OGH 3Ob147/00i

OGH3Ob147/00i23.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Jasmin L*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als Unterhaltssachwalter, über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 31. März 2000, GZ 21 R 100/00f-35, womit infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz der Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom 17. Februar 2000, GZ 4 P 144/99f-31, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird dahin Folge gegeben, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Das Kind hatte durch seinen Unterhaltssachwalter beantragt, den unehelichen Vater (erstmals) ab 1. 9. 1999 zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von S 2.625 zu verpflichten, und zugleich den Antrag gestellt, ihm vorläufige Unterhaltsbeträge nach § 382a EO in der Höhe von monatlich S 1.425 zu gewähren.

Mit Beschluss vom 27. 9. 1999 verpflichtete das Erstgericht den Vater zur Zahlung eines vorläufigen monatlichen Unterhalts von S 1.425 ab 24. 9. 1999.

Über Antrag der Minderjährigen bewilligte das Erstgericht mit Beschluss vom 29. 11. 1999 (ON 24) antragsgemäß Unterhaltsvorschüsse nach den §§ 3, 4 Z 1 UVG in der Höhe von S 1.425 monatlich für die Zeit vom 1. 11. 1999 bis zum 31. 10. 2000 auf Grund ihrer Behauptung, eine Exekutionsführung erscheine aussichtslos, weil weder ein Dienstgeber noch ein verwertbares Vermögen des Unterhaltsschuldners bekannt wären.

Mit Beschluss vom 27. 1. 2000 (ON 29) verpflichtete das Erstgericht den Vater zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.625 ab 1. 9. 1999. Aus dieser auch zwei weitere Kinder betreffenden Entscheidung ergibt sich, dass es sich um die erstmalige Festsetzung eines (endgültigen) Unterhaltes für die Minderjährige handelte. Der Beschluss wurde unangefochten rechtskräftig. Mit Beschluss vom 17. 2. 2000 (ON 31) erhöhte das Erstgericht von Amts wegen die gewährten Unterhaltsvorschüsse ab 1. 11. 1999 auf S 2.625 und ersuchte den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz um die Auszahlung.

Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluss Folge und hob die erstinstanzliche Entscheidung ersatzlos auf. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

