Spruch:
Für denjenigen, der einen Wechsel mit Protest in Händen hat, streitet die Vermutung, daß er den Wechsel als Rückgriffsschuldner eingelöst hat. Er kann seinerseits Rückgriff nehmen, ohne die über ihn hinausführenden Indossamente zu durchstreichen
Entscheidung vom 7. Dezember 1966, 7 Ob 204/66
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien
Text
Auf Grund zweier Wechsel vom 8. Mai 1964 über je 5000 DM, die vom Kunstverlag M. ausgestellt und vom Beklagten angenommen worden waren, wurde ein Wechselzahlungsauftrag erlassen. Dagegen erhob der Beklagte Einwendungen, worin er vorbrachte, die Akzepte seien einer jahrelangen Übung entsprechend dem Kunstverlag M. für später zu erfolgende Warenlieferungen gegeben worden und hätten erst nach Einlangen der Waren auf Grund des sich dann ergebenden Saldos eingelöst werden sollen. Die klagende Partei habe die Wechsel in Kenntnis dieser Vereinbarung an sich gebracht und habe von M. hiefür keine Gegenleistungen erhalten. Als der M.-Verlag zahlungsunfähig geworden sei, habe sich unter Führung der pf. Verlagsanstalt ein Konsortium gebildet, das das Erscheinen der im M.-Verlag in Druck befindlichen Erzeugnisse ermöglichen sollte. Mit dem Anwalt dieser Verlagsanstalt habe der Beklagte vereinbart, daß die Wechselakzepte erst einzulösen seien, wenn die Wechselsumme durch entsprechende Warenlieferungen abgedeckt sei. Diesem Übereinkommen habe die klagende Partei zugestimmt. Die klagende Partei habe sich überdies ihrer Rechte verschwiegen, weil sie das Schreiben des Beklagten vom 19. Oktober 1964 widerspruchslos entgegengenommen und erst nach fünfzehn Monaten die vorliegende Klage eingebracht habe. Die klagende Partei sei zur Klage nicht legitimiert, weil dem auf sie lautenden Indossament nicht durchgestrichene Indossamente folgen und sie die Rücklösung der Wechsel weder behauptet noch bewiesen habe.
Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht. Es stellte fest, der Beklagte habe vom M.-Verlag regelmäßig für erst im Laufe des Jahres zu liefernde Waren ausgestellte Wechsel akzeptiert, damit sich der Verlag Diskontkredit verschaffen könne. Dem Beklagten sei bewußt gewesen, daß er für dessen Rückzahlung allenfalls aufkommen müsse. Die klagende Partei habe die vorliegenden Wechsel am 11. Mai 1964 indossiert erhalten, und zwar wegen eines dem M.- Verlag am 2. April 1964 eingeräumten Wechseldiskontkredites über 25.000 DM. Die klagende Partei habe zu diesem Zeitpunkt von den Abmachungen zwischen dem Beklagten und dem M.-Verlag keine Kenntnis gehabt. Als der M.-Verlag in Schwierigkeiten gekommen sei, haben seine Lieferanten unter Führung der pf. Verlagsgesellschaft m. b. H. ein Konsortium gebildet, um den Verkauf der bereits hergestellten Druckerzeugnisse zu ermöglichen. Der Beklagte habe den Rechtsberater dieser Verlagsgesellschaft, Dr. L., ersucht, sich bei der Klägerin für ihn zu verwenden, damit sie erst nach Auslieferung der Waren auf Grund der Wechsel Zahlung verlange. Die Klägerin sei hiezu aber nicht bereit gewesen, sondern habe angedroht, die Wechsel gerichtlich geltend zu machen. Der Beklagte habe gewußt, daß die Wechsel dem Aussteller die Aufnahme von Krediten erleichtern sollten.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, es handle sich bei den vorliegenden Wechseln um Gefälligkeitsakzepte. Diese Eigenschaft könne dem Erwerber der Wechsel aber auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 17 WG. nicht eingewendet werden. Selbst wenn die klagende Partei von den Vereinbarungen zwischen dem Beklagten und dem M.-Verlag Kenntnis gehabt hätte, was nicht erwiesen sei, könne von einem bewußten Handeln zum Nachteil des Schuldners nicht gesprochen werden. Der Gefälligkeitseinwand könne nur dem Aussteller, nicht aber einem dritten Inhaber der Wechsel gegenüber erhoben werden. Da auch keine Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten erwiesen sei, wonach die Wechselsumme erst nach Erhalt der noch ausständigen Ware zu bezahlen sei, habe der Beklagte die Wechselsumme zu bezahlen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Rechtlich führte es aus, von einem Verzicht der klagenden Partei auf Einklagung der Wechsel könne trotz ihres Zuwartens mit der Klagserhebung nicht gesprochen werden. Selbst wenn man annehme, die Klägerin habe dem Zahlungsvorschlag des Beklagten im Schreiben vom 19. Oktober 1964 zugestimmt, könne daraus nur eine Bereitschaft zu einem kurzfristigen Zuwarten mit der Einlösung der Wechsel entnommen werden. Keinesfalls könne daraus ein Einverständnis der Klägerin dahingehend abgeleitet werden, daß der Beklagte die Wechselsumme so lange nicht zu bezahlen brauche, als ihm der Gegenwert der Ware noch nicht zugekommen sei. Die Klägerin sei zur Klage aktiv legitimiert, weil die Wechsel im Rücklauf in ihren Besitz gelangt seien. Auf die Unstimmigkeiten zwischen Wechsel und Klage, wonach die Klägerin während der Verfallszeit und der Protestfrist im Besitz der Wechsel gewesen sei, sei nicht einzugehen, weil der Beklagte in dieser Richtung keine Einwendungen erhoben habe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In der Rechtsrüge bekämpft der Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin deshalb, weil sie im Gegensatz zu dem aus den Wechseln sich ergebenden Bild in der Klage ausgeführt habe, daß sie während der Verfallszeit und der Protestfrist im Besitz der Wechsel gewesen sei, weshalb die Erhebung des Protestes entfalle.
