European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118577
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Antragsgegnerin zeigt in ihrem Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 382c Abs 1 EO ist von der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung der einstweiligen Verfügung Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung unmittelbar droht. Da hier überdies die Antragsgegnerin ihrerseits ebenfalls in Zusammenhang mit den Vorfällen vom 7. bzw 8. 3. 2017 einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt hat und die Vorfälle auch durch polizeiliche Erhebungen, inklusive der Einvernahme der Rechtsmittelwerberin, dokumentiert sind, ist die Abstandnahme von einer Einvernahme im vorliegenden Provisorialverfahren umso mehr vertretbar. Die insoweit behauptete Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens hat überdies das Rekursgericht bereits verneint (RIS-Justiz RS0042981).
2. Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person – verschuldensunabhängig (5 Ob 180/09w; 7 Ob 185/16f; RIS-Justiz RS0110444) – den an sie gerichteten Auftrag zum Verlassen der Wohnung gemäß § 382b EO rechtfertigt, stellt überdies grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO dar (5 Ob 180/09w; RIS-Justiz RS0123926). Ein körperlicher Angriff iSd § 382b EO ist jede gezielte Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des Antragstellers (vgl auch Beck in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR §§ 382b–382e EO Rz 25). So wurde bereits im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens ausgesprochen, dass das Versetzen von Speisen mit (dort unbekannten) Wirksubstanzen einen Eingriff in die körperliche Integrität darstellt, und zwar unabhängig davon, ob es strafrechtlich relevant ist (7 Ob 254/04k).
Dass ein solcher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Antragstellers hier vorliegt, bestreitet die Rechtsmittelwerberin nicht. Sie hält den Vorfall aber für unwesentlich und verweist auf die mangelnde Lebensgefährlichkeit des Medikaments.
Dass ein körperlicher Angriff aber lebensgefährlich oder auch nur konkret strafbar sein müsste, um zu einer Wegweisung führen zu können, ist keineswegs Anforderung des Gesetzes. Wenn die Vorinstanzen daher das heimliche Verabreichen eines Psychopharmakums in den für den Antragssteller vorgesehenen Kaffee als ausreichenden körperlichen Angriff im Sinne des Gesetzes angesehen haben, hält sich dies im Rahmen der Judikatur und kann mit dem Argument, der Vorfall sei „lächerlich“ gewesen, nicht erfolgreich bekämpft werden.
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