OGH 7Ob16/16b

OGH7Ob16/16b17.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** E***** GmbH, *****, vertreten durch Felfernig & Graschitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S***** M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in Linz, wegen 1.043.855,52 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 15. Dezember 2015, GZ 5 R 189/15y‑15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Einmaligkeitswirkung greift bei identem Begehren dann ein, wenn die rechtlich relevanten Tatsachenbehauptungen im Folgeprozess im Kern dem festgestellten rechtserzeugenden Sachverhalt des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses entsprechen (RIS‑Justiz RS0039347 [insb T15, T25, T33]). Nach ihrer Reichweite erfasst die Einmaligkeitswirkung sich betragsmäßig deckende Ansprüche im Folgeprozess sowie ein quantitatives Minus (RIS‑Justiz RS0039347 [T33]; vgl auch RS0041281 [T2]).

2. Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache nicht begründet ist, wenn die Klage des Vorprozesses mangels Schlüssigkeit abgewiesen wurde und die neue Klage nunmehr schlüssig ist. Diese Rechtsansicht hält sich im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0041402) und begründet damit keine erhebliche Rechtsfrage. Die von der Beklagten angesprochene, von der Klägerin nicht wahrgenommene Möglichkeit im Vorprozess, die Klage nach Erörterung schlüssig zu stellen und/oder das klagsabweisende Urteil zu bekämpfen, ändert daran nichts, weil allein das Fehlen der Tatsachenbehauptungen die Einmaligkeitswirkung ausschließt.

3. Die von der Beklagten gegen diese Rechtsprechung zur fehlenden Einmaligkeitswirkung eines Unschlüssigkeitsurteils ins Treffen geführte Lehrmeinung von Fasching/Klicka (in Fasching/Konecny 2 zu § 411 ZPO Rz 51; diesen folgend B. Schneider , EvBl 2013, 559 [Entscheidungsanmerkung zu 8 Ob 126/12f]) hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 1 Ob 141/05z (JBl 2006, 325 = ecolex 2006/80) abgelehnt und dies zusätzlich in 1 Ob 232/12t bekräftigt. Inhaltliche Argumente gegen die in 1 Ob 141/05z für die herrschende Rechtsprechung vorgetragene Begründung enthält der Revisionsrekurs nicht, weshalb es keiner neuerlichen Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage bedarf.

4. Auch der von der Beklagten behauptete Widerspruch zur Entscheidung 8 Ob 126/12f (EvBl 2013/82 [krit B. Schneider ] = SZ 2012/129 = JBl 2013, 532) liegt nicht vor. Nach dieser Entscheidung ist unter „Schlüssigkeit“ im vorliegenden Kontext nur die „echte Schlüssigkeit“ zu verstehen, also die Abweisung des Klagebegehrens wegen unvollständiger Tatsachenbehauptungen im Gegensatz zu den Fällen einer rechtlichen Unbegründetheit des Anspruchs, in denen sich aus dem behaupteten Sachverhalt die begehrte Rechtsfolge nicht ableiten lässt. Im Vorprozess erfolgte aber die Abweisung des Klagebegehrens gerade infolge unzureichender Tatsachenbehauptungen, also wegen „echter Unschlüssigkeit“.

5. Soweit das Rekursgericht nunmehr die Klage im hier maßgeblichen Umfang für schlüssig erachtet hat, stellt dies eine typische Einzelfallbeurteilung dar, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0116144; RS0037780; RS0042828 [T19]). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht zeigt die Beklagte insoweit nicht auf, muss doch gerade dann, wenn mehrere Einzelforderungen geltend gemacht werden, das Gebot der Präzisierung des Vorbringens nicht überspannt werden (vgl RIS‑Justiz RS0037907).

6. Im Ergebnis stellt sich insgesamt keine Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO. Vielmehr hält sich die Entscheidung des Rekursgerichts zur fehlenden Bindungswirkung des Unschlüssigkeitsurteils im Vorprozess in dem durch die genannten Judikaturgrundsätze gezogenen Rahmen. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist somit unzulässig und zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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