Nach den Entscheidungen des Landesgerichtes für ZRS Wien EFSlg 63.684 und 75.784 sowie 21 R 72/99t und 21 R 391/99w des Rekursgerichtes komme eine Anpassung der gewährten Unterhaltsbeiträge nach dem Wortlaut des § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht, wenn der ursprüngliche Titel, nämlich die einstweilige Verfügung, nicht erhöht, sondern durch einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss ersetzt werde. Zwischen der Gewährung von "unechten" Titelvorschüssen nach § 4 Z 5 UVG und "echten" Titelvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG fehle es an der erforderlichen Identität des Vorschussgrundes (EFSlg 78.860). Der im vorliegenden Fall zwar auf die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gerichtete Antrag sei ausdrücklich auf die einstweilige Verfügung vom 27. 9. 1999 gestützt worden, weshalb als Unterhaltstitel nur derjenige nach § 382a EO gegeben gewesen sei. Damit liege der Fall aber nicht anders als in jenen Fällen, in denen "unechte" Titelvorschüsse nach § 4 Z 5 UVG einem Vorschussantrag zugrunde gelegen seien. Damit habe sich das Höchstgericht zu 4 Ob 137/99x eingehend beschäftigt. Die wesentlichen (in der Rekursentscheidung wörtlich zitierten) Argumente dieser Entscheidung seien auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Wenngleich die Vorschüsse auf der Grundlage des § 4 Z 1 UVG gewährt worden seien, handle es sich dennoch um "unechte" Titelvorschüsse auf Grund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO. Auch hier gelte, dass mit der endgültigen Unterhaltsfestsetzung der Titel für die Vorschussgewährung beseitigt werde (EFSlg 63.684, 75.784 ua). Daher komme eine amtswegige Erhöhung der Vorschüsse nicht in Betracht.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der analogen Anwendbarkeit des § 19 Abs 2 UVG auf Fälle, in denen der Vorschussgewährung zwar eine einstweilige Verfügung nach § 382a EO zugrunde lag, aber Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG zur Gewährung gelangten, nicht vorhanden sei und dahingehenden Ausführungen des Höchstgerichtes eine grundsätzliche rechtserhebliche Bedeutung beigemessen werden müsse.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, den Beschluss des Erstgerichtes wiederherzustellen, ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In dem mit dem Bundesgesetz über den vorläufigen Unterhalt für Minderjährige (BGBl 1987/645) eingeführten § 382a Abs 1 EO wird der in einem vereinfachten Verfahren einem minderjährigen Kind unter bestimmten Voraussetzungen zu bewilligende Unterhalt als "vorläufig" bezeichnet. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle kann ein solcher höchstens bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz bewilligt werden. Damit unterscheidet sich ein derartiger Unterhalt vom einstweiligen Unterhalt nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO, der eine solche Obergrenze nicht kennt. Eine zeitliche Begrenzung des vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO wird im Gesetz nicht angeordnet. Vielmehr ist nach § 399a Abs 2 Z 2 EO eine einstweilige Verfügung nach dieser Gesetzesstelle aufzuheben, wenn das Unterhaltsverfahren beendet ist, und zwar ab Verwirklichung des Aufhebungsgrundes, der im Beschluss festzustellen ist (Abs 3). Daraus folgt, dass sich aus dem Gesetz nicht ableiten lässt, dass mit der endgültigen Unterhaltsfestsetzung der Titel für die Vorschussgewährung beseitigt würde, wie das Rekursgericht in Übereinstimmung mit Neumayr (in Schwimann, ABGB2 I Rz 21 zu § 19 UVG) meint. In der als Beleg sowohl vom Rekursgericht als auch von Neumayr angeführten Entscheidung des LGZ Wien EFSlg 63.684 ist davon die Rede, dass im zugrundeliegenden Fall mit der endgültigen Unterhaltsfestsetzung ausgesprochen worden sei, dass dieser Unterhalt anstelle der einstweiligen Verfügung auferlegt worden sei. Damit könnte diese Entscheidung auch als Beschluss nach § 399a Abs 2 Z 2 EO gedeutet werden. Dass die (endgültige) Unterhaltsfestsetzung an sich bereits die einstweilige Verfügung nach § 382a EO beseitigen würde, ergibt sich aus den veröffentlichten Passagen dieser Entscheidung jedoch nicht. Nichts anderes gilt für die Entscheidung desselben Gerichtes EFSlg 75.784. Im veröffentlichten Leitsatz ist nur die Rede davon, dass es keine Möglichkeit gebe, einen nach § 4 Z 5 UVG gewährten Vorschuss rückwirkend auf die Höhe des endgültig geschaffenen Unterhaltstitels zu erhöhen. Auch in EFSlg 60.579, worauf von den Herausgebern der Entscheidungssammlung zu EFSlg 75.784 verwiesen wird, ist lediglich die Rede davon, dass eine rückwirkende Erhöhung der zunächst nach § 4 Z 5 UVG gewährten Vorschüsse nach Schaffung eines endgültigen Titels im Sinne des § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht kommen könne, weil es sich um einen anderen Vorschussgrund handle. Gemeinsam ist diesen drei Entscheidungen und den zitierten Ausführungen von Neumayr, dass sie sich auf ursprünglich nach § 4 Z 5 UVG gewährte Vorschüsse beziehen, was im vorliegenden Verfahren gerade nicht der Fall war. (Nicht weiter einzugehen ist auf die Überlegungen in EFSlg 63.684, wonach Vorschüsse nach § 4 Z 5 UVG vorlägen, obwohl diese nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt worden seien, weil "faktisch nur Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 5 UVG möglich gewesen wären". Davon kann hier nicht die Rede sein, wurden doch die Voraussetzungen des § 4 Z 1 UVG vom Erstgericht offensichtlich als gegeben angenommen.)

Bei einstweiligen Verfügungen nach § 382a EO handelt es sich zweifellos um Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO (ebenso bereits LGZ Wien EFSlg 66.583; Strauß, ÖA 1988, 7; Neumayr in Schwimann, ABGB2 I Rz 90 zu § 4 UVG). Demnach ist auch Neumayr darin zuzustimmen, dass bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen das Kind auf Grund einer solchen einstweiligen Verfügung die Vorschüsse auch nach § 3 Z 2, § 4 Z 1 UVG (wie im vorliegenden Fall) beantragen kann. Dies bringt ihm insofern einen (zeitlichen) Vorteil, als in diesem Fall Vorschüsse bereits vor der von § 4 Z 5 UVG geforderten Monatsfrist ab Zustellung der einstweiligen Verfügung erreicht werden könnten.

