützbar. Das Bestandobjekt L***** weist folgende Nutzflächen auf: 162,23 m2 Verkaufsfläche und 18,20 m2 Nebenräume, insgesamt somit 180,43 m2. Das Objekt R***** besteht aus 92,96 m2 Geschäftsräumlichkeiten, 17,91 m2 Abstellräumen (Lagerräumen) im Hof sowie 43,34 m2 Dachbodenfläche, insgesamt somit aus 154,21 m2. Der nach Lage und Größe angemessene ortsübliche Nettomietzins (ohne Umsatzsteuer) betrug für das Objekt L***** zum Stichtag 15.9.1989 bis Jahresende 1992 S 39.500,-- monatlich und für das Jahr 1993 S 31.600,-- monatlich.
Die Kläger begehrten S 971.887,53 sA. Bei ordnungsgemäßer Räumung des Geschäftslokales L***** zum 30.9.1989 wäre den Klägern eine Vermietung zu einem monatlichen Hauptmietzins von mindestens S 40.000,-- möglich gewesen. Aufgrund der Lage, Größe und Ausstattung des Geschäftslokales L***** einerseits und des Geschäftslokales R***** andererseits sei davon auszugehen, daß auf das Bestandobjekt L***** ein Anteil des entrichteten Mietzinses von S 8.445,21 entfalle, sodaß die Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten und dem angemessenen Mietzins S 31.554,79 netto bzw S 34.710,27 brutto im Monat betrage. Die erstbeklagte Partei habe aus der unzulässigen Weitergabe des Mietobjektes selbst S 35.000,-- im Monat bezogen. Die Kläger würden sich darauf beschränken, den Differenzbetrag für die Zeit vom März 1991 bis einschließlich Juni 1993 geltend zu machen. Der aus dem Titel der Bereicherung zustehende Gesamtanspruch betrage daher 28 (Monate) x S 31.554,79 netto, sohin S 883.534,12 netto bzw S 971.887,53 brutto.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Geschäftsräume seien erst mit Rechtskraft des Urteiles im Kündigungsprozeß zurückzustellen gewesen, sodaß ein allfälliges Benützungsentgelt erst ab 20.4.1993 geltend gemacht werden könne. Es liege kein Entgang einer konkreten Nutzungschance vor, weil das Geschäftslokal nach der Räumung durch die erstbeklagte Partei leergestanden sei. Das Benützungsentgelt richte sich nach dem bisherigen Hauptmietzins. Der entrichtete Bestandzins sei im Verhältnis von 2:1 auf die Geschäftsräume L***** und R***** aufzuteilen, sodaß eine bereits erbrachte monatliche Zahlung von S 13.630,14 anzurechnen sei. Die Hausverwaltung der Kläger habe den Mietzins selbst nach Räumung des Lokales L***** im Verhältnis von 1:1 vorgeschrieben. Daher sei die in der Klage vorgenommene Aufteilung jedenfalls verfehlt.
Das Erstgericht verpflichtete die beklagten Parteien zur Zahlung von S 824.415,37 samt 4 % Zinsen seit 17.2.1994 und wies das Mehrbegehren von S 147.472,16 samt dem Zinsenmehrbegehren ab. Es bejahte das Bestehen eines Bereicherungsanspruches der Kläger in Höhe der Differenz zwischen dem angemessenen und dem tatsächlich bezahlten Mietzins bereits ab dem Zeitpunkt der Aufkündigung. Den für beide Geschäftslokale gemeinsam entrichteten Mietzins teilte das Erstgericht im Verhältnis der Nutzflächen (einschließlich der Nebenräume) von 154,21 m2 zu 180,43 m2, sohin von 46 % (Riemerplatz 1) zu 54 % (Linzerstraße 2) auf.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der beklagten Parteien teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die beklagten Parteien schuldig erkannte, S 799.226,82 samt 4 % Zinsen seit 17.2.1994 zu zahlen und das Mehrgebegehren von S 172.660,71 sA abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die §§ 34 und 35 MRG seien auf Geschäftsräumlichkeiten nicht anzuwenden, sodaß der Bereicherungsanspruch, der sich nach dem angemessenen ortsüblichen Mietzins richte, bereits seit Geltendmachung zustehe. Der von der erstbeklagten Partei tatsächlich bezahlte einheitliche Hauptmietzins sei jedoch im Verhältnis von 58 % (L*****) zu 42 % (R*****) aufzuteilen. Es sei die unterschiedliche Wertigkeit von den Geschäftsräumen einerseits und den Nebenräumen andererseits zu berücksichtigen. Der Mietzins für das Objekt L***** sei von dem vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen mit S 230/m2 für die Geschäftsräume und mit S 120/m2 für die Nebenräume ermittelt worden. Diese Relation sei auch auf das Objekt R***** zu übertragen, woraus sich für das Objekt R***** ein fiktiver Gesamtnettomietzins von S 28.730,80 (92,96 m2 x 230 + 61,65 m2 x 120) ergebe. Aus dem Verteilungsschlüssel von 58 : 42 resultiere ein anzurechnender Teilmietzins für das Objekt L***** von S 11.858,22 netto. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht alle hier relevanten Rechtsfragen behandelt habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.
