OGH 7Ob12/24a

OGH7Ob12/24a6.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S*, gegen die beklagte Partei W* AG *, wegen Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 23. November 2023, GZ 3 R 264/23f-17, womit aus Anlass des Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 6. September 2023, GZ 3 C 129/23m-11, sowie das diesem vorausgegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00012.24A.0306.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Über das Vermögen des Klägers wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 11. 12. 2018 zu 16 S 62/18y das nach wie vor anhängige Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Dem Kläger wurde die Eigenverwaltung entzogen und mit Beschluss vom 2. 5. 2019 Dr. G*, Rechtsanwalt in Feldkirch, zum Insolvenzverwalter bestellt.

[2] Der Insolvenzverwalter des Klägers führte einen Schadenersatzprozess gegen den Nachbarn des Klägers, weil der Kläger vor dessen Haus gestürzt war und sich dabei verletzt hatte. Mit Beschluss vom 27. 4. 2021 wurde dem dortigen Kläger in dem Schadenersatzprozess Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 13 ZPO mit Ausnahme der Fahrtkosten bewilligt. Das Landesgericht Feldkirch erkannte zu 29 Cg 62/21f am 22. 10. 2022 – mittlerweile rechtskräftig – den dort Beklagten für schuldig, dem dortigen Kläger 4.025 EUR sA zu bezahlen und näher bestimmte Barauslagen zu ersetzen und stellte weiters fest, dass der dort Beklagte zu 50 % für alle zukünftig zu erwartenden Schäden aus dem Vorfall vom 5. 6. 2016 hafte. Das Mehrbegehren auf Haftung für weitere 50 % der Schäden wies es ab. Die Prozesskosten erklärte das Landesgericht Feldkirch als gegenseitig aufgehoben und stellte die Haftung des Beklagten gemäß § 70 ZPO für jene Barauslagen fest, von deren Entrichtung der Kläger gemäß § 64 Abs 1 Z 1 ZPO einstweilen befreit wurde.

[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten aus seinem Rechtsschutzversicherungsvertrag die Deckung für dieses Verfahren.

[4] Das Erstgericht wies diese Klage mit Beschluss vom 17. 5. 2023 wegen aufrechter Entziehung der Eigenverwaltung zurück. Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht Folge und trug dem Erstgericht die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens für eine mögliche Sanierung durch Genehmigung des Insolvenzverwalters auf. Nach Durchführung des Verbesserungsverfahrens wies das Erstgericht die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück, weil die Beklagte ihren Sitz in Wien habe.

[5] Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses des Klägers den angefochtenen Beschluss sowie das diesem vorausgegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.

[6] Die Klage auf Feststellung der Versicherungsdeckung betreffe die Insolvenzmasse, weil sie letztlich darauf gerichtet sei, den Schuldner im Weg der Versicherungsdeckung von Verbindlichkeiten aus Prozesskosten zu befreien. Damit habe sie unmittelbare Wirkungen auf den Stand der Insolvenzmasse. Der Kläger sei daher gemäß § 3 Abs 1 IO nicht legitimiert, die vorliegende Klage zu erheben. Da der Kläger – trotz des Verbesserungsverfahrens – nach wie vor für sich in Anspruch nehme, ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters handeln zu können, bedürfe es auch keines Sanierungsverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

[7] Gegen diesen Beschluss richtet sich der (richtig) Rekurs des Klägers.

[8] 1. Der Rekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts – zulässig. Die Nichtigerklärung des Beschlusses sowie des bisherigen Verfahrens und die Zurückweisung der Klage durch das Rekursgericht ist auch dann, wenn – wie hier – schon das Erstgericht die Klage zurückgewiesen hat, jedoch aus einem anderen Grund als das Rekursgericht, wie ein gleichartiger berufungsgerichtlicher Beschluss (analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO; RS0043774) anfechtbar (RS0044223 [T1, T4, T5]). Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

[9] 2. Der Kläger als emeritierter Rechtsanwalt ist in eigenen Angelegenheiten von der hier ansonsten bestehenden Anwaltspflicht befreit (RS0119575).

[10] 3. Der Schuldner kann gemäß § 6 Abs 3 IO nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche führen, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen. Im Fall von Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, daher nur, sofern der Streitgegenstand weder einen Aktivbestandteil noch einen Passivbestandteil der (Sollmasse) Konkursmasse bildet. Letzteres ist aber nur zu bejahen, wenn dem Klagebegehren stattgebende Entscheidungen im Prozess auf den Stand der Sollmasse unmittelbar keinen Einfluss nehmen (RS0064115). Der hier vom Kläger geltend gemachte Deckungsanspruch gegen seine Rechtsschutzversicherung betrifft Prozesskosten aus einem nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter geführten Prozess und fällt damit keinesfalls unter § 6 Abs 3 IO.

[11] 4. Dem Rekurs war damit nicht Folge zu geben.

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