European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00110.16A.0831.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 2.330,80 EUR (darin enthalten 388,86 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Zwischen dem Erstkläger und der Beklagten besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, aus dem die Zweitklägerin mitversichert ist. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2005) der Beklagten zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
„ Art 7
Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen (...)
1.11 Im Zusammenhang mit
– der Errichtung bzw baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken, die sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befinden oder von ihm erworben werden;
– der Planung derartiger Maßnahmen und
– der Finanzierung des Bauvorhabens einschließlich des Grundstückserwerbs.
Dieser Ausschluss gilt nicht für die Geltendmachung von Personenschäden sowie im Straf‑Rechtsschutz.“
Zur Finanzierung ihres Einfamilienhauses schlossen die Kläger bei einer Kreditgeberin einen endfälligen Fremdwährungskreditvertrag im Gegenwert von 160.000 EUR in Schweizer Franken ab. Die Kreditvaluta wurde auch zur Errichtung des Einfamilienhauses der Kläger verwendet. Im Sommer des Jahres 2011 stellte sich heraus, dass der Euro‑Franken-Kurs auf 1:1 gestiegen war, wodurch die Kreditbelastung der Kläger auf 240.000 EUR angewachsen war. Im Herbst 2011 legte die Schweizer Nationalbank den Kurs mit 1:1,2 fest, was für die Kläger eine wesentliche Verminderung ihrer bisherigen Verluste bedeutete.
Die Kläger wollten deshalb aus dem endfälligen Fremdwährungskredit aussteigen und diesen in einen Ratenkredit in Euro konvertieren, weshalb sie sich an die Kreditgeberin wandten. Deren Kundenberater empfahl den Klägern angesichts der bereits angefallenen Verluste den Fremdwährungskredit fortzusetzen und eine Stop‑Loss‑Order zu setzen, die bei einer Aufhebung des festen Wechselkurses wirksam werden sollte. Die Kläger setzten – dessen Rat folgend – eine Stop‑Loss‑Order, die bei einem Kurs von 1,1835 schlagend werden sollte, wofür sie 50 EUR bezahlten.
Im Jänner 2015 gab die Schweizer Nationalbank den Wechselkurs wieder frei, was zur Folge hatte, dass der Wechselkurs des Schweizer Franken im Vergleich zum Euro rapide anstieg, wodurch der Kredit der Kläger durch die Stop‑Loss‑Order letztlich zum Kurs von 1:1 konvertiert wurde. Die Kläger beabsichtigen nunmehr gegen die Kreditgeberin wegen einer fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss der Stop‑Loss‑Order vorzugehen. Die Beklagte lehnt die Rechtsschutzdeckung ab.
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Beklagte ihnen aufgrund und im Umfang des zwischen den Streitteilen geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrags für die klageweise Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit der am 5. 10. 2011 bei der Kreditgeberin gezeichneten Stop‑Loss‑Order betreffend den Kreditvertrag der Kläger vom 31. 12. 2004 über 160.000 EUR Deckung zu gewähren habe. In eventu begehrten sie die Feststellung, dass die Beklagte für den Schaden hafte, welcher den Klägern aus der Ablehnung der Deckung für die klageweise Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der am 5. 10. 2011 gezeichneten Stop‑Loss‑Order betreffend den Kreditvertrag der Kläger vom 31. 12. 2004 über 160.000 EUR entsteht.
Die Kreditgeberin verantworte einen Beratungsfehler, weil die Stop‑Loss‑Order später um 20 % unter dem vereinbarten Kurs ausgelöst worden und das Setzen einer Stop‑Loss‑Order in völlig illiquiden Märkten unwirksam sei und zudem als „Brandbeschleuniger“ wirke. Durch diese Fehlberatung hätten sich die Kreditverbindlichkeiten der Kläger um rund 20 % erhöht. Die Kreditgeberin hätte den Klägern keine Stop‑Loss‑Order vermitteln dürfen, sondern den Kreditvertrag in Euro konvertieren müssen.
Die Kläger beabsichtigen gegen die Kreditgeberin rechtlich vorzugehen, doch habe die Beklagte die Rechtsschutzdeckung unter Berufung auf die Bauherrenklausel abgelehnt. Tatsächlich stehe die Stop‑Loss‑Order in keinem inneren, sachlichen Zusammenhang mit der Baufinanzierung und es habe sich kein der Baufinanzierung innewohnendes Risiko verwirklicht. Die Stop‑Loss‑Order sei sieben Jahre nach der Finanzierung des Eigenheims abgeschlossen worden, weshalb auch der zeitliche Konnex fehle. Sie habe nicht der Finanzierung des Eigenheims gedient, zumal das Grundstück längst bebaut gewesen sei.
