Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Die Klägerin, die über Auftrag der beklagten Wohnbaugesellschaft eine Wohnhausanlage errichtete, begehrte von dieser zuletzt (nach Klagseinschränkung) 38.272,67 EUR an offenem Werklohn. Diese Forderung steht sowohl dem Grund als auch der Höhe nach außer Streit. Unstrittig ist auch, dass die Klägerin der Beklagten sechs Teilrechnungen gelegt und ihr die Beklagte Zahlungen in Höhe von insgesamt 231.416,72 EUR geleistet hat.
Strittig ist allein eine von der Beklagten erhobene, die restliche Werklohnforderung der Klägerin übersteigende, sich aus Pönalezahlungen und erhöhtem Bauaufwand zusammensetzende Gegenforderung. Diese wird von der Beklagten darauf gestützt, dass sie berechtigt vom Werkvertrag zurückgetreten sei: Die Klägerin hat nach einer Meinungsverschiedenheit (betreffend die Auslegung der dem Werkvertrag zugrunde gelegten Vereinbarungen) über die Zahlung der sechsten Teilrechnung - nach Ansicht der Beklagten rechtsgrundlos - erklärt, nur unter der Voraussetzung einer „Abschlagszahlung" (zunächst von mindestens 45.000 EUR, später von mindestens 35.000 EUR) bereit zu sein, das Werk zu vollenden. Die Klägerin steht hingegen auf dem Standpunkt, sie habe die Fortführung der Arbeiten aufgrund der Unsicherheitseinrede des § 1052 ABGB zu Recht verweigern können, da die Beklagte mit der (vollständigen) Bezahlung der sechsten Teilrechnung laut einem von den Streitteilen vereinbarten Zahlungsplan und von weiteren Rechnungen bezüglich Zusatzleistungen säumig gewesen sei.
Das Erstgericht schloss sich der Rechtsmeinung der Klägerin an. Es verurteilte die Beklagte (ohne ausdrücklich über die Gegenforderung abzusprechen) daher im Sinn des Klagebegehrens.
Infolge Berufung der Beklagten hob das Gericht zweiter Instanz das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Klägerin sei zur Leistungsverweigerung nach § 1052 erster Satz ABGB nicht berechtigt gewesen, weil die vereinbarten Teilzahlungen (Abschlagszahlungen) nur Vorschüsse, also Vorauszahlungen auf ein noch nicht fälliges Entgelt gewesen seien und die Klägerin daher gemäß § 1170 ABGB weiterhin vorleistungspflichtig gewesen sei. Auch die Unsicherheitseinrede nach § 1052 zweiter Satz ABGB stehe ihr mangels objektiv begründeter Besorgnis der Insolvenz der Beklagten nicht zu. Auf die Frage der Auslegungsdifferenzen betreffend die von den Parteien getroffenen schriftlichen Vereinbarungen müsse daher nicht mehr eingegangen werden. Infolge rechtswidriger Leistungsverweigerung der Klägerin sei das Verfahren hinsichtlich der Gegenforderung der Beklagten ergänzungsbedürftig.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gemäß § 519 Abs 2 ZPO zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus bedeutsamen Frage fehle, ob dem grundsätzlich vorleistungspflichtigen Werkunternehmer bei Säumnis des Bestellers bei Leistung der vereinbarten Vorschüsse ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 erster Satz ABGB zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch ist der gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss erhobene Rekurs der Klägerin mangels der Voraussetzungen des § 519 Abs 2 ZPO unzulässig.
Die Zurückweisung eines Rekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Das Berufungsgericht zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Seine Ansicht, eine allfällige Säumnis bei der Leistung von Vorschüssen könne dem Werkunternehmer kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 erster Satz ABGB geben, stellt eine zwingende Schlussfolgerung aus der oberstgerichtlichen Judikatur zur Rechtsnatur von Vorschüssen dar. Danach sind Vorschüsse Vorauszahlungen eines noch nicht fälligen Entgelts; sie können bereits erbrachte Leistungen vor Fälligkeit der entsprechenden Forderungen vorweg abgelten oder auf noch nicht Geleistetes entfallen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Vorschuss ein Geldbetrag, der jemandem vorausgezahlt wird, obwohl er sonst erst später Anspruch auf die Leistung des Geldbetrags hätte (EvBl 1981/157; SZ 64/70; EvBl 1991/169 ua). Der Vorschuss wird mit der Forderung des Unternehmers abgerechnet, nicht gegen sie aufgerechnet. Die vorherige Leistung durch den Besteller mindert einfach den Anspruch des Unternehmers, dem Besteller steht aber keine Gegenforderung zu, wie dies zu einer Aufrechnung notwendig wäre (EvBl 1981/157 mwH; SZ 72/211 ua). Die Vereinbarung von Vorschüssen ändert demnach nichts daran, dass gemäß § 1170 erster Satz ABGB das Entgelt in der Regel nach vollendetem Werk zu entrichten ist. Die Richtigkeit der betreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichts liegt daher auf der Hand. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 519 Abs 2 ZPO stellt sich daher nicht.