Nach § 19 Abs 2 UVG hat das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag die Vorschüsse bis zum Ende des im zuletzt gefassten Beschluss über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums zu erhöhen, wenn der Unterhaltsbeitrag erhöht wird. Analoges gilt (abgesehen vom dort angeführten Fall des § 7 Abs 1 UVG) nach § 19 Abs 1 UVG im Fall der Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages. Zu Abs 2 dieser Bestimmung hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass damit der Gesetzgeber den Gleichlauf zwischen Unterhaltsvorschuss und Unterhaltstitel herstellen wollte, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird (zuletzt 4 Ob 137/99x = ÖA 1999, 263 mN). Wie sich aus der Formulierung des § 19 UVG ergibt, kommt es für die Erhöhung von Unterhaltsvorschüssen nicht darauf an, ob sich materiellrechtlich der Unterhaltsanspruch (wegen Änderung der Verhältnisse) ändert, vielmehr kann nur gemeint sein, dass das im Hinblick auf die in einem Exekutionstitel ausgesprochene Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen der Fall ist. Der erkennende Senat schließt sich allerdings nicht der eher formalistischen Auffassung des LGZ Wien (in EFSlg 63.684) und Neumayrs (in Schwimann, ABGB2 I Rz 21 zu § 19 UVG) an, wonach eine Entscheidung, durch welche ein vorläufiger Unterhalt nach § 382a EO durch einen "endgültigen" ersetzt wird, nicht als Erhöhung des Unterhaltsbeitrages nach § 19 Abs 2 UVG aufgefasst werden könne. Materiellrechtliche Grundlage für den Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes ist ungeachtet der verfahrensrechtlichen Voraussetzung für eine Festsetzung desselben stets § 166 iVm § 140 ABGB. Für die (zumindest analoge) Anwendbarkeit des § 19 Abs 2 ABGB kann es in Wahrheit nicht darauf ankommen, in welcher Form es zu einer Erhöhung des nach dem maßgeblichen Exekutionstitel geschuldeten Unterhaltsbetrages kommt. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach § 382a EO der zuzuerkennende Unterhalt mit der Familienbeihilfe nach dem FLAG nach oben hin absolut begrenzt ist, weil auch das an der Rechtsnatur des Unterhaltsanspruches nicht zu ändern vermag.

Einer Auseinandersetzung mit der Entscheidung ÖA 1996, 203 = EFSlg

78.860 bedarf es hier nicht, weil anders als in dem ihr zugrundeliegenden Fall im vorliegenden eben gerade die für erforderlich erachtete Identität des Vorschussgrundes (nämlich des § 4 Z 1 UVG) vorliegt.

Wenn man allerdings § 19 Abs 2 UVG nicht als direkt anwendbar sehen würde, weil es nicht zu einer ausdrücklichen "Erhöhung" des bislang nur vorläufig festgesetzten Unterhaltes gekommen ist, wäre jedenfalls eine Analogie zu dieser Bestimmung angezeigt. Die analoge Anwendung einer Gesetzesbestimmung setzt voraus, dass eine planwidrige und daher ungewollte Gesetzeslücke besteht. Das ist dann der Fall, wenn Wertungen und Zweck der konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen. Das Gesetz müsste also, gemessen an seiner eigenen Absicht und Teleologie, ergänzungsbedürftig sein, ohne dass diese Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspräche (stRsp ua EvBl 1999/78 mwN; ÖA 1999, 263). Dass dies der Fall wäre, könnte § 19 Abs 2 UVG auf Fälle wie den vorliegenden nicht unmittelbar angewendet werden, ergibt sich daraus, dass dann eben der Gleichlauf von Titel und Vorschuss nicht hergestellt würde.

Geht man also richtigerweise davon aus, dass auch die erstmalige Festsetzung des Unterhalts nach § 140 ABGB im außerstreitigen Verfahren während laufender Gewährung von vorläufigen Unterhaltsbeiträgen nach § 382a EO eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages iSd (zumindest analog anzuwendenden) § 19 Abs 2 UVG bedeutet, dann erfordert es der dargelegte Zweck eines Gleichlaufes zwischen Vorschuss und Titel, auch eine rückwirkende Erhöhung der Vorschüsse zu billigen, in gleicher Weise wie dies bei einer Erhöhung der bereits einmal im außerstreitigen Verfahren festgesetzten Unterhaltsbeiträge nach § 19 Abs 2 UVG zu geschehen hat. Anders als im Fall der Entscheidung ÖA 1999, 263 ist eben hier bereits auf Grund der vorläufigen Unterhaltsfestsetzung ein Titelvorschuss gewährt worden, auch eine Prüfung der Voraussetzungen der Vorschussgewährung nach § 3 und § 4 Z 1 UVG hat - anders als bei Vorschüssen, die ursprünglich nach § 4 Z 5 UVG gewährt wurden - bereits stattgefunden. Dass das Kind, welches einen vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO erlangt hat, auch im Unterhaltsvorschussrecht gegenüber anderen bevorzugt ist, bei denen dies nicht der Fall war, läuft weder den Zwecken des § 382a EO noch denen des UVG zuwider. Auch wenn man mit der Entscheidung ÖA 1999, 263 den vorläufigen Unterhalt nicht als "Vorgriff" auf den im Außerstreitverfahren festgesetzten ansehen will, bleibt es doch dabei, dass beiden Titeln derselbe materielle Anspruch zugrundeliegt, weshalb eine Anpassung jedenfalls eines Titelvorschusses nach § 4 Z 1 UVG gerechtfertigt erscheint.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der Beschluss des Erstgerichtes wiederherzustellen.

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