Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der nunmehr 85-jährigen Betroffenen, die seit 12. 4. 2006 im Pflegeheim W***** betreut wird, wurde mit Beschluss des Erstgerichtes vom 15. 5. 2006 Mag. Christian L*****, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt. Die Betroffene leide an einem hirnorganischen Abbausyndrom, sei nicht mehr voll orientiert sowie in ihrer Kritik- und Urteilsfähigkeit erheblich beeinträchtigt und habe über ihre finanzielle Situation keinen Überblick mehr. Da sie zu ihrem Sohn und einzigen Nachkommen Dr. Hans-Gerd R***** ein sehr schlechtes Verhältnis habe, erscheine es „vernünftig, einen unabhängigen, professionellen Sachwalter zu bestellen."
In der Folge war der Sachwalter bemüht, einen „Übergabsvertrag", mit dem die Betroffene ihre in Klagenfurt gelegene Liegenschaft B***** 28 an Heidi L***** verschenkt hatte, rückgängig zu machen. Am 16. 5. 2006 wurde vom Sachwalter namens der Betroffenen und von der Beschenkten ein „Vertrag über die Rückabwicklung des Übergabsvertrages" unterzeichnet, der eine Abschlagszahlung von EUR 10.000,-- an die Beschenkte vorsieht, die von 1998 bis 2005 für die Betroffene Abgaben und Betriebskosten in zumindest dieser Höhe entrichtet hatte.
Der Rückabwicklungsvertrag wurde vom Erstgericht mit Beschluss vom 1. 6. 2006 pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Gegen diese Entscheidung erhob Rechtsanwalt Dr. Farhad Paya, der mit Schriftsatz vom 8. 6. 2006 seine Bevollmächtigung durch die Betroffene angezeigt und am 15. 12. 2006 die - undatierte - Vollmachtsurkunde im Original vorgelegt hatte, namens der Betroffenen Rekurs, der erfolgreich war: Das Rekursgericht hob den Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Im zweiten Rechtsgang verweigerte das Erstgericht mit Beschluss vom 29. 3. 2007 (unter anderem) die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung des Rückabwicklungsvertrages. Weiters wurde auch einem Kaufvertrag vom 22. 12. 2006/10. 1. 2007, mit dem der Sachwalter die laut Rückabwicklungsvertrag wieder der Betroffenen gehörende Liegenschaft sowie eine ebenfalls in deren Eigentum stehende, benachbarte Liegenschaft an Günther L***** verkauft hatte, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung verweigert.
Das daraufhin vom Sachwalter angerufene Rekursgericht änderte diese Entscheidung mit Beschluss vom 30. 3. (richtig 5.) 2007 dahin ab, dass es sowohl den Rückabwicklungsvertrag als auch den Kaufvertrag pflegschaftsgerichtlich genehmigte, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes hinsichtlich beider Entscheidungsteile den Betrag von EUR 20.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Der Sachwalter teilte mit Schriftsatz vom 13. 6. 2007 mit, dass er die Betroffene am Vortag aufgesucht und mit ihr die Rekursentscheidung besprochen habe. Die Betroffene habe erklärt, Dr. Farhad Paya nicht zu kennen und diesem keine Vollmacht erteilt zu haben. Aus Vorsichtsgründen habe sie jedenfalls eine Vollmachtskündigung ausgesprochen, die in Kopie vorgelegt werde. Der Sachwalter hatte zuvor bereits in einem Schriftsatz vom 20. 12. 2006 behauptet, die Betroffene sei auf Grund ihrer starken geistigen Einschränkung im Juni 2006 nicht mehr in der Lage gewesen, Rechtsanwalt Dr. Paya, der ausschließlich die Interessen ihres Sohnes vertrete und dessen Anwalt sei, rechtswirksam Vollmacht zu erteilen. Mit Schriftsatz vom 28. 6. 2007, mit dem gleichzeitig außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben wurde, nahm Rechtsanwalt Dr. Paya (der zuvor schon mehrmals eine Umbestellung des Sachwalters angeregt hatte) zu diesen Ausführungen des Sachwalters dahin Stellung, die Betroffene habe ihm (rechtswirksam) Vollmacht erteilt und wisse dies entgegen den Behauptungen des Sachwalters auch. Im Hinblick auf die vom Sachwalter vorgelegte Vollmachtsauflösung habe die Betroffene zur Dokumentation, dass sie weiterhin von Dr. Paya vertreten werden wolle, die Erklärung unterfertigt, dass sie das Vollmachtsverhältnis nicht aufgelöst habe. Diese Erklärung werde in Kopie vorgelegt.