Wie in der vom Beklagten selbst zitierten Entscheidung JBl. 1948 S. 424 (und ebenso EvBl. 1935 Nr. 1137) ausgeführt wurde, ist beim Wechselrücklauf zur Geltendmachung der Wechselrechte auch derjenige legitimiert, der den Wechsel mit Protest in Händen hat, wenn seine Unterschrift sich als diejenige eines Rückgriffsschuldners auf dem Wechsel befindet. In diesem Fall wird vermutet, daß der Besitzer des Wechsels als Rückgriffsschuldner den Wechsel eingelöst hat. Er kann, muß aber nicht (Art. 50 WG.) die über ihn hinausführenden Indossamente durchstreichen. Ebensowenig braucht er die Einlösung des Wechsels zu behaupten. Vielmehr muß der in Anspruch genommene Rückgriffsschuldner, der einwendet, daß der Wechsel entgegen dem normalen Sachverhalt nicht durch Wiedereinlösung in den Besitz des Rückgriffnehmenden gelangt sei, diese Vermutung widerlegen (Staub - Stranz[13] S. 476, 477). Nur wenn sich schon die Klage in Gegensatz zu dieser vermuteten Einlösung setzt, muß ihr der Erfolg versagt werden. Im vorliegenden Fall kann aber von einem solchen Widerspruch zwischen dem Klagsvorbringen und der aus den Wechseln sich ergebenden Vermutung nicht gesprochen werden. Die klagende Partei hat zwar in dem Vordruck der Wechselklage den Passus, wonach sie während der Verfallszeit und der Protestfrist im Besitz der Wechsel war, weshalb die Erhebung des Protestes entfällt, nicht durchgestrichen, mit diesem Vordruck soll aber im Regelfall nur begrundet werden, warum ein Protest nicht erhoben wurde. Im vorliegenden Fall wurde ohnehin Protest erhoben, sodaß diese Erklärung hinfällig ist. Deshalb spricht aber nichts gegen die Vermutung, die Klägerin habe die Wechsel, die sie ja im Besitz hatte, im Rücklauf eingelöst, weshalb sie zur Klage auch legitimiert ist.
Mit Recht haben die Untergerichte auch einen stillschweigenden Verzicht der Klägerin, die Wechselzahlung vor Eingang der Waren beim Beklagten zu fordern, verneint. Gleichgültig ob die Rechtssache nach österreichischem oder deutschem Recht beurteilt wird (§ 863 ABGB., § 346 HGB., § 242 BGB.), kann im vorliegenden Fall eine Zustimmung der klagenden Partei zum Vorschlag des Beklagten nicht angenommen werden. Die Klägerin hat durch ihre Schreiben, zuletzt durch das Schreiben vom 16. Oktober 1964, eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie auf Bezahlung der Wechselsumme ohne Rücksicht auf das Einlangen der Waren bestehe. Die Nichtbeantwortung des Schreibens des Beklagten vom 19. Oktober 1964 kann nicht als Zustimmung, sondern nur als Ablehnung des in diesem Schreiben gemachten Vorschlages gewertet werden. Was schließlich die behauptete Verschweigung anlangt, ist eine solche dem österreichischem Recht grundsätzlich fremd. Der Verlust des Rechts tritt in der Regel nur durch Verjährung ein. Bloße Untätigkeit bedeutet nlemals stillschweigenden Verzicht, weil sonst die Bestimmungen über die Verjährung umgangen werden könnten. Der Gläubiger ist berechtigt, seine Forderung noch knapp vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend zu machen. Nur unter besonderen Umständen wird in der Rechtsprechung Verwirkung angenommen, nämlich dann, wenn der Schuldner aus dem Verhalten des Gläubigers entnehmen kann, daß dieser den Anspruch nicht geltend machen will, und er mit diesem Anspruch nicht mehr zu rechnen braucht. Im vorliegenden Fall konnte der Beklagte nie der Meinung sein, die klagende Partei werde ihren Anspruch aus den Wechseln nicht mehr geltend machen. Das hat er auch nicht behauptet. Das Zuwarten mit der Einbringung der Klage durch fünfzehn Monate kann weder als Verzicht im oben dargelegten Sinn noch als Verwirkung gewertet werden.
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