Die Beklagte bestreitet das Vorbringen. Aufgrund der Bauherrenklausel in den ARB 2005 bestünde keine Rechtsschutzdeckung. Die Errichtung des Hauses sei conditio sine qua non der Stop‑Loss‑Order gewesen. Die Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Abschluss der Stop‑Loss‑Order seien vom Adäquanzzusammenhang der Finanzierung des Bauvorhabens umfasst. Die Kläger würden letztlich Ansprüche aus einer fehlerhaften Beratung bei der Wahl und konkreten Ausgestaltung der Finanzierung ihres Bauvorhabens geltend machen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Beim Beratungsfehler im Zusammenhang mit der Stop‑Loss‑Order handle es sich um eine typische Folge der Finanzierung der Errichtung des Einfamilienhauses der Kläger. Sie sei kein selbstständiges Rechtsgeschäft, sondern stelle eine Verfügung über den ursprünglichen Fremdwährungskredit dar, der von den Klägern zur Finanzierung der Errichtung des Einfamilienhauses aufgenommen worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die von den Klägern beabsichtigte Rechtsverfolgung sei typisch für die bei der Finanzierung von Bauvorhaben auftretenden Probleme, nämlich eine Schlechtberatung bei der Wahl und konkreten Gestaltung der Finanzierung. Das von den Klägern mit der Kreditgeberin betreffend den zur Finanzierung der Errichtung ihres Einfamilienhauses aufgenommenen Fremdwährungskredit abgeschlossene Geschäft – Setzen einer Stop‑Loss‑Order statt Konvertierung des Schweizer Frankenkredits in Euro – stehe zweifellos nicht nur in kausalem, sondern auch in adäquatem Zusammenhang mit dieser Finanzierung. Der Umstand, dass die Stop‑Loss‑Order erst Jahre nach der Kreditaufnahme vereinbart worden sei, ändere an der Adäquanz nichts. Die jahrelange Laufzeit einer solchen Finanzierung sei nämlich ebenso typisch wie der Umstand, dass lange nach der Kreditaufnahme Zusatzvereinbarungen geschlossen würden, die diese (um‑)gestalten. Dass die Kläger das mit dem Kredit errichtete Haus inzwischen längst verkauft und ein neues errichtet hätten, sei für die Entscheidung bedeutungslos.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Kläger mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914, 915 ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers (RIS‑Justiz RS0050063) und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks der Bestimmung (RIS‑Justiz RS0050063 [T6, T71]; RS0112256 [T10]). Es findet deshalb auch die Unklarheitenregelung des § 915 ABGB Anwendung. Unklarheiten gehen daher zu Lasten der Partei, von der die Formulierungen stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RIS‑Justiz RS0050063 [T3]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS‑Justiz RS0008901).
2. Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen (RIS‑Justiz RS0107031).
3. Nach Art 7.1.11 ARB 2005 besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit der Finanzierung der dort angeführten Bauvorhaben einschließlich des Grundstückserwerbs.
3.1 Zur vergleichbaren Bestimmung des Art 7.1.11 ARB 2000 führte der Oberste Gerichtshof in 7 Ob 130/10h bereits aus, dass zur Finanzierung genehmigungspflichtiger Bauvorhaben regelmäßig Vereinbarungen mit dem Zweck, Fremdmittel für solche meist kostenintensiver Maßnahmen zu erhalten, geschlossen werden. Wirtschaftlicher Zweck des zu beurteilenden Risikoausschlusses ist daher erkennbar, die Rechtsschutzdeckung nicht nur für erfahrungsgemäß aufwändige und deshalb teure Bau‑(mängel‑)prozesse auszunehmen, sondern auch Streitigkeiten, die – wegen der häufigen Notwendigkeit, große Beträge fremd zu finanzieren – hohe Streitwerte zum Gegenstand haben und zwischen den Parteien der Finanzierungsvereinbarung auftreten, in der Regel also Streitfragen aus den geschlossenen Kreditverträgen zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer. Grund dafür ist, dass nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungs-nehmer ein solches Risiko entstehen kann (BGH VersR 2004, 1596; VersR 2005, 682 zur insoweit vergleichbaren Regelung des § 3 Abs 1d aa bis dd dARB 94).