Eine inhaltliche Behandlung des außerordentlichen Revisionsrekurses hat im Hinblick auf diese aktenkundigen Vorgänge und Umstände aus folgenden Erwägungen zu unterbleiben:
Rechtliche Beurteilung
Wann Dr. Paya von der Betroffenen (formell durch Unterfertigung der Vollmachtsurkunde) bevollmächtigt wurde, ist, da die Urkunde undatiert ist, nicht aktenkundig. Erfolgte die Bevollmächtigung erst zu einem Zeitpunkt, in dem der Betroffenen bereits ein Sachwalter (endgültig) bestellt war, hätte dieser, der ja „für alle Angelegenheiten" bestellt wurde, den Anwalt bevollmächtigen müssen; die Betroffene war dazu nicht mehr in der Lage (§ 273a Abs 1 ABGB idF vor dem Inkrafttreten des SWRÄG, nunmehr § 280 ABGB). Sie konnte ohne Mitwirkung des für sämtliche Bereiche bestellten Sachwalters eine Vollmacht weder erteilen noch widerrufen (vgl 10 Ob 63/05w; Gitschthaler ÖJZ 1985, 198). Sollte die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. Paya zur Einbringung der der Betroffenen zustehenden Anträge und Rechtsmittel allerdings noch vor oder im Stadium der Prüfung der Notwendigkeit eines Sachwalters erfolgt sein (eine einstweilige Sachwalterin war der Betroffenen mit Beschluss vom 11. 12. 2003 bestellt worden), hinge die Wirksamkeit dieser Bevollmächtigung nach ständiger Rechtsprechung davon ab, ob die Betroffene bei Vollmachtserteilung fähig war, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen; bei offenkundiger Unfähigkeit zu dieser Erkenntnis ist die Bevollmächtigung unwirksam (1 Ob 90/06a ua; Gamerith, NZ 1988, 61 [69] mwN).
Letztlich kann aber diese Frage dahingestellt bleiben: Selbst wenn von einer wirksamen Bevollmächtigung durch die dann handlungsunfähig gewordene Betroffene vor Bestellung des Sachwalters auszugehen wäre, war diese Vollmacht zwar auch nach Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses vom 15. 5. 2006 weiter wirksam (RIS-Justiz RS0019873), konnte aber von dem für alle Angelegenheiten bestellten Sachwalter jederzeit widerrufen werden (vgl 4 Ob 586/88, JBl 1989, 117 = RZ 1992, 263/87 ua). Dies ist mit Schriftsatz vom 13. 6. 2007 auch tatsächlich geschehen. Der Sachwalter hat zwar offenbar angenommen, dass ein solcher schriftlicher Widerruf von der Betroffenen selbst unterfertigt werden müsse; er hat aber unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, eine allenfalls doch wirksam zustandegekommene Bevollmächtigung - zum Wohle der Betroffenen (vgl Ganner in Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts 356) - jedenfalls (auch selbst) widerrufen zu wollen.
Ausgehend von diesem Widerruf fehlte dem Rechtsanwalt Dr. Farhad Paya, der von der Betroffenen auch nicht mehr (neuerlich) bevollmächtigt werden konnte, die Legitimation, einen außerordentlichen Revisionsrekurs für diese zu erheben. Das Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.
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