Eine erhebliche Rechtsfrage wird von der Rekurswerberin aber auch nicht dadurch aufgezeigt, dass sie die Vereinbarung von Vorschüssen in Frage stellt und meint, durch den „Zahlungsplan" sei eine von § 1170 erster Satz ABGB abweichende Regelung der Fälligkeit des Werklohns vereinbart worden. Dies setzte voraus, dass die Streitteile mit dem erwähnten Zahlungsplan eine Werkerrichtung „in gewissen Abteilungen" im Sinn des § 1170 zweiter Satz ABGB getroffen hätten. Die Beurteilung, ob eine solche „gegliederte" Werkerstellung vorliegt, richtet sich nach dem Vertrag oder der Verkehrsauffassung (2 Ob 36/04i; vgl RIS‑Justiz RS0021979; Krejci in Rummel3, § 1170 Rz 9; Rebhahn in Schwimann, ABGB3 V, § 1170 Rz 11). Vertragsauslegung im Einzelfall stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936; RS0042776).
Dies ist hier nicht der Fall: Von einem in mehreren Abteilungen zu verrichtenden Werk ist im Zweifel vor allem dann auszugehen, wenn der Unternehmer eine Mehrheit voneinander unabhängiger Werke herzustellen hat (3 Ob 667/81; RIS‑Justiz RS0021979 [T1]). Auch wenn der von der Klägerin vorgeschlagene und von der Beklagten ganz offenbar akzeptierte Zahlungsplan - anders als in der Entscheidung 2 Ob 36/04i - nicht „eine schematische Auszahlung nach prozentuellen Baufortschritten" vorsah, stellte er und die damit korrespondierenden Teilrechnungen doch weniger auf bestimmte Leistungen als auf nur mit allgemeinen Schlagworten umschriebene „Gewerke" als chronologisch abfolgende Teilphasen der Bauabwicklung ab (vgl 8 Ob 157/99t). Die einzelnen „Gewerke" können auch nicht als voneinander unabhängig angesehen werden, sondern waren ganz offenbar aufeinander aufbauende Teilleistungen bei der Errichtung des gesamten von der Klägerin durchzuführenden Bauvorhabens. Die Ansicht des Berufungsgerichts, von den Streitteilen sei keine Werkerrichtung „in gewissen Abteilungen" im Sinn des § 1170 zweiter Satz ABGB, sondern die Leistung von Vorschüssen vereinbart worden, ist daher jedenfalls vertretbar und begegnet keinen Bedenken.
Schließlich hängt auch die von der Rekurswerberin noch relevierte Frage der Unsicherheitseinrede nach § 1052 zweiter Satz ABGB von den Umständen des Einzelfalls ab und wäre zufolge dieser Einzelfallbezogenheit nur dann revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Davon kann keine Rede sein: Gefährdung im Sinn des § 1052 zweiter Satz ABGB liegt vor, wenn im Zeitpunkt des Erfüllungsverlangens durch den Nachleistungsberechtigten bei objektiver Beurteilung der gesamten Sachlage zu befürchten ist, dass die volle und zeitgerechte Bewirkung der Gegenleistung in Frage gestellt ist (RIS‑Justiz RS0021076 und RS0108181). Abgesehen davon, dass die diesbezüglich behauptungs- und beweispflichtige Klägerin (vgl RIS‑Justiz RS0021112 und RS0021078) spezifische Umstände, die eine Gefährdung der Werklohnzahlung durch schlechte Vermögensverhältnisse der Beklagten annehmen ließen, nicht behauptet hat, ist eine solche Gefährdung nach den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanzen auch objektiv (vgl RIS‑Justiz RS0021083) nicht in Erwägung zu ziehen. Es steht fest, dass die Beklagte alle vorangegangenen fünf Teilrechnungen prompt (innerhalb der vereinbarten Skontofristen) geleistet und dabei insgesamt einen Betrag von etwa 230.000 EUR aufgewendet hat. Umstände, die eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Beklagten annehmen ließen, wurden nicht festgestellt und von der Klägerin auch nicht behauptet. In der Verneinung der Sittenwidrigkeit der Klausel Punkt 1.10 der Allgemeinen Vertragsbedingungen, die mit der gesetzlichen Regelung (§ 1170 ABGB) in Einklang steht, kann eine Verkennung der Rechtslage ebenfalls nicht erblickt werden.
Da damit insgesamt die Voraussetzungen für die Zulassung des Rekurses nicht gegeben sind, muss das Rechtsmittel der Klägerin zurückgewiesen werden.
Der Vorbehalt der Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung, in der auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen wurde, gründet sich auf § 52 ZPO.
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