OGH 7Ob150/07w

OGH7Ob150/07w29.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Julian S*****, hier vertreten durch die Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsfürsorge für die Bezirke 14, 15 und 16, 1150 Wien, Gasgasse 8-10, über den Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. April 2007, GZ 45 R 23/07a-U54, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 31. Oktober 2006, GZ 15 P 28/06y-U43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird dahin Folge gegeben, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos aufgehoben werden.

Text

Begründung

Der Vater des minderjährigen Julian wurde mit einstweiliger Verfügung vom 17. 2. 2006 verpflichtet, dem Kind ab 2. 2. 2006 einen vorläufigen Unterhalt gemäß § 382a EO von monatlich EUR 105,40 zu zahlen. Im Hinblick auf diesen Unterhaltstitel gewährte das Erstgericht dem Minderjährigen auf dessen Antrag mit Beschluss vom 30. 3. 2006 - weil eine Exekutionsführung gegen den Vater aussichtslos sei - gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG einen monatlichen Unterhaltsvorschuss von EUR 105,40 für die Zeit von 1. 3. 2006 bis 28. 2. 2009.

In der Folge setzte das Erstgericht mit Beschluss vom 27. 6. 2006 den vom Vater ab 1. 1. 2005 endgültig zu leistenden monatlichen Unterhalt rechtskräftig mit EUR 176,-- fest und wies ein darüber hinausgehendes Mehrbegehren des Minderjährigen ab; weiters sprach es aus, dass die einstweilige Verfügung vom 17. 2. 2006 mit Rechtskraft des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses außer Kraft trete. Unter Hinweis darauf, dass mit dieser Entscheidung die bisherige Unterhaltsverpflichtung des Vaters erhöht worden sei, erhöhte das Erstgericht die mit Beschluss vom 30. 3. 2006 gewährten monatlichen Unterhaltsvorschüsse von EUR 105,40 von Amts wegen gemäß § 19 Abs 2 UVG ab 1. 3. 2006 auf monatlich EUR 176,-- und ersuchte den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien um Auszahlung der Vorschüsse.

Das vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 3 Ob 147/00i in einem gleichgelagerten Fall eine Unterhaltsvorschussgewährung nach §§ 3 Z 2, 4 Z 1 UVG unter Ablehnung der gegenteiligen Rechtsauffassung Neumayrs (in Schwimann, ABGB2 I Rz 21 zu § 19 UVG) erkannt, dass eine Entscheidung, durch welche ein vorläufiger Unterhalt nach § 382a EO durch einen „endgültigen" ersetzt werde, als Erhöhung des Unterhaltsbeitrags nach § 19 Abs 2 UVG aufgefasst werden könne. Entscheidend für die Erhöhung von Unterhaltsansprüchen sei die Änderung einer in einem Exekutionstitel ausgesprochenen Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, und zwar unabhängig von der Frage einer allfälligen Änderung des materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruches. Die materiell-rechtliche Grundlage des Unterhaltsanspruches sei - ungeachtet der verfahrensrechtlichen Voraussetzung für die Festsetzung desselben - stets in § 140 ABGB zu erblicken. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, in welcher Form die Erhöhung des nach dem maßgeblichen Exekutionstitel geschuldeten Unterhaltsbetrages zustandekomme. Der Oberste Gerichtshof habe mit dieser Argumentation in einem solchen Fall zumindest eine analoge Anwendung des § 19 Abs 2 UVG bejaht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob eine auf § 382a EO iVm §§ 3, 4 Z 1 UVG gegründete Vorschussgewährung im Fall der Festsetzung eines höheren endgültigen Unterhaltsbeitrages einer Erhöhung gemäß § 19 Abs 2 UVG zugänglich sei, keine gesicherte Rechtsprechung bestehe. Gegen diese Entscheidung richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Erhöhungsbeschluss des Erstgerichtes ersatzlos behoben werde.

Der Jugendwohlfahrtsträger hat namens des Minderjährigen eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet und darin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber vertritt weiterhin die Auffassung, bei einer endgültigen (höheren) Unterhaltsfestsetzung nach Gewährung eines vorläufigen Unterhalts gemäß § 382a EO liege ein wesentlicher Unterschied zu einer „gewöhnlichen bloßen Unterhaltserhöhung" darin, dass gemäß § 399a Abs 2 Z 2 EO eine einstweilige Verfügung nach § 382a EO nach Beendigung des Unterhaltsverfahrens zwingend aufzuheben sei und damit die vorläufige Unterhaltsregelung außer Kraft trete. Dass durch die endgültige Unterhaltsfestsetzung gleichsam gleichzeitig ein neuer wirksamer Exekutionstitel entstehe, ändere nichts daran, dass der Vortitel (die einstweilige Verfügung) grundsätzlich unwirksam geworden sei. Damit falle die frühere Bewilligungsvoraussetzung weg und bestehe kein Anlass zu einer Vorschusserhöhung, sondern vielmehr zu einer amtswegigen Einstellung der auf der Basis der einstweiligen Verfügung gewährten Unterhaltsvorschüsse.

Dieser Rechtsmeinung ist zuzustimmen, wie der Oberste Gerichtshof schon in der jüngst ergangenen Entscheidung 2 Ob 113/07t unter ausdrücklicher Ablehnung der in 3 Ob 147/00i vertretenen Ansicht im Anschluss an Neumayr in Schwimann, ABGB3 I, § 4 UVG Rz 108 und § 19 UVG Rz 29 ausgeführt hat. Wie Neumayr aaO zutreffend bemerkt, ist zu bedenken, dass die Grundlage einer - wie hier - auf § 382a EO basierenden Gewährung eines (echten) Titelvorschusses nach §§ 3, 4 Z 1 UVG eine einstweilige Verfügung ist, die in einem vereinfachten und beschleunigten Verfahren mit - zunächst - beschränktem rechtlichen Gehör des Gegners ergangen ist. Der damit zuerkannte Unterhalt ist aus diesem Grund auch betragsmäßig beschränkt. Unabhängig davon, ob nun aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO ein „unechter" Titelvorschuss nach § 4 Z 5 UVG (vgl 4 Ob 19/99, 263, ÖA 1999, 263) oder ein „echter" Titelvorschuss nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt wird, ist der „vorläufige Unterhalt" kein Vorgriff auf den „erst festzusetzenden Unterhalt", der eine nachträgliche „Anpassung" des auf einem Titel nach § 382a EO beruhenden Vorschusses an den endgültigen Unterhalt entsprechend § 19 Abs 2 UVG rechtfertigen könnte. Vielmehr kann erst dann, wenn der (endgültige) Unterhalt festgesetzt ist, erstmals auf dessen Basis ein Titelvorschuss beantragt werden.

Mangels einer diesbezüglichen planwidrigen Unvollständigkeit („Gesetzeslücke") des UVG ist dessen § 19 Abs 2 entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes auch nicht analog anzuwenden. Da in einem Fall wie hier keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs" vorliegt (2 Ob 113/07t; Neumayr aaO § 19 UVG Rz 23), kommt also eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht.

In Stattgebung des Revisionsrekurses ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

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