OGH 7Ob120/01z

OGH7Ob120/01z23.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Sandra T**********, vertreten durch Dr. Norbert Bergmüller, Rechtsanwalt in Schladming, wider die beklagte Partei Johann P*****, vertreten durch Dr. Franz J. Rainer und Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwälte in Schladming, wegen S 109.307,13 sA und Feststellung (Feststellungsstreitwert S 13.333,33), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 14. Februar 2001, GZ 1 R 7/01y-48, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Schladming vom 30. Oktober 2000, GZ 1 C 804/99b-39, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 15. 9. 1999 nach 17 Uhr des Unfalltages fiel ein seit Jahren locker auf der Mauerkrone der Stützmauer des Anwesens des Beklagten liegender Stein aus nicht mehr aufklärbarer Ursache auf die daran vorbeiführende Gemeindestraße, wo er 20 cm vom Asphaltrand entfernt auf der Fahrbahn liegen blieb. Gegen 18 Uhr stieß die damals 16jährige Klägerin, die mit 25 bis 30 km/h mit ihrem Fahrrad auf das Hindernis zugefahren war, ohne nach vorne auf den Asphaltbelag zu blicken, gegen den Stein und stürzte. Für einen aufmerksamen Radfahrer wäre das Hindernis aus einer Entfernung von mehr als 40 m sichtbar gewesen. Die Klägerin hat daher um 4,2 Sekunden verspätet reagiert.

Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend von einer Schadensteilung 3 :

1 zu Lasten der Klägerin aus, deren Mitverschulden - im Sinne einer Nachlässigkeit im Umgang mit eigenen Gütern - deutlich überwiege und auch nicht milder zu beurteilen sei, weil von einer mündigen minderjährigen Radfahrerin in der Regel ein verkehrsgerechtes Verhalten erwartet werden könne. Während das Erstgericht die Haftung des Beklagten auf § 1319 ABGB stützte, äußerte das Berufungsgericht Bedenken gegen die Qualifikation der 67 cm hohen, aus Granitsteinen auf dem Grund des Beklagten gebauten Stützmauer als Werk; den Beklagten treffe jedoch schon nach allgemeinen Verkehrssicherungspflichten eine Haftung, die sich von jener nach § 1319 ABGB nur in der Beweislast unterscheide. Hier habe die Klägerin aber ohnehin bewiesen, dass sich der Granitstein von der auf dem Anwesen des Beklagten unmittelbar an die Gemeindestraße angrenzend errichteten Mauer gelöst hatte und es sei ihr auch der Beweis über die fehlerhafte Beschaffenheit des Bauwerks und das jahrelange Wissen des Beklagten um diesen Fehler gelungen.

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Rechtliche Beurteilung

Da die Klägerin anerkennt, dass sie sich dem Grunde nach ein Mitverschulden anrechnen lassen muss, welches sie der Höhe nach allerdings mit einem Drittel begrenzt wissen will, ist Gegenstand der revisionsgerichtlichen Betrachtung ausschließlich die Ausmessung der jeweiligen (Mit-)Verschuldensquote. Die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der richtig dargestellten Grundsätze, ohne dass ein wesentlicher Verstoß gegen maßgebliche Abgrenzungskriterien vorliegt, und das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten können wegen ihrer Einzelfallbezogenheit jedoch regelmäßig nicht als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden (Kodek in Rechberger Rz 3 Abs 3 zu § 502 ZPO; RIS-Justiz RS0087606; RS0042405). Einen gravierenden Verstoß gegen diese Grundsätze vermag die Revisionswerberin aber nicht aufzuzeigen:

Nachweise für den angeblichen Grundsatz, dass das Verschulden einer zum Unfallszeitpunkt noch Minderjährigen (16jährigen) "entsprechend milder" zu beurteilen sei, werden in der Revision nicht einmal angeboten, und die Behauptung, es könne "in rechtlicher Hinsicht" nicht von der Reaktionsverspätung der Klägerin von 4,2 Sekunden ausgegangen werden, ist von den Feststellungen nicht gedeckt.

Soweit die Klägerin aber - wie auch das Berufungsgericht - eine erhebliche Rechtsfrage darin erblickt, ob nicht die Haftung des Beklagten sich auch aus § 1319 ABGB ergebe, wird Folgendes übersehen:

Dieser Frage kommt für die Entscheidung keine Bedeutung zu, weil die Haftung des Beklagten schon nach allgemeinen Verkehrssicherungspflichten bejaht wurde; ob er zusätzlich nach § 1319 ABGB haftet ist unbeachtlich, weil auch die Annahme einer Haftung des Beklagten nach § 1319 ABGB nicht zu einer für die Klägerin günstigeren Verschuldensteilung führte (vgl 2 Ob 129/99f).

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt demnach nicht vor. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes, wonach die ordentliche Revision deshalb für zulässig zu erklären gewesen sei, weil die Auslegung des § 1319 ABGB und der Umfang von allgemeinen Verkehrssicherungspflichten "bei einer Stützmauer, auf deren Mauerkrone ein 5 kg schwerer Stein liegt, auch anders beurteilt werden könnten", ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Worin hier tatsächlich die "erhebliche" Rechtsfrage liegen sollte wird mit der zitierten Formulierung auch gar nicht aufgezeigt. Solche Besonderheiten der Fallgestaltung schließen vielmehr eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur sogar eher aus (RIS-Justiz RS0102181; RS0110702; zuletzt: 7 Ob 37/01v).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.

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