Das Bestandverhältnis zwischen den Klägern und der erstbeklagten Partei betreffend die Mieträumlichkeiten L***** endete infolge der schließlich für rechtswirksam erklärten Kündigung mit dem Kündigungstermin (Würth in Rummel2 I, Rz 5 zu §§ 1109, 1110 ABGB). Für die analoge Anwendung der für Wohnräume gemäß den §§ 34 Abs 2, 35 Abs 1 MRG geltenden Fiktion des Fortbestehens des Bestandverhältnisses mit unveränderten Rechten und Pflichten auf Geschäftsräume fehlen die Voraussetzungen, weil eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht zu erkennen ist; das Gesetz differenziert des öfteren zwischen gemieteten Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten (2 Ob 582, 583/95). Den Klägern steht daher ab der Beendigung des Bestandverhältnisses infolge der für rechtswirksam erklärten Kündigung und somit jedenfalls ab März 1991 und nicht erst ab Rechtskraft der diesbezüglichen gerichtlichen Entscheidung (vgl ebenfalls 2 Ob 582, 583/95) ein angemessenes Benützungsentgelt zu. Diese Verpflichtung des ehemaligen Bestandnehmers als Folge des Zuwiderhandeln gegen die Rückstellungspflicht beruht auf § 1041 ABGB und besteht nach ständiger Rechtsprechung unabhängig davon, ob und wie die Bestandsache über die vereinbarte Bestandzeit hinaus weiter verwendet wurde und ob der Bestandnehmer während der Verzögerung der Rückstellung seinerseits einen meßbaren Nutzen vom Bestandobjekt hatte. Sie setzt weder ein Verschulden des früheren Bestandnehmers noch einen Schaden des Eigentümers voraus. Allein der Entgang der Nutzungschance des Eigentümers führt zur Verpflichtung zur Zahlung eines angemessenen Benützungsentgeltes (SZ 58/104; ImmZ 1989, 450; SZ 65/61 und andere). Auf die tatsächlichen Benützungsverhältnisse kommt es daher nicht an (1 Ob 595/90).
Es ist auch nicht entscheidend, ob die Kläger das Bestandobjekt nach der Räumung durch die erstbeklagte Partei sofort wieder hätten vermieten können oder nicht. Während einerseits den Klägern infolge der Weiterbenützung durch die erstbeklagte Partei eine Nutzungschance (sei es auch für Eigennutzung) entging, trat andererseits für die erstbeklagte Partei eine Aufwandersparnis ein, die mangels entgegenstehender Behauptungen der beklagten Parteien ebenfalls mit dem objektiven Gebrauchswert gleichzusetzen ist (Kerschner in JBl 1978, 411 ff, 416). Abgesehen davon ist ein allfälliges Leerstehen der Geschäftsräumlichkeiten nach der Räumung durch die erstbeklagte Partei im Juni 1993 kein zwingendes Indiz dafür, daß die Kläger auch früher keinen Bestandnehmer gefunden hätten und nicht den ortsüblichen Zins erzielen hätten können.
Angemessen ist der gemäß § 1041 ABGB zu leistende Geldausgleich in der Höhe des innerhalb etwa bestehender (besonders mietrechtsgesetzlicher, hier nicht zum Tragen kommender) Schranken nach den konkreten Wertbestimmungsfaktoren auf dem örtlichen Wohnungsmarkt erzielbaren Mietentgeltes. Die mietvertragliche Zinshöhe ist grundsätzlich ebensowenig bestimmend wie ein tatsächlich erzieltes Entgelt im Rahmen einer Folgeverwertung (JBl 1996, 48). Die Höhe des angemessenen Benützungsentgeltes wird zwar im Regelfall dem bisher vereinbarten Mietzins entsprechen, weil von einer Vereinbarung dieses Entgeltes in angemessener Höhe ausgegangen werden kann; dies schließt aber die Berücksichtigung besonderer Verhältnisse des Einzelfalles nicht aus (SZ 58/104; 2 Ob 582, 583/95). Der früher zu entrichtende Bestandzins liefert für die angemessene Höhe des Benützungsentgeltes nur Anhaltspunkte (SZ 65/61).