3.2 Selbstverständlich ist, dass nicht jeder auch noch so ferne Zusammenhang mit der Finanzierung ausreicht, sondern zumindest ein ursächlicher Zusammenhang im Sinn der conditio sine qua non‑Formel zwischen der Finanzierung und jenen rechtlichen Interessen, die der Versicherungsnehmer mit Rechtsschutzdeckung wahrnehmen will, bestehen muss (so ausdrücklich § 3 Abs 1 lit d der dARB 2000). Dies allein würde jedoch – entgegen dem Grundsatz, Risikoausschlussklauseln tendenziell restriktiv auszulegen – immer noch zu einer sehr weiten und unangemessenen Lücke des Versicherungsschutzes führen, mit der der verständige durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht zu rechnen braucht. Ein Risikoausschluss kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn sich die typische Risikoerhöhung, die zur Aufnahme gerade dieses Ausschlusses geführt hat, verwirklicht. Es bedarf – wie im Schadenersatzrecht zur Haftungsbegrenzung – eines adäquaten Zusammenhangs zwischen Rechtsstreit und Baufinanzierung; es muss also der Rechtsstreit, für den Deckung gewährt werden soll, typische Folge der Finanzierung eines Bauvorhabens sein. Nur eine solche Auslegung der Klauseln entspricht dem dafür relevanten Verständnis eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers (7 Ob 130/10h mwN).
3.3 In der bereits genannten oberstgerichtlichen Entscheidung wurde auch dahin Stellung genommen, dass ein adäquater Zusammenhang dann vorliegt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung einen Bezug zu den für Finanzierungen typischen Problemen wie Fälligstellungen wegen Zahlungsrückständen, Uneinigkeit über die Zinsenberechnung und Schlechtberatung bei der Wahl und konkreten Gestaltung der Finanzierung, aufweist.
So besteht ein hinreichender Zusammenhang mit Aufklärungs‑ und Beratungsfehlern durch den Darlehensgeber‑ oder ‑vermittler ( Armbrüster in Prölss/Martin Versicherungsvertragsgesetz 29 ARB 2010 § 3 Rn 28). Die Baufinanzierungsklausel gilt sowohl dann, wenn die Bank den Darlehensvertrag kündigt, aus dem Darlehensvertrag vorgeht und die Zwangsvollstreckung betreibt, als auch dann, wenn die Bank Anweisungen des Kunden nicht beachtet ( Maier in Harbauer Rechtsschutzversicherung ARB Kommentar 8 ARB 2000 § 3 Rn 77).
4. Der geforderte adäquate Zusammenhang ist im vorliegenden Fall zu bejahen:
4.1 Beim Fremdwährungskredit geht der Kreditnehmer typischerweise eine effektive Fremdwährungsschuld ein. Das in Fremdwährung aufgenommene Kapital ist also auch wieder in Fremdwährung zurückzuzahlen. Darüber hinaus ist die Masse der Verträge endfällig ausgestaltet, das aufgenommene Kapital ist also am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen, bis dahin schuldet der Kreditnehmer, der das Risiko von Wechselkursschwankungen zu tragen hat, nur Zinszahlungen.
4.2 Die Kläger nahmen zur Finanzierung ihres Eigenheims einen Fremdwährungskredit auf. Aufgrund des damit typischerweise verbundenen – zu Lasten der Kläger auch schlagend gewordenen – Währungskursrisikos, wollten sie eine Konvertierung in einen Euro-Kredit. Letztlich setzten sie über Beratung der Kreditgeberin den Fremdwährungskredit unter Setzung einer Stop‑Loss‑Order fort.
Selbst wenn die Stop‑Loss‑Order durch gesonderte nachträgliche Vereinbarung erfolgte, so ist doch die ursprüngliche Finanzierung des Eigenheims über einen Fremdwährungskredit conditio sine qua non für das während der Laufzeit auftretende Erfordernis, das gerade einem solchen Kreditverhältnis anhaftende Wechselkursrisiko – durch nachträgliche Änderungen – zu begrenzen. Bei derartigen Vereinbarungen, die die Reduzierung des Kursrisikos für den Kreditnehmer zu erreichen versuchen, geht es gerade um die konkrete weitere Gestaltung dieser Finanzierung des Bauvorhabens. Die behauptetermaßen schadenstiftende Beratung durch die Kreditgeberin im Zusammenhang mit der Fortsetzung eines solchen Kreditverhältnisses unter Setzung einer Stop‑Loss‑Order erfolgte wegen dem dem – zur Finanzierung des Bauvorhabens aufgenommenen – Kreditverhältnis innewohnenden Kursrisiko. Die von den Klägern beabsichtigte Rechtsverfolgung weist damit – selbst für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer leicht erkennbar – einen Bezug zu typischen Problemen der Baufinanzierung über Fremdwährungskredite auf.
5. Zusammengefasst bedeutet dies: Wird durch eine nachträgliche Stop‑Loss‑Order des Kreditnehmers versucht, das Währungsrisiko des zur Finanzierung eines Bauvorhabens nach Art 7.1.11 ARB 2005 aufgenommenen Fremdwährungskredits zu begrenzen, so stehen Streitigkeiten um Aufklärungs‑ und Beratungsfehler der Kreditgeberin im Zuge der Stop‑Loss‑Order im adäquaten Zusammenhang mit der Finanzierung des Bauvorhabens, sodass der Risikoausschluss des Art 7.1.11 ARB 2005 greift.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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