Wie sich aus der dargestellten Rechtslage ergibt, kommt es auch nicht darauf an, ob der ehemalige Bestandnehmer seinerseits weniger Gewinn aus der Weiterbenützung lukriert als dem angemessenen Benützungsentgelt entspricht. Da im vorliegenden Fall feststeht, daß der ortsübliche Mietzins für die Monate von März 1991 bis einschließlich Dezember 1992 S 39.500,-- und für die Monate Jänner bis einschließlich Juni 1993 S 31.600,-- betrug, haben die erstbeklagte Partei und der mit ihr solidarisch haftende Zweitbeklagte die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Entgelt zu zahlen, wie bereits die Vorinstanzen insoweit zutreffend ausgeführt haben.
Den Revisionsausführungen kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als behauptet wird, das Gericht zweiter Instanz habe selbst bei Zugrundelegung des Verteilungsschlüssels von 58 % zu 42 % des weiterbezahlten Mietzinses den Differenzbetrag auf den festgestellten ortsüblichen Mietzins unrichtig berechnet. Eine Nachprüfung ergibt, daß das Gericht zweiter Instanz rechnerisch richtig für 22 Monate eine Differenz von S 27.641,78 (S 39.500,-- - S 11.858,22) und für 6 Monate eine Differenz von S 19.741,78 (S 31.600,-- - S 11.858,22) zugrundegelegt hat, wobei es sich allerdings jeweils um Nettobeträge handelt. Dies ergibt eine Gesamtdifferenz von S 726.569,84, zu der allerdings noch, da es sich jeweils um Nettobeträge handelt, die in der Revision vernachlässigte Umsatzsteuer hinzuzurechnen ist, woraus der vom Gericht zweiter Instanz zuerkannte Gesamtbetrag von S 799.226,82 resultiert.
Der Revision ist jedoch dahin beizupflichten, daß noch nicht abschließend beurteilt werden kann, welcher Teilbetrag des Mietzinses von S 20.445,21 netto auf das Geschäftslokal L***** entfiel und welcher Betrag daher vom festgestellten angemessenen Benützungsentgelt als bereits erbrachte Teilzahlung abzuziehen ist.
Die Parteien haben bei Vereinbarung des Mietzinses für beide Geschäftslokale offenbar nicht den nun eingetretenen Fall bedacht, daß das Mietverhältnis hinsichtlich des einen Geschäftslokales beendet und hinsichtlich des anderen Geschäftslokales fortgesetzt wird und die Notwendigkeit besteht, den Mietzins für jedes der Lokale getrennt festzusetzen. Es ist daher eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, für die zunächst die Frage zu prüfen ist, was die Parteien gewollt hätten, wenn sie sich bei Vertragsabschluß bzw bei der Mietzinsvereinbarung die nunmehr offene Frage vorgelegt hätten. Diese Frage kann sich aus Natur und Zweck des Vertrages, aus Vorverhandlungen oder aus anderen "Umständen des Geschäftes" beantworten, wobei darauf abzustellen ist, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (vgl Rummel in Rummel2 I, Rz 12 zu § 914 ABGB mwN). Um den hypothetischen Parteiwillen nach diesen Kriterien beurteilen zu können, ist es unerläßlich, eine Gegenüberstellung der Wertigkeit der beiden Geschäftslokale R***** und L***** als Mietobjekte vorzunehmen. Dies ist derzeit deshalb nicht möglich, weil nicht feststeht, ob der bei einer Vermietung zu erzielende Quadratmeterpreis beim Geschäftslokal R***** tatsächlich gleich hoch ist wie beim Geschäftslokal L*****, und zwar sowohl hinsichtlich des eigentlichen Geschäftslokales als auch hinsichtlich der Nebenräume. Selbst bei etwa gleich günstiger Einkaufslage innerhalb des Stadtgebietes können andere Faktoren wie insbesondere die Raumeinteilung, die Möglichkeit der Warenpräsentation, die Zweckmäßigkeit der Anordnung der Nebenräume, die Raumausstattung usw die Wertrelation jeweils des einen Geschäftslokales im Verhältnis zum anderen Geschäftslokal als Mietobjekt wesentlich beeinflussen. Ohne weitere Kenntnis der Situation kann nicht von vorneherein davon ausgegangen werden, daß eine Abstellfläche am Dachboden und Nebenräume, die an das Geschäftslokal unmittelbar anschließen (und im Gutachten als WC, Waschraum und Büro bzw Verbindungsgang bezeichnet werden), als gleichwertige Räume zu betrachten sind und bei Vermietung denselben Ertrag pro m2 erzielen können.
Da jegliche Feststellungen zum Mietwert des Geschäftslokales R***** fehlen, entbehren sowohl die vom Erstgericht als auch die vom Gericht zweiter Instanz vorgenommenen Aufteilungen des fortbezahlten Mietzinses einer entsprechenden Sachverhaltsgrundlage. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher zur Beseitigung des aufgezeigten sekundären Feststellungsmangels aufzuheben.
Der Vorbehalt der Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)